IT im Marketing/Enterprise-Marketing-Management-Systeme (EMMS) erst ab 2002

Marketing-Tools entwickeln sich langsam

04.05.2001
Ohne Daten aus dem CRM-System sind Marketing-Kampagnen undenkbar. Allerdings konnte die Entwicklung solcher Tools mit den wachsenden Anforderungen bislang nicht Schritt halten. Doch ganz allmählich entwickelt sich eine Software, die den Marketier bei seinen täglichen Arbeiten unterstützen kann. Von Frank Naujoks*

So wie viele Abkürzungen aus der Softwareindustrie hat auch EMA (Enterprise Marketing Automation) populäre und etablierte Eltern aus der Mitte der 90er Jahre: Das E stammt aus dem ERP/ERM-Umfeld (Enterprise Resource Planning/Management), und das A hat seinen Ursprung in der Sales Force Automation (A). Schöne Erbanlagen - aber die Entwicklung geht weiter, und auch die Ansprüche der Unternehmen an die Software sind gestiegen. Die nächste Evolutionsstufe heißt EMM - Enterprise Marketing Management. Denn die Anforderungen an EMA wurden mit den Jahren immer reichhaltiger: Beispielsweise kamen Aufgaben wie Data-Management und Kampagnenplanung hinzu, aber auch Datenanalyse und die Exekution über verschiedene Kanäle durch die vorhandenen Kundeninteraktionsmethoden - und keines der bis dato angebotenen Produkte wurde den gewachsenen Ansprüchen gerecht.

In den kommenden zwei bis drei Jahren werden Unternehmen für ihre Marketing-Initiativen zunehmend nach einer einzelnen Plattform verlangen, welche die Marketingaktivitäten innerhalb, aber auch außerhalb des Unternehmens koordiniert. Die Meta Group geht davon aus, dass bis Mitte des Jahres diese Management-Plattform in zwei Teile zerfallen wird. Operationale und kollaborative Technologien werden unter einer gemeinsamen Oberfläche existieren, wohingegen analytische Funktionalitäten separat gehandhabt werden. Es existieren nur lose Verbindungen zwischen den beiden Teilen, eine Integration findet in der Regel nur rein auf Projektbasis statt. Zunehmend aber werden Unternehmen von konsolidierten Ansätzen der Softwarehersteller zur Unterstützung des Marketing-Prozesses profitieren; ab dem Jahr 2002 ist mit Enterprise-Marketing-Management-Systemen zu rechnen, die den Unternehmen eine ganzheitliche Unterstützung ihrer Marketing-Aktivitäten ermöglichen.

Die Basis liegt im CRMDie Basis für eine funktionierende Kampagnenunterstützung liegt im Customer-Relationship-Management (CRM) der Unternehmen. Das CRM darf hier jedoch nicht im engeren Sinne nur auf den Vertrieb bezogen werden, was durch den althergebrachten funktionalen Aufbau der Unternehmen leicht geschehen könnte. Über die gesamte funktionale Organisation - zum Beispiel Vertrieb, Fertigung, Logistik - muss eine Prozessverantwortung für das Customer-Relationship-Management geschaffen werden. Einige Firmen haben dafür bereits die Funktion eines Chief Customer Officer (CCO) eingerichtet.

Der Aufbau erfolgreicher, langfristiger Kundenbeziehungen setzt voraus, dass Unternehmen ihre Kunden und deren Bedürfnisse kennen. Das CRM gewährleistet in diesem Zusammenhang, kontinuierlich relevante Informationen und Daten über Kunden aufzuspüren, zu generieren und zu verdichten, um entsprechend den Kundenbedürfnissen, -wünschen und -anforderungen den Aufbau erfolgreicher und langfristiger Kundenbeziehungen zu ermöglichen.

Noch bleiben viele Chancen ungenutztIm Idealfall weiß der Anbieter noch vor dem Käufer, mit welchem Produkt ein latenter Bedarf geweckt werden kann. Das einfache Sammeln der Kundendaten, wie zum Beispiel Einkaufsgewohnheiten oder bestimmte Vorlieben für einzelne Produkte, ist noch relativ leicht zu bewältigen, obwohl auch hier noch viele Chancen ungenutzt bleiben. Irgendwo in den Tiefen der Systeme sind bereits viele dieser Angaben zu finden. Die Kunst besteht darin, diese Daten zusammenzubringen und nutzbar zu machen. Der Hauptgrund, Data-Mining-Technologie und -Methodik im Unternehmen anzuwenden, ist das Customer-Relationship-Management geworden.

