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Maut-System-Betreiber Toll Collect war "wohl zu ehrgeizig"

19.09.2003

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der Betreiber des Maut-Systems, Toll Collect, hat erstmals zugegeben, dass seine optimistischen Zeitpläne möglicherweise unrealistisch gewesen sind. An dem Joint Venture beteiligen sich Daimler-Chrysler, die Deutsche Telekom sowie die 1970 gegründete französische Autobahngesellschaft Cofiroute, die unter anderem auch eine eigene Radiostation ausschließlich für Verkehrsinformationen unterhält.

Gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" konzedierte der Geschäftsführer der Betreibergesellschaft Toll Collect, Michael Rummel, man sei "wohl zu ehrgeizig" gewesen. Andererseits habe man sich auf keinen Fall der Gefahr aussetzen wollen, nicht den Zuschlag für den lukrativen und prestigeträchtigen Auftrag zu bekommen: "Es wäre für uns natürlich eine große Enttäuschung gewesen, wenn wir den Auftrag nicht bekommen hätten," zitierte die "Süddeutsche Zeitung" Rummel.

Trotzdem beharrt das Betreibergremium darauf, man könne den Probebetrieb für das Gesamtsystem an diesem Freitag wieder aufnehmen. Würde sich dieser erfolgreich gestalten, sei auch an einen Stapellauf am 2. November 2003 durchaus zu denken. Unklar ist, ob diese Aussagen öffentlich gewordene Informationen konterkarieren sollen, die besagen, Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe denke bereits laut darüber nach, das Betreibergremium wegen des Maut-Fiaskos in Regress zu nehmen.

Der Verkehrsexperte von Büdnis 90/Die Grünen, Albert Schmidt, hatte gegenüber dem "Deutschlandfunk" bereits gesagt, wegen des Mautsystem-Chaos müsse mit finanziellen Ausfällen von bis zu 720 Millionen Euro gerechnet werden. Diese Einbußen müssten von den drei Unternehmen im Toll-Collect-Joint-Venture mitgetragen werden.

Auch Stolpe ist mittlerweile offensichtlich bereit, das Betreibergremium in die Pflicht zu nehmen: Er stützt sich darauf, dass vertraglich der Beginn des Maut-Systems auf den 31. August 2003 terminiert war. Diese Zusicherung habe Toll Collect nicht erfüllt. Unstrittig ist nach einem ZDF-Bericht, dass der Bundesverkehrsminister dem Firmenkonsortium am 30. Juli 2003 einen erweiterten Haftungsausschluss eingeräumt hatte. In einer schriftlichen Vereinbarung, die dem ZDF vorliegt, heisst es in einem Zehn-Punkte-Katalog über die Verschiebung der Maut-Einführung um zwei Monate auf den 2. November: "Die beiden Monate der Einführungsphase und die beiden ersten Monate der Betriebsphase sind vertragsstrafen- und haftungsfrei." Und weiter: "Die Parteien streben an, im Januar 2004 eine Verständigung über eine angemessene jährliche Haftungshöchstgrenze zu erzielen." Wie diese Vereinbarungen der beiden Parteien rechtlich zu bewerten sind, darüber hebt nun ein

trefflicher Streit an.

Stolpe-Sprecher Michael Zirpel bestätigte die Existenz dieser Vereinbarung. Sie sei aber "nichtig", weil ihre Grundlage der Systemstart zum 31. August gewesen sei, der aber nicht zu Stande gekommen war. (jm)