Kolumne

"Mangelware Qualität"

14.11.1997

Wenn ein Auto aufgrund falscher Bereifung und einer veralteten Hinterachsenkonstruktion umfällt, ist der Skandal perfekt. Dem Hersteller droht neben dem Verlust von Investitionen in Milliardenhöhe ein nur schwer wiedergutzumachender Imageschaden.

Wer schlechte Produkte macht, den bestraft eben der Markt. Im IT-Sektor gilt dieses abgewandelte Gorbatschow-Zitat nur für die Hardware (siehe Seite 1). Im Softwaresegment funktioniert der Mechanismus anders: Wer schlampig arbeitet, kommt nicht nur meistens ungestraft davon, er kann die fällige Korrektur nicht selten als Update verkaufen.

Die Branche setzt offenbar auf die Duldsamkeit der Anwender - darauf, daß er neue Software wie ein Kleinkind behandelt, dem alles beigebracht und das immer im Auge behalten werden muß. Zwar stellen die Hersteller bei Bugs inzwischen Patches auf ihren Internet-Sites zum Download bereit, aber entdeckt werden die Mängel oft erst von Betatestern oder im laufenden Betrieb.

Beispiele für Fehler gibt es genug. Man denke nur an die extrem langsame Zugangssoftware, die den T-Online-Nutzern in diesem Sommer das Surfen fast unmöglich machte. Auch die Bugs im Netscape Navigator oder im Microsoft Explorer, von denen einer die Festplatte der Nutzer unautorisierten Blicken öffnete, waren ebenso lästig wie potentiell gefährlich. An erst im Nachschlag ausgeräumte Inkompatibilitäten wie die zwischen den Textverarbeitungen in Office 95 und Office 97 haben sich Anwender ohnehin schon fast gewöhnt. Probleme genug, da braucht der Ärger mit der Jahr-2000-Umstellung (siehe oben) nicht eigens bemüht zu werden.

Sind die Fehler in individuell programmierten komplexen Anwendungssystemen (siehe Seite 1) noch mit "menschlichem Versagen" zu entschuldigen, taugt diese Erklärung für Bug-behaftete Massensoftware nicht. Ließen sich die Anbieter genügend Zeit zum Testen und Beheben von Schlampigkeiten, würden viele Qualitätsmängel gar nicht erst auftauchen. Daß sich bei gründlicherer Arbeit die wahnwitzigen Innovationszyklen nicht aufrechterhalten ließen, wäre ein Nebeneffekt, den viele Anwender begrüßen würden. Wie gesagt, die Auto-Industrie wäre mit dem Qualitätsverständnis, das die Software-Industrie an den Tag legt, schon längst bankrott.