Martin Jetter, IBM: Die Software-Landschaft wird überschaubarer

13.02.2008
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Welchen Herausforderungen sich IBM in Deutschland stellen muss, wie sich die Servicesparte organisiert und welche Pläne der Konzern in Sachen Software und Hardware verfolgt, erläutert Geschäftsführer Martin Jetter im Gespräch mit CW-Redakteur Martin Bayer.

CW: Herr Jetter, Sie sind seit 1986 bei der IBM. Was fasziniert Sie nach 22 Jahren noch an Ihrem Job?

JETTER: Diese Faszination hält schon viele Jahre an und IT wird höchstwahrscheinlich nie langweilig werden. Was mich aber besonders anspricht, ist ihr Zusammenwachsen mit dem Business. Kein Geschäftsmodell, kein Geschäftsprozess kommt heute ohne IT aus. Sie hat als Querschnittstechnologie eine ungeheure Hebelwirkung auf unser gesamtes Wirtschaftsleben. Und umgekehrt treibt die Kreativität unserer Kunden immer neue Innovationsschübe in der Technologie. Diese Wechselwirkung finde ich immer wieder aufregend.

CW: Apropos Aufregung: Vor einem Jahr kritisierte Ihr Hauptquartier, das Deutschland-Geschäft von IBM laufe nicht rund. Wie sieht es jetzt zwölf Monate später aus?

JETTER: Wir brechen einzelne Länder in der Regel nicht aus unseren Finanzberichten heraus. Es mag eine Ausnahme geben, wenn sich unser Finanzchef zu einem G8-Land äußert. Das hat er im ersten Quartal des vergangenen Jahres getan, als er die Wachstumszahlen von Deutschland hervorgehoben hat. Damals waren es zehn Prozent. Mit den jüngsten Quartalszahlen hat IBM weltweit das beste Ergebnis der zurückliegenden Dekade erzielt. Aber auch jetzt werden wir keine detaillierten Zahlen für einzelne Länder veröffentlichen.

CW: In dem jüngsten Finanzbericht hat sich IBM ambitionierte Ziele gesteckt. Wie soll das angestrebte Profit-Plus von 16 Prozent erreicht werden?

JETTER: Wir stützen uns dabei auf unsere 2010-Agenda. In den vergangenen Jahren hat sich IBM sukzessive aus den weniger margenträchtigen Geschäftsfeldern verabschiedet. Wir konzentrieren uns nun auf viel versprechende Themen wie Virtualisierung, offene Standards, Service-orientierte Architekturen und Dienstleistungen. IBM investiert jährlich zwischen fünf und sechs Milliarden Dollar in Forschung und Entwicklung. Daraus entsteht eine Menge neue Technik für den Markt. Darüber hinaus überprüfen wir kontinuierlich unser Produktportfolio. Wir kaufen Firmen zu, die gute Geschäfte versprechen. In den vergangenen Jahren hat der Konzern rund 50 Unternehmen zugekauft.

CW: Momentan sieht die allgemeine konjunkturelle Entwicklung nicht besonders rosig aus. Könnte die drohende Rezession IBM einen Strich durch die Rechnung machen?

JETTER: Jeder spricht momentan von dieser vermeintlichen Rezession. Sollte es dazu kommen, ist IBM gut vorbereitet. Die Vergangenheit hat folgendes gezeigt: Wenn die Wirtschaft rückläufig ist, wenden sich Unternehmen Partnern zu, die eine hohe Sicherheit versprechen. Investitionssicherheit und Sicherheit, dass die Systeme funktionieren. Deshalb sehen wir auch optimistisch in die Zukunft.

Herkules: Es wird Höhen und Tiefen geben

CW: Ein wichtiges Standbein für IBM ist das Dienstleistungsgeschäft. Wie laufen große Outsourcing-Projekte wie beispielsweise Herkules?

