Application on Demand/Auf die leichte Schulter genommen

Mangelhafte Planung lässt Outsourcing-Projekte scheitern

03.11.2000
Backsourcing zieht als dunkle Wolke am heiteren Outsourcing-Himmel auf. Trotz der erwarteten Steigerung im zweistelligen Prozentbereich beim IT-Outsourcing legen immer mehr Unternehmen den Rückwärtsgang ein und holen outgesourcte Bereiche wieder zurück. Thomas Fischer* untersucht die Gründe und zeigt die häufigsten Fehler beim Outsourcing auf.

Kommt es zu einem Bruch in der Outsourcing-Beziehung, sind die Gründe für den Misserfolg in der Regel enttäuschte Erwartungen in Bezug auf den Nutzen. Eine Rolle spielt auch, dass befürchtete Risiken tatsächlich eintreten, so etwa Abhängigkeit, mangelnde Einflussnahme, Koordinierungsprobleme, Mehrkosten, Kompetenzverlust und Qualitätsprobleme. Bei näherer Betrachtung zeigt sich indes, dass die Ursachen für das Scheitern der Projekte bereits in der Vorbereitung des Outsourcing-Prozesses angelegt wurden. Dann wird klar, dass sie bei ausreichender Planung und Vorbereitung hätten vermieden werden können. Wie bei menschlichen Beziehungen endet auch bei Outsourcing-Partnerschaften irgendwann die "Honeymoon-Phase". Erst wenn diese Zeit vorbei ist, also der anfängliche Elan eines neuen Projekts schwindet und die Beteiligten mehr an die Konsolidierung ihrer eigenen Ergebnisse als an die wohlfeil formulierten Ziele denken, zeigt sich, ob die gewählte Konstruktion tragfähig aufgebaut wurde und die Dienstleistungsbeziehung im Alltag funktioniert.

Der Wille des outsourcenden Unternehmens, seine IT durch die Zusammenarbeit mit einem Dienstleister zu optimieren, allein genügt hierzu nicht. Es bedarf auch eines Verständnisses, was Outsourcing überhaupt bedeutet. Eine weit verbreitete Fehleinschätzung besteht darin, Outsourcing mit dem üblichen Einkauf von Leistungen zu vergleichen. Outsourcende Unternehmen machen sich nur selten bewusst, dass immer dann, wenn mit dem Outsourcing der Übergang von Personal und Anlagen verbunden ist, die bestimmenden Faktoren für die späteren Leistungsbeziehungen vorgegeben sind. Sie sind die Grundlage, auf die der Dienstleister seine Leistungen aufbauen muss. Wer als outsourcendes Unternehmen gleichwohl kurzfristig gravierende Leistungsverbesserungen erwartet, diese auch noch verbunden mit erheblichen Kostenreduzierungen, der muss sich fragen lassen, was er in der Vergangenheit getan beziehungsweise unterlassen hat.

Allerdings neigen nicht selten auch Dienstleister dazu, gegenüber dem potenziellen Kunden keine realistische Einschätzung der Machbarkeit abzugeben. Eine Tendenz, die sich in Form der eingangs erwähnten enttäuschten Erwartungen später meistens rächt.

Das outsourcende Unternehmen muss ferner einsehen, dass mit dem Outsourcing nicht die Verantwortung für den IT-Bereich entfällt. Die Koordination mit der Unternehmensentwicklung, das Schnittstellen-Management sowie die effektive Wahrnehmung der Kontroll- und Steuerungsfunktionen erfordert einen erheblichen Aufwand und die Schaffung neuer Strukturen - dies auch in Bezug auf die gegebenenfalls verbleibenden IT-Bereiche. Die Effektivität eines Projekts lässt sich zum Beispiel erheblich steigern, wenn man die Organisation des Leistungsbezugs eines externen Dienstleister auf die eigene IT-Abteilung gerade im Hinblick auf das Monitoring, Berichts- und Planwesen abbildet. Doch in der Praxis wird der Schritt zur Anpassung der inneren Strukturen oft nicht vollzogen.

Win-Win-Situation ist nicht automatisch gegebenUnübersehbar besteht eine Tendenz, das Thema IT mit Abschluss des Vertrags und der Überleitung im Grunde für abgehandelt zu erklären, so als würde es sich nur um den Verkauf eines Unternehmensteils handeln. Die Dienstleistungen werden wie beim normalen Einkauf von Drittleistungen nur noch nach dem Erreichen oder Nichterreichen der festgelegten Service-Levels beurteilt. Gepaart mit der ebenso festzustellenden Haltung von Dienstleistern. Leistungen möglichst zu standardisieren und wenig zu ändern, läuft der IT-Betrieb zwar (unverändert) weiter. Das mit dem Outsourcing erhoffte flexible und schnelle Reagieren auf neue Anforderungen und neue Techniken bleibt jedoch aus. Die Unzufriedenheit steigt, und am Ende hat man den Zeitpunkt möglicher Änderungen verpasst.

