Noch die ersten Integratoren im Land: IBM, Siemens und DEC

Markt: Systemintegration ist interessant, aber riskant

30.03.1990

Der bundesdeutsche Systemintegrations-Markt ist Gegenstand einer Studie, die IDC Deutschland kürzlich vorgestellt hat. Damit sei dieser aufgehende Teilmarkt, so IDC, erstmalig gezielt angegangen worden. Zu seiner qualifizierten Einschätzung wurden von den Wiesbadener Marktforschern ausgewählte Anwender und Anbieter intensiv befragt. Wilfried Köhler-Frost, Mitverfasser der Studie, schildert im folgenden ihre Ergebnisse.

Um Begriffsverwirrung zu vermeiden, hat IDC folgende Definitionen der Systemintegration vorgeschlagen:

"Systemintegratoren bieten als Generalunternehmer Lösungen für komplexe Aufgaben der Informationsverarbeitung an. Die Dienstleistung besteht aus einer Kombination von Beratung, Beschaffung und Implementierung von Hardware-, Software- und Telekomunikations-Komponenten.

Die Verantwortung hat der Systemintegrator

Der Systemintegrator übernimmt die volle finanzielle Verantwortung und alle Risiken für das jeweilige Projekt, beginnend mit der Planungsphase bis zur Implementierung der endgültigen Lösung. Je nach Vereinbarung gilt dieses auch für die folgende Wartungsphase. Er verantwortet auch Lieferungen und Leistungen von Dritten und ist als Generalunternehmer einziger Ansprechpartner des Kunden. "

Bei der Befragung wurden die Faktoren deutlich, die einzeln oder in Kombination auf die Anwender wirken:

Durch sinkende Hardwarekosten erweist sich die Mikrocomputer-Technologie als zunehmend wirtschaftlicher im Gegensatz zu teuren Mainframes. Dabei muß der Gefahr von Insellösungen entgegengewirkt werden.

Die Globalisierung der Märkte, zum Beispiel durch Fusionen, erfordert die Anpassung und Optimierung vorhandener Informationsverarbeitungs-Einheiten. Dabei ist der Europäische Binnenmarkt von 1992 ein entscheidener Schritt zur weiteren Globalisierung, die der Kommunikation in der Informationstechnik einen ganz neuen Stellenwert zuweist. Die Informationssysteme werden eine neue Komplexitätsdimension erhalten.

Die Qualifizierung des Anspruchs an die Informationstechnik steigt. Er geht zunehmend über die Unterstützung bei Routinen oder "Elektrifizierung des Ist-Zustandes" hinaus. Immer mehr betriebliche Entscheidungsträger und DV-Manager erkennen die Möglichkeit und Notwendigkeit Informationstechnik strategisch einzusetzen, um Wettbewerbsvorteile unmittelbar zu erlangen. Die conditio sine qua non für eine solche strategische Funktion, zum Beispiel in der Logistik, ist die Systemintegration.

Auch das Nebeneinander von offenen Systemen und Standards erfordert für ein sinnvolles Funktionieren Systemintegration.

Aus diesen Faktoren ergab sich für die Anwender weniger die Frage nach dem Pro und kontra einer Systemintegration als solcher, sondern danach, welche Vor- und Nachteile sie erwarten, wenn sie diese einem externen Integrator anvertrauen.

Durch die Auswertung der erhaltenen Daten differenzierte IDC die Situation auf der Anwenderseite unter anderem nach unterschiedlichen Branchen, den Budgets, der Mitarbeitersituation in der DV, auch bezüglich der bisherigen und der geplanten Zusammenarbeit mit Anbietern. Dabei wurde unterschieden, ob es sich bei den Befragten um Tochtergesellschaften oder um eigenständige Betriebe handelt.