JETTER: Herkules läuft gut. Wir haben das, was wir im ersten Jahr nach der Vertragsunterzeichnung erreichen wollten, auch geschafft. Es gibt eine neue Zentrale in Meckenheim. Wir haben im Leistungsverbund rund 2500 Mitarbeiter des Bundes unter unsere Fittiche genommen und das Zulieferernetzwerk, darunter viele mittelständische Betriebe, in das Projekt integriert. Außerdem haben wir den Betrieb der IT übernommen. Alles ging leise vonstatten. Auch deshalb ziehen wir eine positive Bilanz des ersten Jahres. Aber es ist ein mehrjähriger Vertrag. Es kommen noch etliche Jahre, in denen es sicher Höhen und Tiefen geben wird. Wir müssen realistisch bleiben: Wir haben das erste Jahr hinter uns gebracht. Es wäre verfrüht, schon jetzt in Euphorie zu verfallen und zu glauben, es sei schon alles erledigt.

CW: Nach dem Abschied von Rudolf Bauer haben Sie die Aufsicht über Herkules übernommen. Warum ist das Projekt zur Chefsache erklärt worden?

JETTER: Herkules ist die größte Public Private Partnership (PPP) in Europa. Wir wollten bewusst ein Signal setzen, dass dies ein Schlüsselprojekt ist, nicht nur für IBM und Siemens, sondern auch für Deutschland und ganz Europa. Das Modell ist eine Chance für die öffentliche Hand, ihre Infrastruktur und die Prozesse zu modernisieren. Und sie muss es nicht alleine tun.

CW: Noch hat Herkules keine Impulse für das PPP-Modell setzen können. Wartet die öffentliche Hand erst einmal ab, wie sich Herkules entwickelt?

JETTER: Man kann die Situation vielleicht am ehesten mit dem Outsourcing-Deal der Deutschen Bank vor einigen Jahren vergleichen. Auch damals haben wir Pionierarbeit im deutschen Markt geleistet. Es bedarf einer gewissen Zeit bis das Eis bricht. Dazu gibt es eine neue gesetzliche Regelung, die die Bildung von PPPs auf eine neue und einfachere Basis stellt. Das sollte diesen Bereich zusätzlich stützen. Wir haben mit Herkules ein Leuchtturmprojekt auf die Beine gestellt.

CW: Wird IBM verstärkt Offshore- und Nearshore-Kapazitäten für seine Serviceleistungen ausbauen – auch auf Kosten der deutschen Ressourcen?

JETTER: Unsere Serviceorganisation ist im vergangenen Jahr gewachsen – auch von der Anzahl der Menschen, die in diesem Bereich hier in Deutschland beschäftigt sind. Nichtsdestotrotz gilt für das gesamte Unternehmen: Wir sind Teil einer "Globally Integrated Enterprise". Das bedeutet: Die Arbeit geht dahin, wo sie wirtschaftlich am besten erbracht werden kann beziehungsweise dorthin, wo letztlich auch das beste Know-how sitzt. In vielen Bereichen beziehen wir diese Expertise von anderen Standorten. Auch aus dem Grund, weil unsere Kunden hier in Deutschland von den Kostensätzen her nicht mehr bereit sind, diese Leistungen aus einer deutschen Wertschöpfung heraus zu bezahlen.

CW: Das geht also zu Lasten des deutschen Standorts?

JETTER: Wir holen dank unserer hochqualifizierten Kräfte auch Arbeit nach Deutschland: IBM unterhält hier die modernsten Rechenzentren in ganz Europa. Wichtig ist in erster Linie der Verbund der Leistungserbringung. Da spielt Offshoring sicher eine Rolle. Die Wettbewerbsstruktur in Deutschland ist sehr aggressiv. Die Tatsache, dass wir eine Center of Excellence-Struktur haben, schafft und schützt Arbeitsplätze in Deutschland. Dieses Modell hält uns wettbewerbsfähig.

CW: Inwieweit können Sie innerhalb eines international orientierten Serviceverbunds auf die Eigenheiten des deutschen Marktes Rücksicht nehmen?

