Mikro-Boom fordert deutsche Softwarehäuser heraus:

Manufakturen im SW-Marketing nicht fit

13.04.1984

Mikrocomputer werden derzeit auf dem deutschen Markt wie Sand am Meer angeboten. Mit wachsendem Erfolg. Die Strategie, der großen Zahl von DV-Erstanwendern und -Kleinunternehmen preiswerte und leistungsfähige Mikrocomputer samt Software anzubieten, beginnt Früchte zu tragen. Zwar wurde die Softwarekrise auch bei den Mikros in die Diskussion gebracht, doch das Programmangebot ist vielfältig. Es gibt eine breite Palette kommerzieller Standardsoftware. Freilich verspüren die Nuancen des Marktes auch viele bundesdeutsche Softwarehäuser, die mit ihren traditionellen Methoden nicht viel ausrichten können. Denn: Die auf diesem Markt relevanten Preise sind Softwarehäuser es gewohnt sind.

Statt mit Zehntausenden zu rechnen, geht es hier allenfalls um Tausende. Aber: Ein professionelles Softwarepaket erfordert enorme Investitionen, kann aber im Markt nicht über den Hardwarekosten angeboten werden, sondern nur deutlich darunter. Das heißt, daß große Stückzahlen zur Erreichung der Gewinnschwelle notwendig sind. Das läßt sich jedoch kaum auf Spezialgebieten (vertikale oder Branchensoftware) erzielen, sondern nur im horizontalen Bereich bei den gängigen kaufmännischen Arbeitsgebieten, wie Auftragsabwicklung, Finanzbuchhaltung, Lohn- und Gehaltsabrechnung oder Textverarbeitung.

Doch zu diesen Investitionen kommen weitere Kosten. So arbeitet beispielsweise bei der rhv softwaretechnik allein im Peachtree-Ressort ein Team von 15 Mitarbeitern. Deren Tätigkeitsfeld reicht von der Produktpflege bis zur Kundenschulung.

Großer Informationsbedarf

Sowohl beim technischen Support als auch bei der betriebswirtschaftlichen Beratung kommt die Beraterpraxis zum Tragen. Es reicht nicht aus, lediglich Mikrocomputer zu kennen. So hält beispielsweise der Mikro in den Geschäftsetagen großer Unternehmen seinen Einzug. Dort hat der Bedarf an aktuellen Finanzinformationen für das Management die Entwicklung dezentraler Computer wesentlich beschleunigt.

Doch noch hat keine dieser Entwicklungen den Bedarf der Manager, auf Finanzdaten zuzugreifen und sie bearbeiten zu können, wirklich befriedigt. Die Kommunikation von Großrechner und Mikrocomputer ist der jüngste Schritt, dem Manager die Möglichkeit zu geben, notwendige Informationen zu erhalten, zu analysieren, zu bearbeiten und so Unternehmensentscheidungen tatsächlich abzusichern. Die Kopplung von Mikro und Mainframe ohne Beratung von Fachleuten, die profundes Wissen in beiden Bereichen aufweisen, ist schlechthin unmöglich. Das bezieht sich sowohl auf die hardwaretechnische als auch auf die softwaretechnische Seite.

Dazulernen müssen Softwarehäuser freilich im Marketing. Da im Mikroproduktgeschäft oft noch ungeübt, dauert es geraume Zeit bis die eindeutige Strategie gefunden ist.

Die Mikrosoftware ist zum "Produkt von der Stange" geworden.

Sie wird über die Ladentheke oder per Katalog verkauft. Schulung und Einführung ist bei den Verkaufspreisen ohne Honorar nicht drin. Das bedeutet, daß die Software selbsterklärend und gut dokumentiert zum Anwender gelangen muß. Eine Reduzierung des Beratungsaufwandes wird nur durch qualifizierte Handbücher Softwarebeschreibungen, Lernprogramme (Teachware) oder Demoprogramme erreicht. Reicht das dem Anwender nicht aus, kommt das Softwarehaus nicht daran vorbei, konsequent die individuelle Dienstleistung zu berechnen.

Die Vertriebs- und Serviceproblematik bei der Mikrocomputersoftware ist freilich nicht unlösbar. Sie erfordert neben Geld jedoch Kreativität und Ideenreichtum, um sich von anderen Anbietern zu unterscheiden.

Hinzulernen muß jedoch auch der Anwender: Er sucht meist die hundertprozentige Lösung, obwohl er oft mit weniger als 50 Prozent des Funktionsumfanges seiner Software mehr als 80 Prozent seiner Probleme erfolgreich bewältigen kann. Das perfektionistische Denken führt unweigerlich zu Frustrationen. Nicht nur beim Anwender, sondern auch bei Softwareanbietern.

* Harald Nitz ist Pressereferent der rhv softwaretechnik GmbH, Düsseldorf.