Produktivitätssteigerung durch Übernahme japanischer Managementtechniken:

Management by Gruppenkonsens schwer übertragbar

16.01.1981

LOS ANGELES (cw) - Die amerikanischen Manager sind gut beraten, wenn sie auf der Suche nach Möglichkeiten zur Produktivitätssteigerung und Verbesserung der Wettbewerbsposition die Übernahme japanischer Managementtechniken erwägen würden. Diese Empfehlung gab unlängst der DV-Leiter eines großen Unternehmens auf einem Seminar, das in Südkalifornien stattfand.

Die japanischen Manager könnten ihren amerikanischen Kollegen viel beibringen. Dazu gehört, wie man die Mitarbeiter motiviert, als Vorgesetzter seine Personalverantwortung wahrnimmt, Entscheidungsbefugnisse delegiert und fähige Mitarbeiter durch eine gezielte Karriereplanung fördert, was gleichzeitig zum Unternehmenserfolg beiträgt, betonte Robert Umbaugh, Vizepräsident der Verwaltung bei der Southern California Edison Co., auf diesem Seminar.

Die hohe Produktivität der japanischen Industrie und die Vehemenz, mit der sie mit ihren qualitativ hochwertigen, preisgünstigen Produkten überall im Westen Marktanteile an sich reißt - sei es in den Schlüsselindustrien Automobile und Stahl oder in technologisch orientierten Branchen, wie zum Beispiel in der Fototechnik, in der Konsumelektronik oder bei Computern - ist wohl zum großen Teil Folge der effektiven japanischen Managementtechniken. Als erstes verlangen sie ein Umdenken hinsichtlich der eigenen beruflichen Entwicklung, der Personalverantwortung und der Verantwortung für alle anderen Unternehmensressourcen, erklärte Umbaugh auf dem Seminar der Society for Management Information Systems (SMIS) .

Unternehmensbindung

Zwischen den japanischen Unternehmen mit ihrem Personal andererseits und den amerikanischen Unternehmen mit ihrem Personal andererseits bestehen schroffe Gegensätze, was Entscheidungsprozesse, Fluktuation, Verantwortungsbewußtstein, Qualität und andere Faktoren betrifft.

Im Gegensatz zu amerikanischen Arbeitnehmern bringt der Japaner in der Regel seine ganze Berufszeit bei einem Unternehmen zu. Schon diese Betonung der langen beruflichen Bindung gibt dem japanischen Unternehmen einen nicht zu unterschätzenden Vorteil vor seinen amerikanischen Mitbewerbern. Da sich die japanischen Manager auf ein nahezu stabiles Arbeitskräftepotential stützen können, dürfen sie es sich leisten, ihre

Mitarbeiter nach einem bestimmten Plan an andere Arbeitsplätze im Unternehmen zu versetzen. Diese "Job Rotation", die für den japanischen Arbeitnehmer eine Selbstverständlichkeit ist, wird von Mitarbeitern in amerikanischen und europäischen Unternehmen oft nur mit Murren hingenommen, stellte Umbaugh auf dem Seminar fest. Im Abstand von einigen Jahren rotieren die Mitarbeiter japanischer Großunternehmen zu neuen Arbeitsplätzen und Arbeitsgebieten die vielleicht mit dem zuletzt eingenommenen nicht das geringste zu tun haben. Dieses System der periodischen Job Rotation habe zur Folge daß die japanischen Arbeitnehmer mit allen Funktionen vertraut werden und die verschiedenartigsten Laufbahnen einschlagen können.

In den Vereinigten Staaten sieht das alles anders aus. Es kommt nur selten vor, daß ein Amerikaner seine gesamte Berufszeit bei ein und demselben Unternehmen zubringt. Statt dessen ist das "Job-hopping" ein allgemeiner "Way of life", besonders unter Programmierern und Systemanalytikern, die ständig den Vorteil des leergefegten Arbeitsmarktes haben. Die Häufigkeit, mit der die meisten amerikanischen Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber wechseln, hindert die Unternehmen an der Übernahme der japanischen Politik einer Schulung der Mitarbeiter in den verschiedenen Managementdisziplinen. Die Folge davon ist, daß die amerikanischen Angestellten, was ihren professionellen Background angeht, hochqualifiziert sind und sich deshalb eng an vorgezeichnete Laufbahnen halten.

Ein treffendes Beispiel von Mitarbeitern, die ihr ganzes berufliches Dasein in einem eng begrenzten Spezialistentum zubringen, sind nach Umbaugh die Informatiker. Er beschwor die Teilnehmer, überwiegend Leiter großer Rechenzentren und von Informationssystemen, die Spezialisierung und Komplexitäten ihrer Gebiete zu verringern und betonte, daß die erfahrensten Systemanalytiker solche seien, die längere Zeit sowohl in DV-Abteilungen als auch in nichttechnischen Benutzerbereichen gearbeitet hätten.

Es gibt noch viele andere Unterschiede zwischen den Auffassungen und Einstellungen von Arbeitnehmern in Japan einerseits und in den Vereinigten Staaten und Europa andererseits. Die japanischen Mitarbeiter sind ihrem Arbeitgeber treu ergeben, wohingegen die Amerikaner vor allem ihrem Beruf und ihren Berufsverband gegenüber loyal eingestellt sind.

In Japan beruhen Managemententscheidungen gewöhnlich auf einem Gruppenkonsens, im Gegensatz zur amerikanischen Entscheidungsfindung, die in der Regel nichtpartizipativ ist.

Die japanischen Arbeiter wissen genau, welcher Grad der Produktzuverlässigkeit von ihnen erwartet wird und erfüllen diese Forderung, ohne dazu angehalten zu werden. Die amerikanischen Arbeitnehmer arbeiten im Rahmen hochgradig formalisierter Qualitätssicherungsmechanismen und haben daher kein so ausgeprägtes Verhältnis zur Qualität.

Mitarbeiter wie Nummern

Amerikaner und Japaner unterscheiden sich stark hinsichtlich der Achtung vor dem Menschen. Die amerikanischen Manager, auch die auf dem Gebiet der Informationssysteme tätigen handeln ihre Mitarbeiter oft wie austauschbare Nummern. Die japanischen Führungskräfte zeigen demgegenüber ein aufrichtiges und dauerndes Interesse am Wohlergehen ihrer Mitarbeiter. Man erwartet von ihnen Hilfe und Unterstützung auch bei der Überwindung persönlicher Schwierigkeiten.

Nicht alle amerikanischen Unternehmen werden aber im klassischen amerikanischen Managementstil geführt. Manche Großunternehmen haben Führungsstile entwickelt, die das Beste beider Welten vereinen und damit eindrucksvolle Ergebnisse erzielt sogar noch bevor die Japaner damit angefangen haben, fügte Umbaugh hinzu.

*Jeffry Beeler gehört zum West Coast Bureau der COMPUTERWORLD. Die Übersetzung des Artikels aus der COMPUTERWORLD vom 10. November 1980 (Seite 15) besorgte H. J. Hoelzgen Böblingen.