Externe Verantwortung bei Systemintegration

Gegen die interne Systemintegration spricht teilweise die Schwierigkeit, qualifizierte Mitarbeiter zu finden und - last not least - zu bezahlen, da diese häufig Spezialisten sind, die nur eine Teilaufgabe abdecken und darüber hinaus nicht ausgelastet sind. Die Befragung der Anwender ergab, daß das wichtigste Argument für eine Systemintegration die Gesamtverantwortung ist, die der externe Integrator für das Projekt übernimmt. Darauf folgt der erwartete Know-how-Transfer ebenso wie die Reduzierung des Beschaffungs- und Koordinationsaufwandes durch mehrere Anbieter.

Bei den erwarteten Nachteilen einer solchen Zusammenarbeit wurde am häufigsten angegeben, die notwendige Wartung des Systems könne teuer werden und zu Abhängigkeit führen. Darüber hinaus herrschte Skepsis gegenüber den Branchenkenntnissen des externen Integrators. Ein weiteres, allerdings schwer in Zahlen zu fassendes Hindernis bei der Systemintegration sind gewisse Widerstände seitens mancher betrieblicher DV-Manager.

"Ein schwer in Zahlen zu fassendes Hindernis bei der Systemintegration sind gewisse Widerstände seitens mancher betrieblicher DV-Manager. "

Schutz der Hardware-Umsätze

Auch die Betrachtung der Anbieterseite erforderte eine Differenzierung. Hier unterschied IDC vier Anbietergruppen:

Als erstes werden die Hardwarehersteller genannt. Firmen wie IBM, DEC, Unisys, Nixdorf usw. haben ihr Dienstleistungsangebot in den letzten Jahren stark vergrößert. Die Gründe dafür liegen einerseits in den sinkenden Hardwarepreisen, andererseits in der Nachfrage der Kunden nach kompletten Lösungen. So ist die Systemintegration eine Möglichkeit, die Hardwareumsätze gegenüber Billiganbietern zu behaupten. Ein gewisser Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Systemintegratoren liegt dabei darin, daß die angebotenen Systeme in der Regel natürlich nicht herstellerunabhängig sind.

Ein weiterer Anbietertyp sind die Facilities-Management-Anbieter. Deren Schwerpunkt liegt in der Durchführungsphase. Sie bieten dem Kunden nicht nur die Durchführung eines Projektes, sondern die Übernahme der gesamten DV-Durchführung in Generalunternehmerschaft an.

Neben den Hardwareherstellern sind es Software- und Dienstleistungs-Unternehmen, die schon früh begonnen haben, Systemintegration anzubieten. Firmen wie zum Beispiel PSI oder SCS verfügen über Erfahrungen im Projekt-Management, Systementwurf, Kontraktprogrammierung und Netzwerkdesign.

Seit einigen Jahren neu auf dem bundesdeutschen System-Integrationsmarkt sind die Consultans. Diese sogenannten "Big eight" sind international tätige Wirtschaftsprüfungs und Steuerberatungs-Gesellschaften. Mit ihrer Projekt-Management-Erfahrung, dem internationalen Know-how-Transfer und nicht zuletzt ihrer Herstellerunabhängigkeit bieten sie manchen Vorteil.

Ebenso wie bei den Anwendern befragte IDC auch Vertreter dieser vier Anbietertypen, wobei wieder zwischen selbständigen deutschen Unternehmen und nationalen Tochtergesellschaften unterschieden wurde. So erhielt man unter anderem Aufschluß über Umsatz, Umsatzentwicklung und Mitarbeitersituation. Um eine Stellungnahme zur IDC-Definition gebeten, stimmten 33 Prozent der Befragten vorbehaltlos zu. Ebenso viele hielten es für wichtig, eigene sowie fremde Hard- und Software anbieten zu können. Andere wiederum hielten die Übernahme der vollen finanziellen Verantwortung nicht unbedingt für ein charakteristisches Merkmal der Systemintegration. Interessanterweise stellte man fest, daß die unterschiedlichen Auffassungen zum Umfang des "Produktes" Systemintegration sich jeweils einem bestimmten Anbietertyp zuordnen lassen. Dieser Umstand ist sicher wichtig für potentielle Anwender, wenn sie einen Partner für ihre Systemintegration wählen.

