ISDN-Standardisierung ist negatives Beispiel

Mangel an Standards wirft die europäische Industrie weit zurück

20.11.1992

BRÜSSEL (IDG) - Um am Weltmarkt als homogene Wirtschaftsmacht auftreten zu können, benötigt die europäische Industrie einheitliche Standards in den Bereichen Informationstechnologie und Telekommunikation. Daß Europa kurz vor Einführung des Binnenmarktes von diesem Ziel noch weit entfernt ist, zeigte die zweite europäische Standardisierungskonferenz.

Die Industrievertreter gaben sich durchaus selbstkritisch: In der Vergangenheit sei es versäumt worden, die Durchsetzung europäischer Standards zur Chefsache zu erklären. Kaum ein Unternehmen, so waren sich die Teilnehmer einig, habe Experten abgestellt, die sich nicht nur mit technologischen, sondern auch mit Marktentwicklungen auskennen. Unter diesem Versäumnis habe der Standardisierungsprozeß in Europa extrem gelitten.

Verzögerungen sind bei den europäischen Standardisierungsinstitutionen an der Tagesordnung. Kurt Katzeff, Direktor der Eurescom, einer europäischen Einrichtung zur Koordinierung der Forschungsaktivitäten im Telekom-Bereich, kritisierte den übergroßen Standardisierungseifer, der dazu führe, daß neue Entwicklungen auf der Strecke blieben. "Wir tendieren zu der Annahme, daß sich alle Probleme durch Regulierung und Standardisierung wie von selbst lösen", gab Katzeff zu bedenken. Man solle sich mehr an den De-facto-Standards orientieren, die von den Marktführern vorgegeben würden.

Obwohl sich die Referenten darüber einig waren, daß die Standardisierung im Bereich Telekommunikation auf europäischer Ebene Vorbildcharakter habe, stand die Arbeit des European Telecommunications Standards Institute (ETSI) im Mittelpunkt des Interesses, aber auch der Kritik - vermutlich deshalb, weil für die Industrie so viel von dieser Einrichtung abhängt. Das Institut hatte die Konferenz gemeinsam mit dem European Committee for Standardization (CEN) und dem European Committee for Electrotechnical Standardization (Cenelec) ausgerichtet.

So kritisierte etwa Jozef Cornu, Mitglied der Alcatel-Geschäftsführung, daß das ETSI bei der ISDN-Vereinheitlichung eine übertriebene Gründlichkeit an den Tag gelegt habe. Statt sich auf wichtige Aspekte zu beschränken, habe das Gremium mehr als 100 ISDN-Features standardisieren wollen ein Vorhaben, daß letztlich mit erheblichen Verzögerungen bestraft worden sei. Das ETSI habe es leider versäumt, die Marktanforderungen zu untersuchen und zu beurteilen, welche Basisstandards der Markt wirklich benötige.