Durch den Aufbau effizienter Kundenbeziehungen sollen die Kunden langfristig an das Unternehmen gebunden werden. Am Beispiel von Amazon.com wird deutlich, wie sich ein Anbieter erfolgreich an seine Kunden und deren Bedürfnisse beziehungsweise Wünsche anpasst: Während am Anfang ausschließlich Bücher über das Internet angeboten wurden, hat Amazon.com in sehr kurzer Zeit nicht nur seine Produktpalette um CDs, Elektronikartikel, Kosmetika, pharmazeutische Produkte, Spielwaren oder Software, sondern auch den Interaktionskanal Internet um ein Call-Center ergänzt.

Proaktive TransaktionenNur wenn die wirklichen Wünsche des Kunden bekannt sind, kann eine an seinen Bedürfnissen ausgerichtete Marketing-Aktivität Erfolg haben. Andernfalls wird diese Art von Vermarktungsmaßnahmen nicht ihr Ziel erreichen. Das softwaretechnische Gerüst, das dem Customer-Relationship-Management zugrunde liegt, basiert auf drei sich gegenseitig bedingenden und tragenden Säulen: analytisches, operatives und kollaboratives CRM. Analytische CRM-Lösungen bereiten diejenigen Kundendaten- und -informationen auf, die mittels operativer CRM-Werkzeuge in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Service gesammelt werden, verwalten sie und stellen sie bereit. Das kollaborative CRM schließlich sorgt dafür, dass die Kommunikation und Interaktion zwischen Kunden und Unternehmen reibungslos und einheitlich über eine Vielzahl von Kanälen sowie Kundenkontaktpunkten möglich ist.

Der Bereich des operativen CRM berücksichtigt Kundentransaktionen, die im Wesentlichen eine Inbound-Aktivität für das Unternehmen darstellen. Das heißt, die eigentliche Transaktion geht vom Kunden aus, und das Unternehmen reagiert nur darauf. Erst durch den Einsatz von analytischen beziehungsweise Closed-Loop-CRM-Lösungen (Outbound-Systeme) werden Firmen in die Lage versetzt, proaktiv Transaktionen mit dem Kunden durchzuführen und zu steuern. Durch die Sammlung, Verwaltung, Kontrolle und Verwertung der Kundendaten und -informationen in Kundenaktions-, Kunden-, Produkt- und sonstigen Data Marts einer unternehmensweiten Data-Warehouse-Architektur mit einer Hub- and Spoke-Architektur ist es dann möglich, die Ergebnisse des operativen Geschäfts beziehungsweise CRM zu messen. Auf Basis der ermittelten Daten verschafft sich das Unternehmen eine umfassende Sicht auf den Kunden und kann ihn individuell beziehungsweise individualisiert, das heißt spezifisch modular, ansprechen.

Da es zurzeit keine Out-of-the-box-EMM-Lösungen gibt, müssen die Anwenderunternehmen daran gehen, ihre eigenen Prozesse so zu gestalten, dass sich die Marketing-Aktivitäten kontrollieren und verwalten lassen. Dazu gilt es, in einem ersten Schritt die Marketing-spezifischen Aspekte des Customer-Life-Cycle-Managements, die auf ihr Unternehmen zutreffen, zu definieren und zu gestalten:

-Customer Life Cycle: Der Kunde wird zum Ausgangspunkt der Anstrengungen des Unternehmens, mit dem Ziel, ihm das Produkt oder den Service anzubieten, den er verlangt. Dieses Wissen um die Kundenwünsche wird entweder implizit durch Analyse-Tools oder explizit beispielsweise durch direkte Befragung gewonnen; eine EMM-Lösung muss diese Erkenntnisse nicht nur innerhalb der Firma koordinieren, sondern auch potenziellen externen Partnern zugänglich machen.

