Bürowelt der 80er Jahre:

Manware - Software - Hardware

10.04.1981

WIEN (to) - Ein "Office of the Future" setzt in erster Linie eine Neuorganisation betrieblicher Strukturen voraus und erst in zweiter die Computerisierung. Das erbrachte das zweite Arbeitsgespräch in der Reihe Bürowelt der 80er Jahre "Büro 85" Ende März in der Wiener Handelskammer. Dort wurde über Konzepte und Entwicklungstrends für technische und wirtschaftliche Gestaltung produktiver Büros referiert und diskutiert.

Der Mensch in einer technisierten Arbeitsumgebung beschäftigte die beiden Referenten der gemeinsam von der Kammer der gewerblichen Wirtschaft und des Fachmagazins "Büro report" veranstalteten Arbeitstagung. Dabei betrachtete Professor Arno Schulz vom Institut für Informatik der Universität Linz, den Menschen als dritte, aber immerhin wichtigste Komponente eines Computersystems, neben Hard- und Software, als "Manware". Dagegen beschäftigte Gerd Cagol, Partner der Roland Berger & Partner GmbH, München, vor allem der Gedanke, inwieweit eine geänderte Arbeitseinstellung auf das Büro und dessen technische Hilfsmitte Einfluß nehme.

Diktierte Programmierung

Einen technologischen Wandel, weg von großen Allzweckrechnern hin zu "schichtenartig aufgebauten Hardware-Systemen", prognostiziert Schulz für zukünftige Computeranlagen. Unter diesem Schlagwort, erklärt er, sind Informationsnetze zu verstehen in denen der Grad der Zentralisation von unten nach oben zunimmt. Au unterster Ebene befinden sich spezialisierte Terminals, auf den darüberliegenden Schichten jeweils leistungsfähigere Systeme, auf die im Fall mangelnder Leistung oder Kapazität von unten her graduell zugegriffen werden kann.

Zur Software führte der Linzer Hochschullehrer Untersuchungen aus den USA und Deutschland an, wonach etwa 70 beziehungsweise 50 Prozent der Programmierkosten zu lasten der Wartung gehen. 64 Prozent der zu behebenden Fehler sollen nach einem Erfahrungswert Entwurfsfehler sein. Änderungsmöglichkeiten liegen, so der Referent, in einer Normung von Software-Teilen und einer Anpassung der betrieblichen Ablauforganisation an moderne Software-Entwurfsmethoden und in der Entwicklung wirklich benutzerfreundlicher Programmiersprachen; Diktiergeräte sollten als Eingabemedien angewendet werden können.

In den Mittelpunkt solle der Anwender rucken, da im Grunde jeder Informationsfluß beim Menschen anfange und auch dort ende. Gezielte Benutzerforschung, und zwar nicht wie heute von wissenschaftlicher sondern von industrieller Seite betrieben, konnte theoretisch die wünschenswerten Grundlagen für eine Mensch-Computer-Schnittstelle klären.

Die Industrie solle dazu gedrängt werden, von ihrer Seite aus benutzerfreundliche Computersysteme zu entwerfen, die eine "natürlich-sprachliche" Kommunikation zwischen Mensch-Mensch und Mensch-Maschine gewährleisten. Außerdem forderte er die Integration moderner Kommunikationsmethoden (Telekommunikation etc.) und eine komfortable Textverarbeitung (selbstverbesserndes lexikales System, große Textbausteine etc.) am Computerarbeitsplatz. Der Sachbearbeiter, schloß Schulz, würde so zum lnformationsspezialisten, dessen Tätigkeit so neu und qualifiziert sei, daß sein Arbeitsplatz nicht in Gefahr geraten könne.

Allround-Bürokraft

Aber nicht in der Spezialisation, sondern in ihrem Gegenteil, in einer vielfältigen Tätigkeit sieht Gerd Cagol die Zukunft der Büroarbeitskraft. Schon heute, fuhrt er an, sei es in den Ballungszentren äußerst schwierig eine Sekretärin oder eine Datentypistin zu finden. Diese Berufssparte sei nicht mehr attraktiv.

Weiterhin fordere der Kunde eines Dienstleistungsunternehmens Beratung durch einen Fachmann, nicht durch ein Heer von Spezialisten. Beides deute darauf hin, daß sich das Berufsbild der Büroangestellten wandle, daß die klassische Sekretärin als Mitarbeiterin ausfalle.

Die Antwort auf diese Situation bilde die Bürokommunikation, die durch ihre modernen Hilfsmittel den einzelnen Arbeitsplatz aufwerte. Es sei hierbei nicht darauf zu achten, daß die einzelnen Gerate ausgelastet seien - und das übereinstimmend mit Professor Schulz -, gleich oh es sich nun um Taschenrechner, Telefon oder Tischcomputer, elektronische Bildplatte oder intelligenten Kopierer handle, sondern auf die Zufriedenheit des Mitarbeiters.

Kabelsalat

Das wichtigste Kapital, betont Cagol mehrfach, sei nun einmal der zufriedene und motivierte Mitarbeiter, dem die technischen Hilfsmittel dazu dienen sollen, eine effiziente und somit gewinnträchtige Arbeit zu liefern.

Den Titel der Arbeitstagung machte der Unternehmensberater durch seine wichtigste Forderung klar. "Das Office of the Future" ist eine Entwicklung und kein Status. Heute haben wir noch eine völlig andere Organisation, als sie in Zukunft verlangt wird." Wir müßten deshalb schon heute mit der Umorganisation der Betriebe beginnen, um Mitte dieses Jahrzehnts den Weg zum modernen Büro tatsächlich antreten zu können.

Allerdings warnt Cagol ganz eindringlich davor, sich Illusionen über ein Verschwinden der Einrichtung Büro hinzugeben, oder der Vorstellung des papierlosen Büros nachzuhängen. Das Büro, sagt er, wird weiterhin ein Büro bleiben. Ein komfortabel eingerichteter großer Raum mit einfachem und problemlosem Zugang zu Informationen und Daten, die ebenso einfach übertragen werden können und mit papierarmen Arbeitsabläufen wäre die Zielvorstellung.

Auch muß sich der Unternehmer von der Vorstellung des Billig-Arbeitsplatzes - Tisch, Stuhl, Telefon Büromaschine - abwenden und den Büroarbeitsplatz als kapitalintensiven Investitionsposten führen, der nicht nur "Überhänge" fressen darf.

Bis der Idealzustand erreicht sei, warte auf uns jedoch noch eine Übergangsphase, die Kabel- und Gerätesalat mit sich bringe, in der wir einem Geräte-Misch-Masch gegenüberstehen.

In der abschließenden Diskussion, die von Dr. Frank Thurm, dem Vorsitzenden des Arbeitskreises Büroausstattung des Gremiums für Büro- und Informationstechnik geleitet wurde ging es um die organisatorischen Inhalte der Büroumgestaltung.

Dabei wurde gefordert, daß man der Datenverarbeitung die notwendige Zeit zugestehen müsse, den Heiligenschein, den sie noch trage, abzulegen, damit der Anwender sein Mitspracherecht in Sachen Organisation geltend machen könne. Cagol: "Der beste Arbeitsplatz ist der, den sich der Mitarbeiter selbst ausgesucht hat."

Strukturen und Abläufe müssen überprüft, Führung und Motivation abgestimmt werden. Die Wertfrage eines Arbeitsplatzes, und das gelte ganz besonders für solche in de Dienstleistung, müsse nicht nur nach Quantitäten, sondern nach Qualitäten gemessen werden.