Auch der immer gerne herangezogene Hinweis auf die gemeinsam gewollte "Win-Win-Situation" in der Partnerschaft muss sich in der Praxis, in der die Parteien unter wirtschaftlichem Erfolgszwang stehen, erst beweisen.

Sicher, ein Outsourcing-Vertrag ist kein Nullsummenspiel. Dem "Gewinn" oder "Vorteil" einer Partei entspricht nicht ein gleichwertiger "Verlust" oder "Nachteil" der anderen. Vielmehr kann jede Partei nur dann gewinnen, wenn dies auch für die andere gilt. Wird dieses Prinzip missachtet, ist die benachteiligte Partei bestrebt, diesen Nachteil auszugleichen, was wiederum den vermeintlichen Gewinn der anderen in das Gegenteil verkehren kann. Am Ende stehen sich die Parteien in einer "Lost-Lost-Gegnerschaft" gegenüber.

So einleuchtend und überzeugend diese Regel ist, so wenig kann man darauf vertrauen, dass jedem Beteiligten diese Einsicht in der konkreten Entscheidungssituation auch präsent ist. Nur auf den guten Willen sollte daher nicht vertraut werden. Letztlich entscheidend für den Erfolg eines Outsourcing-Projekts sind die konkreten und überprüfbaren Vorgaben sowie Handlungsanweisungen in dem Vertragswerk.

Die Fehler des Outsourcing, die den Wunsch nach einem Backsourcing haben entstehen lassen, können vermieden werden. Dazu ist es elementar, den Prozess gründlich und strukturiert vorzubereiten. Es bietet sich an, dies in den folgenden acht aufeinander aufbauenden Stufen zu tun.

Zunächst ist eine gründliche Ist-Analyse über Struktur, Kosten und insbesondere bestehende Service-Levels beim Outsourcing-Unternehmen erforderlich (Stufe 1). Auf ihr beruhen zunächst die Make-or-Buy-Entscheidung und die Festlegung des Umfangs der fremd zu vergebenden Leistungen, also der Definition der Schnittstellen (Stufe 2). Die Bedeutung der Ist-Analyse erschöpft sich hierin jedoch nicht. Vielmehr ist sie auch die Basis für die Festlegung der Leistungsanforderungen sowie - ebenso bedeutsam - der Zielsetzung (Stufe 3).

Erst jetzt sind die Voraussetzungen geschaffen, um ein Soll-Profil zu erstellen und in das Auswahlverfahren für den zukünftigen Partner zu treten (Stufe 4). Gemeinsam mit dem schließlich ausgesuchten Dienstleister sind Entscheidungen zur "Verfassung" zu treffen: Insbesondere das zukünftige Outsourcing-Management, die Planungsvorgänge, das Change-Request-Verfahren sowie die Aufgabenverteilung sind zu regeln (Stufe 5).

Parallel hierzu sollte man dem Dienstleister ermöglichen, sich selbst ein Bild über den auf ihn übergehenden Bereich zu verschaffen beziehungsweise die Angaben des outsourcenden Unternehmens zu prüfen. Die Ergebnisse fließen dann in den Vertragstext ein (Stufe 6). Der Dienstleister hat sodann die Implementierung der neuen Aufgaben in sein Unternehmen so-wie gegebenenfalls die Integration der übergehenden Mitarbeiter vorzubereiten, auf Seiten des outsourcenden Unternehmens gilt dies für die Neuorganisation des IT-Bereichs (Stufe 7). Schließlich kann die konkrete Umsetzung angegangen werden (Stufe 8).

Die Fehler beginnen häufig bereits auf Stufe 1. Die Unternehmen haben oft nur eine geringe Übersicht über den Ist-Zustand ihrer IT. Die Annahme, in Anbetracht des zeitlichen und finanziellen Aufwands auf eine detaillierte Ist-Analyse in einem Bereich verzichten zu können, der ohnehin outgesourct wird, kann das gesamte Projekt in Gefahr bringen. Für die Make-or-Buy-Entscheidung mögen die bestehenden Daten genügen, nicht jedoch zur Vorbereitung eines hochkomplexen Outsourcing-Projekts.

Wird die genaue Ist-Aufnahme unterlassen, vergibt das Unternehmen eine ganz entscheidende Planungsgrundlage. Die Erwartungen über die vom Dienstleister zu erbringenden Leistungen müssen dann ebenso wie die Vorstellung über das Ziel des Outsourcings zwangsläufig diffus bleiben. Außerdem fehlt ein Vergleichsmaßstab zu den nach der Übernahme der IT erbrachten Leistungsqualitäten. Dies fördert die Intransparenz bei der Bewertung der Leistungen. Umgekehrt geht der Dienstleister auch ein erhebliches Risiko ein, da er kaum abschätzen kann, was ihn nach der Vertragsübernahme erwartet und inwieweit die dann auftretenden Probleme lösbar sind.

