Deutschland: Studie rechnet bis 1994 mit 600 Installationen

Marktforscher prophezeien FDDI eine blühende Zukunft in Europa

25.01.1991

FDDI steckt in Europa im Gegensatz zu Nordamerika noch in den Kinderschuhen. Während in der Neuen Welt längst Ergebnisse der Marktforscher zu dem Standard und dem User-Verhalten Vorlagen war die Alte Welt diesbezüglich bisher ein weißer Fleck. William Tahil schlüsselt im folgenen Beitrag die Resultate einer Studie auf, die Strategic Resource & Information in vier Staaten Europas durchführte.

Die englischsprachigen Computer-Zeitschriften haben im vergangenen Jahr viel über optische Datenübertragung und FDDI berichtet. In den meisten Artikeln ist in neuen Fachtermin über das Potential dieser Technologie, deren Einsatzmöglichkeiten und die voraussichtlich positive Entwicklung des Standards geschrieben worden. Im Gegensatz zu Europa wird FDDI in den USA bereits häufig eingesetzt, und die Zukunft dieser Technologie im US-Markt ist auch schon in zahlreichen Studien erforscht. In Europa hingegen wurde auf diesem Gebiet bisher noch keine systematische Grundlagenarbeit geleistet. Daher gibt es viele verschiedene Ansichten über die Anwender von heute und morgen sowie über die Fragen, wann und warum diese Technologie einzusetzen ist.

Deutsche mit dem größten Interesse an FDDI

Das europaweit operierende Marktforschungs-Institut Strategic Resource and Information Ltd. führte deshalb 1990 eine Studie über FDDI durch. Ziel war, herauszufinden, wie sich diese Technologie in Europa entwickeln wird. Zu diesem Zweck wurden in Frankreich, Deutschland, Italien und in Großbritannien 1000 Unternehmen und Organisationen mit jeweils über 1000 Mitarbeitern über dieses Thema befragt. Dies bedeutet, daß im jeweiligen Land 20 bis 30 Prozent aller Unternehmen dieser Größenordnung in der Umfrage abgedeckt wurden. Wie erwartet brachte die Untersuchung überraschende Ergebnisse wie auch die Bestätigung einiger weitverbreiteter Ansichten.

Von allen Befragten zeigten die deutschen Unternehmen das größte Interesse an FDDI und optischen Leitern. Immerhin gaben 35 Prozent der befragten Unternehmen und Organisationen an, daß sie deren Einsatz in den nächsten zwei bis drei Jahren erwägen oder bereits beschlossen haben. FDDI wird zum Beispiel von der Universität Karlsruhe, BASF und Volkswagen eingesetzt; der Ausbau bei den genannten Anwendern ist geplant. Die Universität Karlsruhe, die mit BASF im Bereich der Forschung eng zusammenarbeitet, nimmt für sich in Anspruch, FDDI in Europa als erste eingeführt zu haben.

In Deutschland verwendet ein Fünftel der befragten Organisationen optische Leiter als Backbone für LANs und nimmt somit auf diesem Gebiet die Spitzenposition in Europa ein. Wie in den anderen Ländern auch handelt es sich dabei in der Hauptsache um Ethernet-LANs. Absolut gesehen ist der Prozentsatz von optischen LANs mit hoher Bandbreite (100 Mbit/s) niedrig, er wird in Deutschland auf rund drei Prozent geschätzt. Bis 1992 planen jedoch elf Prozent der Befragten die Einführung der FDDI-Technologie - entweder zu Testzwecken oder für den Einsatz in der Praxis. Dabei, so hat die Studie ergeben, zeigen die deutschen Anwender auch das meiste Interesse an technischen Fragen, etwa zum Stand der Entwicklung und zu den Einsatzfeldern.

Die Hauptanbieter, die von den Potentiellen FDDI-Nutzern in der Bundesrepublik in die Planung einbezogen werden, sind IBM, Fibronics, Siemens und DEC. Auch in Frankreich, Italien und in Großbritannien wird Fibronics häufig in Zusammenhang mit der FDDI-Realisierung genannt.