JETTER: Wir sind in der Lage, alle Servicefelder, die wir anbieten, auch komplett aus Deutschland heraus zu erbringen. Oft erwarten die Kunden aber – gerade auch im Mittelstand –, dass wir Kollegen aus den verschiedensten Bereichen dazunehmen: vor allem aus Kostengründen, aber auch wegen des mehr und mehr globalen Auftritts unserer Kunden. Ein Beispiel: Wir implementieren in vielen verschiedenen Branchen weltweit neue Betriebsabläufe und Prozesse. Einzelne Branchen, wie die Modebranche, sind in bestimmten Ländern zu Hause. Dort gibt es dann natürlich auch die entsprechenden Spezialisten. Oft fragen dann die hiesigen Kunden aus dieser Branche bewusst danach, einen dieser Experten zu den entsprechenden Projekten hinzuzuziehen. Auf diesen Erfahrungen kann man aufbauen und muss das Rad nicht neu erfinden. Hier hilft uns die globale Vernetzung und Integration zwischen den verschiedenen Bereichen.

CW: Aber gerade die deutschen Mittelständler wollen doch ihren persönlichen Ansprechpartner um die Ecke?

JETTER: Aspekte wie die Sprache spielen nach wie vor eindeutig eine Rolle. Man braucht Leute, die der deutschen Sprache mächtig sind. Vor allem müssen sie auch in der Lage sein, Dinge zu diskutieren, zu moderieren und die Prozesse hier in Deutschland verstehen. Es ist ein Mix aus beiden Teilen: Neben der regionalen Komponente bleibt auch der globale Auftritt mit der Center-of-Excellence-Struktur wichtig, um auf diese Ressourcen und das Knowhow zugreifen zu können.

IBM will weiter in Middleware investieren

CW: Auch im Softwarebereich wachsen die Ressourcen von IBM – vor allem durch zahlreiche Übernahmen. Bislang hat sich IBM auf das Infrastrukturgeschäft konzentriert. Öffnet sich mit der Akquisition von Cognos wieder die Tür zum Anwendungsmarkt?

JETTER: Unser Softwarebereich ist in den vergangenen Jahren schnell gewachsen und macht mittlerweile rund 20 Prozent vom Gesamtumsatz aus. An der Strategie, dass wir unseren Partnern und Kunden keine Konkurrenz machen, halten wir weiter fest. Die Middleware ist das Segment, in das wir signifikant investieren. Wir haben nicht die Absicht, unser Softwaregeschäft auf den Anwendungsbereich auszudehnen.

CW: Konkurrenten wie Microsoft und Oracle besitzen einen kompletteren Software-Stack. Besteht da nicht die Gefahr, dass IBM in Sachen Software mehr und mehr unsichtbar wird?

JETTER: Nein, ich glaube nicht. Unsere Strategie heißt offene Systeme. Die Frage, die sich die Verantwortlichen in den Unternehmen stellen, lautet: Habe ich noch die Freiheit zu entscheiden, was ich an Software einsetze? Der Weg, den wir proklamieren, gibt den Firmen genau diese Freiheit wieder zurück. Ein Beispiel: Wer hat Linux in der Business-IT etabliert? Das war IBM, und ganz speziell IBM hier in Deutschland. Wir haben Linux auf den Großrechnern lauffähig gemacht.

CW: Aber lohnt sich denn dieses Geschäft?

JETTER: Für uns hat sich der Business-Case Linux schon absolut gerechnet. Natürlich schwärmt jeder Softwareanbieter von einem Geschäftsmodell, in dem jeder Euro Umsatz auch einen Euro Gewinn bedeutet. Aber das gehört der Vergangenheit an. Es gibt Unternehmen, die versuchen sich an diese Zeiten zu klammern. Heute aber geht es um offene Systeme.

CW: Was haben die Anwender konkret davon?

JETTER: Es ist geschäftlich notwendig. Wie schnell verändern sich heute die Prozesse in den Unternehmen? Es werden Firmen zugekauft, einzelne Abteilungen ausgelagert, Abläufe neu organisiert. Es gibt Reorganisation und Expansionen. Das bedeutet: Die Unternehmen brauchen eine Prozessarchitektur, die ihnen die notwendige Flexibilität bietet. Sie müssen ihre Geschäftssteuerung dynamisieren und in der Lage sein, dies nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit zu tun. Als Unternehmen muss ich eine offene Architektur schaffen, die mir die notwendige Business-Flexibilität bietet. Das funktioniert nur mit offenen Systemen und Standards.