-Geschäftsprozesse: Sowohl Marketing-Kampagnen als auch -Prozesse fokussieren auf fünf Teile: Suspect/Prospect/Customer-Data-Management, Vorkampagnen-Analyse, Kampagnenplanung, -ausführung und -erfolgsmessung. Die Mehrheit der EMM-Systeme unterstützt verschiedene Kombinationen dieser fünf Teilbereiche. Aufgrund der zersplitterten Angebote müssen die Unternehmen Workflows für ihre Prozesse etablieren, die es erlauben, einen Gesamtüberblick auf Management-Level über die Aktivitäten zu geben.

Aus dem EMM-Blickwinkel lassen sich die komplexen Marketing-Prozesse durch eine Reihe von weniger automatisierten, aber dennoch wichtigen Prozessen unterstützen und vereinfachen:

-Externe Koordination des Data-Service

-Fulfillment

-Produkt-Marketing

-Promotion-Management

-Werbung und

-Public Relations

-Berücksichtigt man den Schwerpunkt, der auf das Data-Management gelegt wird, wird eine Plattform lebenswichtig, auf der die Kundendaten modelliert, aus den verschiedenen Systemen innerhalb des Unternehmens gesammelt, auf Richtigkeit überprüft, transformiert, integriert und in einer Zieldatenbank zusammengefasst werden können. Eine solche Plattform unterscheidet sich häufig sehr stark von dem traditionellen Konzept eines unternehmensweiten Data Warehouse, das eher einen Nur-Lese-Status hat und nicht in der Lage ist, beispielsweise detaillierte Kundenlisten nicht nur zu erstellen, sondern auch zu analysieren. Demzufolge ist entweder das Data-Warehouse-Design zu ändern, oder das Data Warehouse liefert das Futter für eine Marketing-Datenbank, in der sich auch Kampagnenverläufe abbilden lassen.

Outsourcing als Alternative?Insbesondere die Marketing-Abteilungen in den Unternehmen suchen zunehmend Unterstützung für die Implementierung von EMM-Lösungen auch außerhalb der unternehmensinternen IT-Abteilung, um die Marketing-Prozesse mit Softwareunterstützung auf Vordermann zu bringen. Die Meta Group geht davon aus, dass rund ein Viertel der diesjährigen "technology-enabled"-Marketing-Projekte außerhalb des eigenen Unternehmens betrieben wird. Dies ist hauptsächlich auf den Mangel an qualifizierten IT-Kräften zurückzuführen.

Die Frage, ob die CRM-Aktivitäten inhouse betrieben oder an einen Dienstleister ausgelagert werden sollen, hängt von den Aufgaben ab, die das CRM-System erfüllen soll. Hat die Investition strategischen Charakter, wird die CRM-Lösung am besten inhouse betrieben.

Doch kann Outsourcing von CRM-Aktivitäten an so genannte "New Age" Marketing Service Bureaus (MSBs) notwendig werden, nämlich dann, wenn Unternehmen mit Markttreibern wie Speed-to-Market (insbesondere im Web), einem Mangel an internen Skills und der Notwendigkeit zum Risk-Management konfrontiert werden. Diese MSBs hosten nicht nur Best-of-Breed-Lösungen, sondern bieten Value-added-Services von der Definition der Geschäftsstrategie bis hin zu Integration und Customization.

Koordinierte, unternehmensweite Marketing-Management-Prozesse sind für Unternehmen lebenswichtig, um effektive Kampagnen sicherstellen zu können, die zu Umsatz und profitablem Wachstum führen. Zersplitterte, einzelne Marketing-Anstrengungen sind nicht nur ökonomische Verschwendung, sondern auch ein massiver Wettbewerbsnachteil.

*Frank Naujoks ist Consultant in der Enterprise Application Practice der Meta Group in München.

Abb.1: CRM im Kontext

Eine umfassende Sicht auf den Kunden erlaubt Individualisierung. Quelle: Meta Group

Abb.2: Operatives und analytisches CRM zusammenführen

In einem ersten Schritt gilt es, die Marketing-spezifischen Aspekte des Customer-Lifecycle-Managements zu definieren. Quelle: Meta Group