Die meisten der befragten Teilnehmer der Umfrage geben IBM als Lieferant ihrer Informationstechnik an und würden deshalb jedes IBM-Angebot prüfen. Gleiches gilt für Siemens- und DEC-Anwender. Vor kurzem hat Siemens ein Abkommen mit BICC geschlossen, dessen Produkte in Deutschland unter eigenem Namen zu vertreiben.

Zu den bisherigen und künftigen Nutzern von FDDI-LANs in der Bundesrepublik gehören überwiegend Universitäten, Chemiekonzerne, Banken und Versicherungen, Automobilhersteller, Unternehmen der Schwer- und Elektroindustrie. Alles in allem wird die Zahl der großen Unternehmen und Organisationen, die im Laufe der nächsten zwei bis drei Jahre FDDI einführen oder testen, auf rund 600 geschätzt.

Der britische Markt für FDDI und optische LAN-Vernetzung ist der zweitgrößte in Europa. Bei 18 Prozent der Befragten sind optische Leiter als Backbones der LANs bereits im Einsatz, und die Nachfrage nach dieser Technologie ist anhaltend stark. Die meisten der Netze sind wie überall Ethernet- und Token-Ring-LANs.

Das Interesse an FDDI ist ungefähr so stark wie in Deutschland. 35 Prozent der Befragten auf der Insel gaben an, daß sie innerhalb der nächsten zwei Jahre FDDI implementieren oder testen wollen. Der Prozentsatz derer, die bereits beschlossen haben, FDDI zu installieren, ist wesentlich geringer. Der überwiegende Teil der Briten plant zunächst nur Tests.

Der allgemeine Wissensstand um den Standard ist in Großbritannien deutlich geringer als in Deutschland, wo neue Technologien im allgemeinen schneller einer praktischen Erprobung unterzogen werden. Die Entscheidungsträger in Großbritannien zeigten sich in technischen Fragen weniger informiert, sie richten ihr Hauptaugenmerk vornehmlich auf die Kosten-Nutzen-Relation.

Die Anbieter von Netzwerken, das ergab die Studie, haben während der letzten neun Monate beträchtliche Anstrengungen im Marketing unternommen, um sich gegenüber großen

Herstellern von Computersystemen eine gute Marktposition im Bereich FDDI zu sichern. Bei der Frage nach den Anbietern, von denen Angebote eingeholt werden sollen, wurden besonders häufig BICC, Fibronics und Pirelli Focom genannt, gefolgt von Timeplex und Motorola.

Genau wie in Deutschland ist auch in Großbritannien das Spektrum der Unternehmen und Organisationen, die FDDI einführen beziehungsweise testen wollen, weit gefächert. Es

umfaßt Universitäten und Forschungseinrichtungen genauso wie Unternehmen der Elektro- und Chemieindustrie, Maschinen- und Anlagenbauer. Besonders stark ist die Nachfrage in

den Bereichen Finanzen und Forschung. Insgesamt, so belegt die Untersuchung, ist die Komerzialisierung von FDDI in Großbritannien weiter fortgeschritten als in Deutschland.

Der französische Markt für FDDI hinkt dem deutschen und britischen um ein bis zwei Jahre hinterher. Von den 250 befragten Unternehmen gaben 17 Prozent an, daß sie die Einführung beziehungsweise den Test von FDDI in den nächsten zwei bis drei Jahren erwägen. Der Anteil von LANs mit optischen Leitern ist zur Zeit gering, er beträgt nur neun Prozent. Der Großteil der vorhandenen Netzwerke sind Ethernet-LANs, da viele Teilnehmer meinten, vorerst mit konventionellen LANs bis zu 16 Mbit/s auszukommen.

Immerhin hegen zwei Drittel der Befragten nicht die Absicht, in den nächsten drei Jahren FDDI zu installieren. Viele hatten bisher überhaupt noch nichts davon gehört, die Kosten erscheinen zu hoch oder die mögliche Bandbreite scheint nicht benötigt zu werden. Anders als in Deutschland, sind die Franzosen schlechter informiert und weniger an Fortbildungen interessiert.

Bei den französischen Organisationen, die sich mit FDDI beschäftigen, hat sich jedoch bereits ein Drittel fest zur Installation entschlossen. Die Hauptinteressenten sind hier: Bildungs- und Forschungseinrichtungen, Luft- und Raumfahrtkonzerne, Elektronik- und Verteidigungsunternehmen sowie Anlagenbauer.