Auch die Konkurrenzsituation auf der Anbieterseite wurde jeweils unterschiedlich beurteilt. Befragt nach dem Ranking der Anbieter, prognostizierten die Betroffenen, daß die derzeit führenden Unternehmen - die Hardwarehersteller IBM, Siemens und DEC - ihre Position behaupten und auch in den nächsten Jahren den Markt beleben werden.

Ebenso wie die Anwender befragte IDC auch die Anbieter nach den Vor- und Nachteilen der Systemintegration für sich und ihre Kunden. Vorteilhaft für sich fanden die Anbieter unter anderem die Möglichkeit, die Risiken bei selbständiger Planung besser steuern zu können, und die Erwartung, sich auf einem wachsenden Markt mit langfristigen Kundenanbindungen zu bewegen.

Wesentliche Nachteile wurden im Festpreisrisiko und in der Verantwortung für fremde Sublieferanten gesehen. Die Hervorhebung des Festpreisrisikos zeigt noch eine gewisse Begriffsverwirrung auf Anbieterseite: hier wird offenbar "Turn Key" mit Generalunternehmerlösung verwechselt.

Know-how-Wissen statt Risiko

Bei der Beurteilung der Vor und Nachteile für ihre Anwender durch die Anbieter ergaben sich interessante Erkenntnisse. Analysiert man die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Bewertung der wichtigsten Faktoren durch die Anwender einerseits und die Anbieter andererseits, wird deutlich, worüber noch nachgedacht beziehungsweise noch diskutiert werden muß. Als Stichworte seien hier nur der Know-how-Transfer und das Wartungsproblem genannt. Für die Anwender kann sich aus der genauen Kenntnis dieser Problematik eine Risikoreduzierung ergeben. Für die Anbieter ergibt sich daraus die Notwendigkeit, ihre Vertriebsargumentation neu zu überdenken.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß Systemintegration ein wachsender Markt ist. Genaue Angaben über Ressourcen zu machen ist schwierig. Nicht zuletzt unter Hinzuziehung von Marktdaten der USA und Japans, deren Entwicklung auf dem Markt der Systemintegration schon weiter fortgeschritten ist, konnte IDC dennoch solide Schätzungen über zu erwartende Wachstumsraten abgeben. Ein wesentlicher Impuls wird von der zunehmenden Einsicht der DV-Manager ausgehen, daß kein Weg am strategischen Einsatz der Informationstechnologie vorbei führt, wenn sie im nationalen und internationalen Wettbewerb bestehen wollen.

Anbieter brauchen verläßliche Partner

Es ist auch ein schwieriger Markt, und zwar für Anwender und Anbieter. Systemintegration ist ein durchaus komplexer Prozeß, für den auch die Anbieter verläßliche Partner brauchen. Hinzu kommt, daß sie sich dem wachsenden Konkurrenzdruck durch internationale Unternehmen stellen müssen. Für die potentiellen Anwender hat IDC Kriterien erarbeitet, die bei der Entscheidung für einen Anbieter wichtig sind. Es gibt eine Vielzahl von Qualifikationen, die sie von ihrem Partner erwarten können müssen.

Systemintegration ist ein überaus interessanter Markt - und ein ebenso risikoreicher. Nur wer seine Spielregeln kennt, wird sich ohne Schaden in ihm bewegen.

Fragen über Fragen

-Was ist Systemintegration als Produkt?

-Welche Faktoren machen sie notwendig?

-Systemintegration - intern oder durch externen Integrator?

-Welche Vor- und Nachteile bestehen aus Anwendersicht?

-Welche Chancen und Risiken sehen die Anbieter?

-Wer bietet Systemintegration an?

-Wie stellt sich der Markt jetzt dar und wie entwickelt er sich?

-Welche Anforderungen muß der Anbieter erfüllen um auf diesem Markt zu bestehen?