Interview

Marten Mickos, MySQL: "Innovationen finden im Web 2.0 statt"

12.12.2007
Von Herrmann Gfaller
Relationale Datenbanksysteme gelten längst als austauschbare IT-Infrastruktur. MySQL-Chef Marten Mickos nimmt für seine Datenbank in Anspruch, besser als die Konkurrenz auf das Geschäft im derzeit boomenden Web 2.0 gerüstet zu sein. Mit Mickos sprach im Auftrag von COMPUTERWOCHE Hermann Gfaller.

CW: MySQL steht kostenlos zum Download bereit. Zahlen muss nur, wer ein Support-Abo bestellt oder die proprietäre Version kauft. Womit verdient MySQL Geld?

Mickos: Wir machen tatsächlich traditionell gute Umsätze mit der geschlossenen MySQL-Version für Embedded Systeme, aber das Abo-Geschäft wächst derzeit weit rascher. Das liegt nicht zuletzt an Endkunden wie Google, Yahoo!, Facebook und anderen Web-Spezialisten, die auf die GPL-Version von MySQL in der Enterprise-Version setzen. In Deutschland zählen T-Systems und Lufthansa zu unseren Kunden.

CW: Wie wichtig ist Ihr Web-2.0-Engagement im Vergleich zu den anderen Geschäftsfeldern?

Mickos: Wir konzentrieren uns auf fünf Märkte: Traditionell beliefern wir OEM-Kunden wie Fujitsu-Siemens sowie die Telekommunikations-Branche. Hinzu kommt das Geschäft mit Software on Demand, das heute auch gern als Software as a Service bezeichnet wird. Wichtig sind uns moderne Enterprise-2.0-Unternehmen - Web 2.0 gehört zu unseren absolut strategischen Märkten.

CW: Warum?

Marten Mickos, CEO von MySQL
Marten Mickos, CEO von MySQL
Foto: Marten Mickos

Mickos: Die Kunden aus diesem Umfeld helfen uns mit ihrem Input enorm bei der Weiterentwicklung unseres Produkts. Hier findet Innovation statt, und jeder, der erfolgreich bleiben will, sollte daran teilnehmen. Alles was wir hier lernen, wird uns nützen, wenn die Unternehmen sich auf Basis von Web-Techniken erneuern.

CW: Anwenderumfragen klingen jedoch eher ernüchternd. Große Unternehmen halten sich beim Thema Web 2.0 zurück, weil sie befürchten, die Kontrolle über ihre Kommunikation zu verlieren. Kleinere Unternehmen sehen kaum Nutzen für sich, einzige Ausnahme sind vielleicht die Marketing-Leiter. Wer neben der IT-Industrie interessiert sich überhaupt für Web 2.0?

Mickos: Sie achten auf die falsche Zielgruppe. Web 2.0 richtet sich weitgehend an Konsumenten. Sites wie Facebook, Gregs List, Second Life, HyperHotel, Mixies und andere wachsen mit immenser Geschwindigkeit. Mit Web 2.0 ist ohne Zweifel viel Geld zu verdienen, auch wenn die Funktionen nicht immer zu klassischen Unternehmen passen.

CW: Wenn das so ist, warum sprechen Sie dann von einem Übergang von Web 2.0 auf Enterprise 2.0?

Mickos: Es gibt eine Reihe von Unternehmen, für die das Consumer- und Business-Geschäft nicht zu trennen ist. Unsere Kunden Google oder T-Mobile bieten ihre Web-Dienste beiden Zielgruppen an. Für den Unternehmensbereich im engeren Sinn hat eine Goldman-Sachs-Studie schon 2006 ermittelt, dass die Umstellung auf immer mehr Web-gestützte Techniken nicht mehr aufzuhalten ist.

CW: Das muss nichts mit Web-2.0-Anwendungen wie Webblogs oder Social Networks zu tun haben …

Mickos: Richtig. Die Studie bezieht sich in der Tat nicht auf die Anwendungsebene, sondern auf deren Architektur.

CW: Es können also SOA oder schlicht die Verwendung von IP-Netzen gemeint sein?

Mickos: Ja, es geht um Applikationen, die das Internet intern oder extern als Transportmechanismus und Web-Browser als Zugang zu den Anwendungen einsetzten. Hinzu kommt, dass der Anwendungs-Stack nicht im Client-Server-Konzept aufgebaut ist, sondern in mehreren Schichten, sprich mit Datenbank, Application- und Web-Servern.

CW: Ist es das, was Sie unter Enterprise 2.0 verstehen?

Mickos: Genau, nämlich die Verwendung Web-basierender Architekturen. Das ist tatsächlich der allgemeine Trend, ebenso wie die Abwendung von proprietärer Software zugunsten von Open Source.

CW: Gibt es hier einen kausalen Zusammenhang?

Mickos: Ja, das hat mit dem mehrschichtigen Aufbau der Architektur zu tun, wie er auch mit dem LAMP-Stack unter genuiner Einbeziehung von Web-Techniken angeboten wird. Hinzu kommt, dass bei Open Source ebenso wie bei Web-Techniken das Konzept verfolgt wird, statt eines großen und besonders leistungsfähigen Servers mehrere kleinere Server zu verwenden, sprich: das Scale-Out- wird gegenüber dem Scale-Up-Konzept bevorzugt, weil man hier von ganz klein bis ganz groß wachsen kann. Der LAMP-Stack unterstützt das ungewöhnlich gut.

CW: Viele Server parallel laufen zu lassen, kostet viel Platz und Energie. Sind da unter den Energiesparkonzepten von Green IT nicht wenige große Server günstiger?

Mickos: Das bezweifle ich. Es mag sein, dass Mainframe-Hardware weniger Strom verbraucht als viele kleinere Server. Aber klassische Datenbank-Management-Systeme gehen so verschwenderisch mit Ressourcen um, dass man im Endeffekt mehr Hardware etwa für Speichersysteme braucht, um mit ihnen sinnvoll arbeiten zu können.

CW: Sie haben Software as a Service (SaaS) als natürlichen Weg für Open-Source-Software bezeichnet. Warum?

Mickos: Natürlich kann man SaaS mit jedem System realisieren. Das schöne an Open Source ist, dass man klein anfangen kann. Das heißt, dass SaaS-Dienstleister keine großen Einstandsinvestitionen brauchen. Wenn man mit einem Mainframe anfängt, muss man von Anfang an tausend Kunden haben, damit es sich rechnet. Mit dem LAMP-Stack können sie Server für Server wachsen, ohne die Architektur völlig umstellen zu müssen. Der Stack kommt vor allem Unternehmensgründern entgegen.

CW: Liegt also der Grund für Ihr Web-2.0-Engagement in der großen Zahl der dort tätigen Entrepreneure?