CW: Auch die Konkurrenz propagiert ähnliche Strategien. Wird die Übernahme von Bea durch Oracle den Wettbewerb im Middleware-Geschäft verschärfen?

JETTER: Ich persönlich glaube, dass die Softwarelandschaft durch den Appetit mancher Anbieter einfacher wird. Sie wird übersichtlicher. Wir arbeiten in einigen Bereichen mit Oracle zusammen, in anderen wie dem Datenbankmarkt konkurrieren wir. Entscheidend ist, dass die Anbieter offene Standards unterstützen. Wir scheuen die Konkurrenz nicht. Offenheit bedeutet aber auch ein Stück weit größeren Wettbewerb.

CW: Was halten Sie von neuen Nutzungsmodellen wie Software-as-a-Service?

JETTER: Wir bieten unseren Kunden schon seit vielen Jahren flexible Möglichkeiten, um beispielsweise Leistungsspitzen abzufangen. Das betrifft nicht nur die Software- sondern auch Hardwarekapazitäten. Die Methode kann SaaS sein, muss es aber nicht. Wir haben Vertragsformen, die eine flexible Softwarenutzung erlauben. Das reicht bis hin zum Outsourcing. SaaS wird sicher seinen Platz im Markt finden. Es geht viel in diese Richtung. Aber es wird nur eine unter verschiedenen Möglichkeiten sein, wie Unternehmen ihre Software beziehen und konsumieren.

CW: Nun sind die Anwender aber immer weniger bereit, das für die Hersteller lukrative Lizenz-Wartungs-Modell zu tragen. Werden sich die Anbieter damit von den hohen Margen der Vergangenheit verabschieden müssen?

JETTER: Das weiß ich nicht. Ich würde den Spieß umdrehen: Man spricht zwar immer von Marge. Aber man darf nicht vergessen, dass Software auch weiterentwickelt werden muss. Software wird nach wie vor von Menschen programmiert. Damit ist es bei aller Automatisierung und Offshoring immer noch eine sehr kostenintensive Tätigkeit. Gleichzeitig muss unser Geschäftsmodell aufgehen.

CW: Was treibt die Entwicklung hauptsächlich an?

JETTER: Es gibt einmal die "normale" Weiterentwicklung, wenn sich beispielsweise Gesetze ändern. Der eigentliche Schrittmacher ist aber die Veränderung der Prozesslandschaften sowie das Aufkommen neuer Geschäftszweige und Industriefelder. Damit entstehen auch neue Anforderungen. Die Unternehmen treffen ihre Softwareentscheidungen für viele Jahre im Voraus, gerade wenn es um anspruchsvolle Geschäftsapplikationen geht. Hier sind auch die Bindungen zwischen Anwender und Softwarelieferant sehr eng. Für mich ist daher die entscheidende Frage: Wie organisiere ich mein Software-Entwicklungsmodell, so dass der Kunde die modernste Software bekommt, die auch seinen Erwartungen entspricht. Gleichzeitig gilt aber auch: Die Software kann nicht nur von einem Kunden abhängig sein, egal wie groß der Kunde ist. Man muss die Softwareentwicklung auf eine breite Basis stellen.

CW: Durch die vielen Übernahmen verfügt IBM über eine breit gefächerte Middleware. Ist der Stack denn komplett?

JETTER: Ich weiß nicht, ob dieser Punkt jemals erreicht werden wird. Die IT ist den vergangenen 30 bis 40 Jahren so breit geworden. Ich sehe den Trend ungebrochen, dass sich die IT-Industrie weiter entwickelt. Deshalb werden wir auch in Zukunft immer wieder vor der Entscheidung stehen, ob wir bestimmte Dinge selbst entwickeln, oder zukaufen. Das sind Einzelfallentscheidungen, die wir sorgfältig prüfen und treffen.

