Claims für NT und Unix werden abgesteckt (Teil 1)

Markt für Multiprozessor-Server splittet sich auf

03.01.1997

Nachdem zunächst die IBM ihre Absicht bekundet hatte, die Entwicklung von Windows NT und entsprechender Produkte für ihre RISC-Maschinen einzustellen, zogen nun Motorola und Bull mit gleichlautenden Bekanntmachungen nach. Vorher schon hatte Microsoft die Portierung von NT für die Mips-RISC-Prozessoren aufgekündigt, die beispielsweise die Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) in ihren "RM"-Servern verwendet.

Sun hat NT ohnehin immer die kalte Schulter gezeigt. Hewlett-Packard (HP) sieht Microsofts 32-Bit-Software wie Big Blue nur auf Intel-Servern als veritables Betriebssystem. Dies gelte zumindest so lange, bis die gemeinsam mit Intel entwickelte Prozessorgeneration (Codename "Merced") auf den Markt kommt, nach dem bislang geltenden Zeitplan also 1998.

Unter den gewichtigen Anbietern einer RISC-Architektur hält heute nur noch DEC die NT-Fahne hoch, geht es um die Wahl eines geeigneten Betriebssystems für hochpotente Mehrprozessor-Server. NT auf RISC gehört - mangels Nachfrage am Markt, wie alle Hardwarehersteller und Microsoft unisono sagen - damit zunächst der Vergangenheit an NT auf Intel allerdings ist groß im Geschäft.

Abzuwarten bleibt deshalb auch, ob die Strategie der Systemanbieter ICL, Amdahl und Tandem von Erfolg gekrönt sein wird. ICL hat gerade erst ein "Windows NT Center of Excellence" mit 40 Ingenieuren aus der Taufe gehoben. Hier, nahe der Mainframe-Division in Manchester, England, sollen Applikationen auf NT portiert und neue NT-Anwendungen entwickelt werden. Außerdem werde das Excellence-Center Integrationsaufgaben für Unternehmensprojekte ausführen.

Die Fujitsu-Tochter aus Großbritannien hat bekanntlich eine "Millenium" genannte Strategie entwickelt, deren Zielsetzung es ist, Mainframes auf Intel-Prozessor-Basis zu entwickeln, auf denen unter anderem neben Open VME und Unixware auch Win- dows NT laufen soll.

Auch Amdahl und Tandem würden, so IDC-Senior-Analyst George O'Connor, analog zu ICL einige Anstrengungen unternehmen, NT im traditionellen IS-Bereich zu etablieren. Amdahls Engagement bezüglich NT beschränkt sich allerdings auf die "Envista"-Server, die mit maximal vier Intel-Prozessoren arbeiten - ein typisches Einsatzgebiet für NT mithin.

Auch Tandem setzt NT lediglich in seinen Vier- beziehungsweise Zwei-Prozessor-Systemen "S1000" und "S100" sowie dem System "S1000RM" im Industriegehäuse ein, die alle mit Intel-CPUs ausgerüstet sind. Anders als bei Amdahl ist es allerdings bei den Kaliforniern seit Mai 1996 beschlossene Sache, einen strategischen Wechsel von Unix-Mips auf Intel-NT zu vollziehen. Wie der Geschäftsführer der Tandem Computers GmbH, Michael Weilbacher, seinerzeit sagte, werde man künftig eine NT-Technologie anbieten können, die auch für den High-end-Bereich konzipiert sei. Richtig ist aber, daß nicht nur Anwender sehr skeptisch sind, ob NT für solche Aufgaben überhaupt geeignet sein kann.

Die Nachfrage nach RISC-basierten Multiprozessor-Servern auf NT-Basis wird in der Szene übereinstimmend als praktisch nicht existent bezeichnet. IDC-Analyst O'Connor zweifelt, ob NT jemals in DV-Topologien, die Mainframe-typische Arbeitslasten zu bewältigen haben, eingesetzt werden wird. Robin Bloor, Chairman der Bloor Research Group, sieht ICLs NT-Engagement aus einem anderen Grund mit gemischten Gefühlen. Nutzen könne es nur Microsoft, das ein Interesse daran habe, möglichst viele Value Added Resellers (VARs) und Industriegrößen um NT zu scharen. Letztendlich würden sich diese aber alle gegenseitig bekämpfen: "Mit NT wird niemand Geld verdienen."

Sowohl O'Connor als auch Bloor zweifeln stark an den Skalieroptionen des 32-Bit-Betriebssystems von Microsoft, ein bekannter Vorwurf an die Adresse der Redmonder. Darüber hinaus aber sind sich die beiden Analysten auch über die Zukunft des Distributed Component Object Model (DCOM) nicht im klaren: "Mir ist weltweit niemand bekannt, der DCOM realisiert hat", argumentiert Bloor, "hingegen hält sich die Object Management Group zugute, daß sich mittlerweile ungefähr 90 Organisationen zu ihrer Common Object Request Broker Architecture (Corba) bekannt haben."

Der Fairneß halber muß hierzu einschränkend gesagt werden, daß DCOM bislang nur für die Microsoft-Welt zur Verfügung stand. In heterogenen Systemlandschaften kam es also verständlicherweise im Gegensatz zu Corba, das genau auf diese Umgebungen zugeschnitten wurde, nicht zum Zuge. Die Software AG hat eine erste DCOM-Implementierung - für Suns Solaris - allerdings schon fertig und arbeitet auch an solchen für AIX und HP-UX.

O'Connor warnt, mit der Festlegung auf NT handele man sich erheblich mehr Konkurrenz ein: "ICL will NT auf IS-Niveau heben." Das sei so, als würde man einem Freund auf die Sprünge helfen. In Wirklichkeit aber begebe man sich gerade mit solch einer Strategie in eine tödliche Gefahr.

(wird fortgesetzt)