Wider die E-Mail-Flut

Manager im Würgegriff des Blackberry

04.12.2008
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.

In der Darmstädter Work-Life-Balance-Studie nannten die Befragten die zeitliche Ausdehnung der Arbeit und zunehmende Arbeitsfülle als Stressfaktoren; wer täglich zwölf bis 14 Stunden arbeitet, für den bleibt an einem 24-Stunden-Tag wenig Muse. Häufige Geschäftsreisen und Kostendruck tragen ebenso dazu bei, dass Betroffene ihr inneres Gleichgewicht verlieren.

Annette Glitz, Coach "Manche fühlen sich geschmeichelt, wenn sie am Wochenende beruflich angerufen werden."
Annette Glitz, Coach "Manche fühlen sich geschmeichelt, wenn sie am Wochenende beruflich angerufen werden."
Foto: Annette Glitz

Wenn Anforderungen ständig steigen und keine Besserung in Sicht ist, entschließen sich manche zu dem Versuch, mit einem Coaching ihr Arbeits- und Privatleben in den Griff zu bekommen. Sie wollen lernen, besser mit den Arbeitsmengen umzugehen. Annette Glitz berät und coacht Führungskräfte. Zu ihr kommen Klienten, die aufgrund von extremer Arbeitsbelastung direkt auf ein Burnout-Syndrom zusteuern. Glitz empfiehlt selbst Topmanagern, sich mindestens einen freien Tag pro Woche zu gönnen und keinesfalls das Wochenende durchzuarbeiten. "Meistens gibt es kein Problem, das nicht eine Nacht warten kann. Wenn es ganz prekär wird, sollten Unternehmen Notfallpläne haben, wie sie mit solchen Situationen umgehen", rät die Münchner Psychologin. Aus ihrem Beratungsalltag weiß sie, dass Blackberries süchtig machen können.

Angst vor dem Ausschaltknopf

Doch viele fürchten sich regelrecht vor dem Ausschaltknopf ihres Mobiltelefons. "Manchen schmeichelt es, wenn auch am Wochenende berufliche Anrufe eingehen", vermutet Glitz, selbst wenn dadurch Konflikte in der Familie oder Partnerschaft provoziert werden. Die Beraterin rät, sich unbedingt Freiräume zu schaffen. Viele Unternehmen hätten erkannt, dass sie von ihren Mitarbeitern keine ständige Erreichbarkeit erwarten können.

Zeiten der Ungestörtheit während des Arbeitsalltags sind wichtig, um sich intensiv mit bestimmten Aufgaben zu beschäftigen, neue Ideen zu entwickeln oder sich einfach zu erholen. Ernst Pöppel, Professor für medizinische Psychologie, spricht vom "Terror der Kommunikation" und dem Fluch, dauernd über E-Mail oder Mobiltelefon greifbar zu sein. "Trotzdem gehört durchaus Mut dazu, für eine Stunde das Telefon abzustellen, das Mobiltelefon auszuschalten und seine E-Mails nur zu bestimmten Zeiten zu lesen", kommentiert Pöppel.

Solche Auszeiten sind notwendig, um wieder kreativ zu arbeiten und zum Beispiel wieder eine Stunde konzentriert nachzudenken. "Kreativität findet im Radius von 50 Metern statt; Teams, die immer nur über die Entfernung von mehreren tausend Kilometern zusammenarbeiten und nur eine virtuelle Gemeinschaft bilden, sollten sich auf jeden Fall regelmäßig treffen, um ihre Leistungsfähigkeit zu steigern", empfiehlt der Professor.

"You've got mail" belastet viele Manager, statt sie zu beflügeln. Während sich Tom Hanks und Meg Ryan in dem Film aus dem Jahr 1998 noch über das akustische Signal jeder eingehenden Nachricht freuten, nervt es heute nur.