CW: Gibt es Lücken, die Sie füllen müssen?

JETTER: Ich glaube, wir haben ein sehr komplettes Angebot. Dass es immer wieder neue Themen gibt, das liegt in der Natur der Sache.

Green IT soll Hardware-Geschäft beflügeln

CW: Dagegen tut sich in IBMs Hardwaresparte nicht viel. Zuletzt sind die Umsätze erneut zurückgegangen. Welche Bedeutung hat das Hardwaregeschäft noch für IBM?

JETTER: Der Hardwarebereich hat nach wie vor eine große Bedeutung für IBM. Ein Großteil der Forschungs- und Entwicklungsgelder fließen in diesen Bereich. Deshalb gibt es auch immer neue Ausprägungen: Beispielsweise sind alle Logikprozessoren der Xbox, der Playstation sowie der Nintendo-Geräte von IBM entwickelt und produziert worden. Darüber hinaus diskutieren wir viel über das Thema Green-IT.

CW: Wie beurteilen Sie den Stellenwert dieses Hype-Themas?

JETTER: Hier gibt es eine Menge zu tun und IBM wird dazu auf der CeBIT auch einiges zeigen, beispielsweise was die Kühlung aktueller Hochleistungsprozessoren anbelangt. Wir gehen davon aus, dass die Anwender in Sachen Green IT in nächster Zukunft eine Menge investieren werden. Auf der einen Seite wird es nach wie vor eine permanente Leistungsverbesserung geben. Andererseits werden die Kunden mehr Wert auf die Energieeffizienz der Systeme legen. IBM hat dazu ein eigenes Programm mit einem Volumen von einer Milliarde Dollar jährlich aufgelegt. Etwa 1000 Menschen kümmern sich permanent um dieses Thema. Nach den internen Vorgaben muss jede neue Gerätegeneration energieeffizienter und umweltverträglicher sein als deren Vorgänger. Hier wird sich noch einiges tun.

CW: Gibt es weitere Entwicklungen, die IBMs Hardwaregeschäft neue Impulse geben könnten?

JETTER: Auch im PC-Umfeld werden sich die Kunden nach neuen Modellen umsehen. Die Systeme laufen viel Zeit im Standby-Betrieb und verschwenden dabei Energie. Man kann sich aber auch einen leistungsstarken Server im Hintergrund vorstellen: Die Leute arbeiten dann mit grafikstarken Terminals in schnellen Netzen. Ich sehe auch im wissenschaftlichen Rechnen neue Anwendungsbereiche. Beispiel Jülich: Das ist der schnellste zivile Rechner weltweit. Gerade wenn Forscher in Regionen vorstoßen, die nur noch durch mathematische Simulationen dargestellt werden können, braucht es derartige Großrechenanlagen.

CW: Wie beurteilen Sie die Zukunft von IBMs Risc-Architektur? Stoßen die x86-Standardplattformen nicht allmählich in Leistungsregionen vor, die bislang den Risc-Plattformen vorbehalten waren?

JETTER: Es gibt unterschiedliche Vorlieben. Manche Kunden schwören auf die Risc-Architektur, andere auf die Mainframes. Jede Plattform hat ihre Berechtigung und ihr Einsatzgebiet. Nicht umsonst baut die Bankenlandschaft fast durchgehend auf unsere Großsysteme. Weil es die wirtschaftlichste und sicherste Lösung ist. Die Verfügbarkeit eines Rechnerverbunds wird bestimmt durch die Verfügbarkeit der Einzelsysteme. Selbst 1000 PCs – von den Energiekosten wollen wir hier nicht reden – schaffen nie die Verfügbarkeit eines Großsystems der Z-Klasse. Je nach dem geschäftskritischen Grad der einzelnen Prozesse, müssen sich die Anwender für eine entsprechende Plattform entscheiden. Dabei wird eine Rechnerarchitektur nicht genügen – es wird immer mehrere geben. Man wird aber sicher beobachten müssen, wie sich die Leistungsklassen verschieben.