Einen klaren FDDI-Marktführer gibt es in Frankreich zur Zeit nicht. Ein Viertel der Teilnehmer, die FDDI testen oder einführen wollen, sagten, daß sie noch keine Entscheidung darüber getroffen hätten, von wem Angebote einzuholen sind, beziehungsweise daß es zu früh sei, darüber zu entscheiden. Besonderes Interesse an FDDI zeigen die Universität Grenoble, Renault und EDF. Wie auch in Großbritannien richten vor allem die Universitäten ihre Aufmerksamkeit auf den Glasfaser-Standard. Im allgemeinen ist ein nennenswertes Wachstum des französischen Marktes bis 1992 nicht zu erwarten; das Interesse an FDDI wird allerdings steigen.

Für die Marktforscher kam es überraschend, daß der italienische Markt für FDDI der kleinste der vier untersuchten Märkte ist: Alle Bereiche der Datenkommunikation sind in Italien unterentwickelt. 18 Prozent der befragten Organisationen beabsichtigen innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre, FDDI einzuführen oder zu testen. Von diesen haben sich bisher aber nur sechs Prozent fest entschieden, FDDI zu installieren, sei es zu Testzwecken oder für den Echteinsatz. Im Gegensatz zu Frankreich ist das Interesse an neuen Netzwerk-Technologien jedoch hoch, und die Anwender sind eher bereit, sich über deren Einsatz zu informieren.

Allgemein bietet der LAN-Markt in Italien ein uneinheitliches Bild: Einige Unternehmen und Organisationen sind Vorreiter bei optischen Leitern, während andere nicht einmal LANs einsetzen. Diese Situation wird sich jedoch bald ändern. Zwischen zehn und 20 Prozent der Befragten werden im Lauf des nächsten Jahres konventionelle Ethernet- oder Token-Ring-Netzwerke installieren oder bereits vorhandene Installationen ausbauen. Viele gaben außerdem an, optische Leiter installieren zu wollen, was jedoch nicht unbedingt auf FDDI hinauslaufen müsse.

Ein Faktor für die schleppende Entwicklung von FDDI in Italien ist die Haltung der italienischen Post (PTT/SIP). Viele der Interviewten äußerten ihren Unmut darüber, daß sie schon seit einiger Zeit auf FDDI-Produkte im Angebot der SIP warten. Dies trifft in besonderem Maße auf Organisationen des öffentlichen Dienstes zu, die durch Vorschriften an die SIP gebunden sind.

Die Branchen, wo der Einsatz von FDDI am ehesten in Betracht gezogen wird, sind die Automobilindustrie, Chemiekonzerne und die Verfahrenstechnik. Anders als in Frankreich haben die Befragten konkretere Vorstellungen von ihren möglichen Lieferanten der FDDI-Technologie: An erster Stelle stehen Fibronics und Pirelli, gefolgt von DEC und IBM.

1991 viele neue FDDI-Installationen

Fazit: In Deutschland und in Großbritannien besteht großes Interesse an FDDI, die Anwender haben sich mit den damit zusammenhängenden Fragen schon sehr detailliert auseinandergesetzt. In diesen Ländern wird es im Laufe des Jahres 1991 zahlreiche neue FDDI-Installationen geben.

In Frankreich und Italien wird 1991 vornehmlich der weiteren Information und Planung dienen; bis 1992 sind nur einige wenige Installationen zu erwarten. FDDI-Realisierungen in größerem Umfang stehen in den beiden Ländern daher erst 1993 an.

Die Märkte werden dann ungefähr denen in Deutschland und Großbritannien vergleichbar sein, auch wenn die Deutschen weitaus realistischer in bezug auf die zu erwartenden Kosten sind.

Die Budgets, das hat die Studie erwiesen, sind in Deutschland höher als in Großbritannien, was aber auch mit den höheren Preisen für Informationstechnologie in der Bundesrepublik zu begründen ist.

In jedem der beiden Länder gehen die Marktforscher von 500 bis 700 Organisationen und Unternehmen mit jeweils über 1000 Beschäftigen aus, die FDDI testen beziehungsweise installieren wollen.

In Frankreich und Italien wird für den gleichen Zeitraum mit 240 beziehungsweise 140 Installationen gerechnet.