Kolumne

"Marktanteile statt Qualität"

11.05.2001
Wolfgang Hermann Redakteur CW

Die heißesten Notebooks hat derzeit Dell im Programm. Wer "Inspiron"-Modelle mit einem bestimmten Akku-Typ von Panasonic einsetzt, kann erleben, wie die Rechenknechte Rauch entwickeln und im schlimmsten Fall in Flammen aufgehen (siehe Seite 1). Das texanische Vorzeigeunternehmen ruft vorsichtshalber rund 284000 Akkus zurück. Ähnliches war dem Hersteller schon im Oktober vergangenen Jahres widerfahren. Damals startete Dell eine Rückrufaktion für 27000 Akkus in Notebooks der Serien "Latitude" und "Inspiron".

Das Problem ist nicht neu. Gartner-Analysten wiesen schon 1996 auf Qualitätsmängel in PC-Produkten hin. Ein prominentes Beispiel lieferte Branchenprimus Compaq 1997. Wegen fehlerhafter Komponenten in einigen Notebooks der "Armada"-Serie warnte die Analystin Leslie Fiering gar vor dem Kauf der Geräte. Einige Experten sprachen von einer Qualitätskrise im Notebook-Markt. Im Oktober 2000 musste Compaq rund 55000 Laptop-Akkus wegen Überhitzungsproblemen und Brandgefahr zurückrufen.

Die meisten der bis heute bekannt gewordenen Qualitätsmängel betreffen nicht etwa den kleinen Boxenschieber um die Ecke, sondern die Großen der Branche. Auch HP, nach Dell und Compaq einer der erfolgreichsten PC-Hersteller, blieb nicht verschont: Wegen eines Fertigungsfehlers teilten einige 17-Zoll-Monitore des Anbieters bei Berührung Stromschläge aus. Intel kostete eine Rückrufaktion für defekte Motherboards im Mai 2000 rund 253 Millionen Dollar.

Seit 1996 haben sich die Probleme verschärft, stellt Gartner fest. Stärker als früher sind Hersteller heute bereit, Kompromisse bei der Qualität der Produkte einzugehen. Neben technischen Faktoren wie der zunehmenden Komplexität der Geräte trägt dazu die angespannte Wirtschaftslage bei. Der Wettbewerbsdruck zwingt die Anbieter zu Preisreduzierungen. Wer die Gewinnspannen nicht vollends opfern will, ist zu Sparmaßnahmen gezwungen.

Auffällig bei Dell ist die Häufung solcher Vorfälle. Neben den defekten Notebook-Modulen mussten die Texaner im März 2000 Schwierigkeiten mit Speicherbausteinen in rund 400000 Notebooks einräumen. Im Februar dieses Jahres begann das Unternehmen damit, fehlerhafte Systemplatinen von Optiplex-PCs auszutauschen. Trotzdem konnte der Direktanbieter im ersten Quartal 2001 den Erzrivalen Compaq im PC-Markt vom Thron stoßen.

Dell hat diese Marktanteile auf Kosten seiner Margen gewonnen. Rigorose Sparmaßnahmen wie die angekündigten Entlassungen sind die Folge. Die zahlreichen technischen Probleme legen den Verdacht nahe, dass der Markterfolg zunehmend auch zu Lasten der Produktqualität geht. Dell und die anderen PC-Größen tun gut daran, die jüngsten Pannen ernst zu nehmen. Sonst wird aus der Qualitäts- eine Vertrauenskrise.