CW: Eine treue Fan-Gemeinde hat nach wie vor die System-i-Plattform ehemals AS400. Allerdings bröckelt allmählich die Unterstützung: Beispielsweise suchen ERP-Anbieter andere Plattformen für ihre Lösungen. Wird es für System i noch eine Zukunft geben?

JETTER: Dieses System eignet sich für Unternehmen, die auf die Kosten achten und eine schlanke IT-Abteilung unterhalten. Die Applikationen laufen integriert, der Betreuungsaufwand ist minimal. Es gibt Kunden, die nach wie vor diese Anforderungen haben. Deshalb hat die System-i-Plattform weiter ihren Markt.

"IT ist die treibende Kraft"

CW: IBM ist im IT-Markt ein Generalist mit sehr breitem Portfolio. Was ist bei diesem Job aus Ihrer Sicht das Schwierigste?

JETTER: Als meine größte Herausforderung erlebe ich das Management von Veränderung. Es ist eine Sache, von der Notwendigkeit von Veränderung überzeugt zu sein und sie persönlich und mit Nachdruck anzugehen. Kopf, Herz und Hand möglichst vieler Menschen rasch für die Veränderung zu gewinnen, ist eine ganz andere Sache. Und das gilt längst nicht nur für Unternehmen. Die Beharrungskräfte in jeglichen sozialen Systemen sind immens. Einen Veränderungsprozess erfolgreich zu meistern und damit ein Stück Zukunftssicherheit zu erreichen, bietet deshalb aber auch die höchste berufliche Befriedigung.

CW: Die Nachfrage nach IT-Personal war in den letzten Jahren großen Schwankungen unterworfen. Würden Sie ihren Kindern eine Karriere in der IT empfehlen?

JETTER: Unbedingt und zweifelsfrei. Sie ist ein guter Einstieg in die Zukunft, was immer diese bringt. Wenn man in den großen wirtschaftlichen Zyklen denkt, dann stehen wir vor dem Beginn des nächsten Schubs und da werden wir es mit Nano-, Bio-, Sozial-, oder Öko-"Etwas" zu tun haben. Alles Felder, in denen IT heute treibende Kraft und Grundvoraussetzung ist. Entscheidend ist es, ein ganzheitliches Verständnis von Business und IT zu entwickeln und da bieten zum Beispiel die Wirtschaftsinformatik und zunehmend die Dienstleistungsforschung hochaktuelle Ansätze.

Der Auszug aus Halle 1

CW: IBM hat ihren Stammplatz auf der CeBIT verloren. Trauern Sie der Halle 1 hinterher?

JETTER: Wir waren die ersten, die auf die CeBIT gegangen sind und wir waren mit die ersten in Halle 1. Aber wie sagt man so schön: In der Veränderung liegt die Chance. Wir freuen uns auf die Halle 2, wir haben einen funkelnagelneuen Stand – größer, geräumiger und ganz andere Lichtverhältnisse.

CW: Die CeBIT will sich in diesem Jahr wieder einmal neu positionieren. Was halten Sie von dem neuen Konzept mit den Themenschwerpunkten?

JETTER: Wir haben immer so ein Konzept gefordert und sehen das sehr positiv. Die Themenschwerpunkte sind die richtigen. Aus diesem Grund unterstützen wir die Neuausrichtung der CeBIT.

CW: Was wird IBM an Neuheiten auf der CeBIT zeigen?

JETTER: Wir haben eine Menge an neuen Themen in die Halle zwei mitgebracht – Themen, die en vogue sind wie Green IT und Business-Flexibilisierung. Die Geschäftswelt ist sehr dynamisch geworden. Unternehmen müssen sich auf diese Veränderungen einstellen. Dafür haben wir probate Lösungen, die wir zusammen mit unseren Geschäftspartnern zeigen. Wir bringen aber auch Technik mit wie Super-Computing und Social-Computing. Wir wollen zeigen wie sich die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Menschen verändert, zu Hause und in den Unternehmen.