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Maut nach der Kündigung: Jetzt geht das Gefeilsche erst richtig los

18.02.2004

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Kaum hat Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe den Mautvertrag mit dem Konsortium Toll Collect gekündigt, da geht das Gefeilsche um die Schadenersatzforderungen, personelle Maßnahmen und die politischen Folgen los. Und die Konkurrenten von Toll Collect wittern Morgenluft.

Auf 6,5 Milliarden Euro veranschlagte Stolpe die Einnahmeausfälle durch das Maut-Desaster. Ein Schiedsgericht wird nun zu klären haben, welche Ansprüche der Bund gegen die Konsortialmitglieder Deutsche Telekom, DaimlerChrysler und Cofiroute geltend machen kann. Stolpe hatte am Dienstag erklärt, man werde unverzüglich das Schiedsgerichtverfahren einleiten, "in dem wir unsere umfangreichen Schadenersatzansprüche geltend machen". Angemeldet seien Einnahmeausfälle von je 156 Millionen Euro für die Monate September bis Dezember 2003. Hinzu kommen 180 Millionen Euro für Januar und den halben Februar 2004, schreibt "Spiegel online". Zudem, so Stolpe weiter, könne er Investitionen für Software und Kontrolltechnik auf den Autobahnen von geschätzten 700 Millionen Euro nicht erstatten. Der Schaden in den laufenden Monaten komme hinzu. Da der Mautvertrag eine unbegrenzte Haftung des Konsortiums für den Vertragszeitraum von zwölf Jahren vorzusehen

scheint, könnte sich die Gesamtforderung des Bundes an Toll Collect noch erheblich in die Höhe schrauben. Stolpe sagte vor der Bundespressekonferenz, es werde eine harte Linie geben: "Die Anwälte freuen sich schon".

Allerdings haben die drei Unternehmen trotz der Vertragskündigung noch eine letzte Gnadenfrist von zwei Monaten, innerhalb derer sie einen letzten Vorschlag zur Lösung des Problems machen können.

Derweil hat sich der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) zu Wort gemeldet und Forderungen gegen Toll Collect angemeldet. DSLV-Hauptgeschäftsführer Heiner Rogge wird mit den Worten zitiert, allein für den Ein- und Ausbau der Bordcomputer seien den Fuhrunternehmen Kosten zwischen 60 bis 70 Millionen Euro entstanden. Die Chemnitzer "Freie Presse" zitiert Rogge ferner mit der Aussage, die Branche habe Stolpe rechtzeitig gewarnt, dass die von Toll Collect versprochenen Termine nicht zu halten seien. Die Regierung habe jedoch nicht auf diese Warnungen gehört. Jetzt habe man das Vertrauen in Verkehrsminister Stolpe verloren.

Derweil kursieren Gerüchte, dass Siemens als Produzent der Maut-Geräte in das Konsortium einsteigen könnte. An diesem halten DaimlerChrysler und die Deutsche Telekom je 45, der französische Autobahnbetreiber Cofiroutee zehn Prozent der Anteile.

Mittlerweile treten auch die bei der Ausschreibung unterlegene Schweizer Firma Fella und der italienische Mautbetreiber Autostrade, der das österreichische System aufbaute, wieder auf den Plan. Beide bekräftigten ihre Absicht, sich an einer neuen Ausschreibung zu beteiligen.

Entlassungen sowohl bei Toll Collect und dessen rund 560 Mitarbeitern sowie beim Bundesamt für Güterverkehr (BAG) soll es im übrigen nicht geben. Die 830 BAG-Mitarbeiter waren zur Kontrolle des Maut-Erhebungsverfahrens aus anderen Behörden in das BAG versetzt worden. Sie sitzen seit Monaten mehr oder weniger tatenlos herum. Trotzdem, so der Berliner "Tagesspiegel", sei ein Stellenabbau momentan kein Thema. (jm)