Genius-Produkte übernommen

MCAD-Erwerb stellt Autodesks Partnerkonzept in Frage

22.05.1998

Besonders in der Münchner Autodesk-Niederlassung unter Geschäftsführer Dieter Höfler wird das Partnerkonzept immer noch hochgehalten. Ein auf die Anwendungsbereiche mechanische Konstruktion, Architektur und geografische Informationssysteme abgestimmtes "Autocad" stellt dabei in 80 Prozent aller Neuinstallationen die Systembasis für Spezialapplikationen von Drittanbietern.

Erste markante Änderungen dieser Strategie zeichneten sich Anfang letzten Jahres ab, als sich Autodesk mit der Übernahme der Firma Softdesk Architekturanwendungen ins Haus holte. Diese Entwicklung wurde besonders von deutschen Partnern mit Sorge beobachtet. Höfler versuchte seinerzeit die Wogen mit dem Argument zu glätten, daß die Auswirkungen des Mergers vor allem in den USA zum Tragen kämen, wo das Firmen-Flaggschiff Autocad in der Regel noch nackt verkauft und von den Anwendern mit Eigenentwicklungen erweitert würde. Der Auftritt als Anbieter von Komplettlösungen habe in den Staaten also nahegelegen.

Eine vergleichbare Situation für den Bereich mechanische Konstruktion stellt sich nun mit dem Kauf der Genius-Software ein - von geografisch unterschiedlichen Konsequenzen ist jetzt jedoch nicht mehr die Rede. Im Gegenteil: "Die Vertriebspartner werden selbstverständlich weiterhin ihre Produkte anbieten können, die Produktfamilie von Autodesk für den Mechanikbereich wird allerdings in direktem Wettbewerb zu anderen Programmen für die Maschinenbau-Konstruktion stehen", so die offizielle Verlautbarung. Beschwichtigende Töne gibt es allenfalls für Partner, die zu Autodesks "Mechanical Application Initiative" (MAI) gehören. Sofern sie jetzt in eine Konkurrenzsituation geraten, will Autodesk Verhandlungen über neue Geschäftsmöglichkeiten anbieten.

Nur wenig Alternativen

Daran wird auch deutlich, weshalb sich die erfolgreiche Genius GmbH nicht gegen eine Übernahme ihrer Software wehren konnte. Offiziell heißt es, daß zwei führende Unternehmen ihre Produkte und Mitarbeiter integrieren - Genius hat in seinem Geschäftsfeld allein in Deutschland einen Marktanteil zwischen 85 und 90 Prozent. Klar ist aber auch, daß sich Autodesk im Fall einer Ablehnung durch Genius nach der Lösung eines anderen Partners umgesehen hätte, so daß für die Oberpfälzer eine unter Umständen äußerst kritische Konkurrenzsituation eingetreten wäre.

Mit der Akquisition erwirbt Autodesk Teile des Genius-Anlagevermögens und alle Rechte an "Genius LT97", "Genius 14" und "Genius Desktop". Die weitgehend übernommenen Mitarbeiter werden in die Mechanical Market Group von Autodesk integriert, sollen aber Amberg als Standort eines weiteren Autodesk-Entwicklungszentrums beibehalten. Geplant ist eine sukzessive Zusammenführung der Produkte, die mit dem nächsten Autocad-Release 14 abgeschlossen sein wird. Die Genius GmbH selbst bleibt als Unternehmen der AGB Holding bestehen, das Geschäftsfeld wird sich jedoch zunächst auf den digitalen Bauteilekatalog "Powerparts" konzentrieren.