Ohne die - durch eine "Due Diligence" geprüfte - Ist-Aufnahme werden auch die folgenden Stufen mit verbundenen Augen beschritten. Im Ergebnis bedeutet ein derartiges "Blackbox-Verhalten", dass sich die Beteiligten ohne klare Regelungen und hinreichend genau definierte Leistungsanforderungen sowie Zielbestimmungen in ein Vertragsverhältnis stürzen mit der Hoffnung, nach der Übernahme adäquate Lösungen mit einer angemessenen Vergütung finden zu können. Enttäuschungen sind hier programmiert.

Willensbekundungen, Zielbestimmungen und Planungen helfen im Ergebnis nichts, wenn sie nicht in konkrete Ergebnisse und Handlungsvorgaben münden, die im Vertrag festgelegt werden. Die Realität sieht aber zu oft anders aus. Statt greifbarer "Handlungsanweisungen" finden sich in Outsourcing-Verträgen vage Zielbestimmungen. Überdies besteht eine verheerende Tendenz, klare Regelungen zu meiden und die Klärung wesentlicher Punkte auf den Zeitpunkt nach Vertragsbeginn zu verlagern. Der Boden für spätere Auseinandersetzungen wird damit bereitet.

Dabei sind die Grundregeln klar:

Zunächst ist jedes Leistungsziel und jede -vorgabe nur dann brauchbar, wenn sie eindeutig definiert, messbar und damit kontrollierbar ist, so dass schließlich auch die Folgen bei Nichterreichen festgeschrieben werden können. Damit sind Gutschriftsregelungen durchaus nicht nur unter dem Blickwinkel der Leistungssicherung zu sehen. Eine eindeutige Regelung für die Folgen einer schlechten Leistung verhindert weitere Diskussionen und wirkt damit deeskalierend. Erforderlich ist aber ebenso, die Schnittstellen und Verantwortungsbereiche sowie die Mitwirkungspflichten der anderen Seite jeweils mit festzulegen.

Weiterhin ist bei jeder Formulierung, die darauf abzielt, was die Parteien noch "einvernehmlich" festlegen werden, die Frage zu stellen, warum diese Festlegung nicht vor Vertragsunterzeichnung erfolgte, also zu dem eigentlich hierfür vorgesehenen Zeitpunkt. Liegt der Grund darin, dass noch keine Einigung erzielt werden konnte, so wird eine Lunte mit der Hoffnung gelegt, die Flamme noch vor Erreichen des Sprengstoffs "einvernehmlich" löschen zu können. Die Probleme nach Vertragsunterzeichnung lösen zu wollen, wird in der Regel jedoch nur schwieriger.

Probleme immer vor Vertragsabschluss lösenKonnte die notwendige Klärung aus Zeitgründen noch nicht herbeigeführt werden, ist der Zeitpunkt für den Vertragsabschluss zu früh gewählt. Und schon befindet man sich erneut bei der häufigsten Ursache für das Scheitern eines Outsourcing-Projekts: dem Abschluss des Vertrags auf der Grundlage unvollständiger Fakten, darauf basierenden unklaren Zielvorstellungen sowie der ungenügenden Vorbereitungen der neuen Leistungsstruktur.

Schließlich benötigt auch die Veränderung ihren klaren Rahmen. Zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung sind Teile der Leistungsvereinbarungen bereits veraltet. Der beständige Wandel darf nicht nur eine Zielvorgabe sein, sondern muss mit klaren Fristen und Zuständigkeiten institutionalisiert werden.

Eine wirklich tragfähige Verfassung und ein praxisgerechtes Handbuch für die zukünftige Zusammenarbeit zu schaffen ist ein beschwerlicher Weg, den zu gehen sich lohnt, denn die erheblichen Risiken beim Outsourcing sind so zwar nicht vollständig auszuräumen, aber erheblich zu reduzieren. Zugleich ist die Grundlage dafür geschaffen, dass die ohne Zweifel bestehenden Vorteile des Outsourcing auch zum Tragen kommen. Dies alles braucht Vorbereitungszeit. Die Beteiligten müssen dafür später nicht über Backsourcing nachdenken und bedauern, dass man sich die dann notwendige Zeit nicht vorher zugunsten einer gründlicheren Vorbereitung genommen hat.

*Thomas Fischer ist Rechtsanwalt und Outsourcing-Spezialist in der Sozietät Lovells Boesebeck Droste in Frankfurt am Main.

Abb.1: Auf wackeligen Säulen

Fehler im Fundament, zum Beispiel bei der Ist-Analyse oder in Form unklarer Vertragsvereinbarungen, lassen zahlreiche Outsourcing-Projekte scheitern. Quelle: Fischer

Abb.2: Die acht Projektstufen

Schritte zu einem erfolgreichen Pre-Outsourcing-Management Quelle: Fischer