SAP

"Man erstarrt im Moment etwas vor Ehrfurcht"

19.06.2006
Interview mit Alfons Wahlers, Vorsitzender und Mitgründer der Deutschen SAP-Anwendergruppe (DSAG) und CIO des Bocholter Antriebstechnikherstellers A. Friedr. Flender AG.

Computerwoche: Was beschäftigt die DSAG derzeit am meisten?

Wahlers: Die häufigsten Anfragen betreffen Themen im Bereich des Service und Supports, Upgrade-Services für das neue Produkt mySAP ERP 2005 wie auch den Support bestehender und neuer SAP Competence Center. Mit SAP finden Gespräche statt, wie sie diese effektiv unterstützen können. Die Competence-Center-Konzepte von SAP werden dabei ständig verfeinert. Der Hintergrund hierfür ist, dass SAP die Wartungsgebühr für Firmen mit einem SAP-Kontrakt über 1,5 Millionen Euro auf den rabattierten Wert berechnet, wenn es dort ein offiziell zertifiziertes Competence Center gibt. Das bedeutet einen erheblichen Kostenunterschied. SAP fördert unter anderem die Competence Center durch entsprechende Knowledge-Produkte wie etwa Backstage-Trainings-Produkte.

Computerwoche: Wie hat sich im Verlauf der Zeit das Verhältnis der DSAG zu SAP entwickelt?

DSAG

Die Deutsche SAP-Anwendergruppe (DSAG) vertritt heute über 1800 Unternehmen, das sind rund 60 Prozent aller deutschen Firmen, die SAP einsetzen, so Alfons Wahlers. Der CIO des Bocholter Antriebstechnikherstellers A. Friedr. Flender AG hat mit der User Group im Oktober vergangenen Jahres eine Mittelstandsinitiative ins Leben gerufen. Die DSAG will ihre bestehenden Arbeitskreise in Zukunft auch auf Regionen mit viel Mittelstand ausdehnen.

Wahlers: Auch die DSAG selbst befand sich zunächst in einem großen Findungsprozess hin zu einem einheitlichen Verbund, mit dem sich die Mitglieder identifizieren können. Wir haben dadurch gegenüber SAP an Stärke gewonnen, so dass wir dort inzwischen wirklich gehört werden. Zu Beginn war das keineswegs so, damals waren wir nur eine Ansammlung von User Groups. Es hat in den ersten Jahren des Jahrtausends einige Unstimmigkeiten gegeben, in den letzten Jahren hat sich aber ein sehr gutes, partnerschaftlich-konstruktiv-kritisches Verhältnis entwickelt. Es gibt jetzt mit SAP und den SAP-Verantwortlichen zusammen Entwicklungsteams, in denen wir gemeinsam überlegen, welche strategischen und Entwicklungsthemen wir vorantreiben können. Jeder Arbeitskreis bei uns hat ein so genanntes Product Influencing Team, das die Entwicklungsstrategie mit bestimmt.

Computerwoche: Das Verhältnis zu SAP hat sich also deutlich entspannt?

Wahlers: Ja, wobei wir aber nicht unkritisch geworden sind. Was das Thema SAP für den Mittelstand angeht, arbeiten wir aktuell eng mit SAP zusammen und überlegen, wie eine Software für Mittelständler aussehen müsste. Nämlich einfach zu betreiben, einfach zu implementieren und einfach einzuführen.

Alfons Wahlers, Vorsitzender der Deutschen SAP-Anwendergruppe (DSAG) und CIO der A. Friedr. Flender AG
Alfons Wahlers, Vorsitzender der Deutschen SAP-Anwendergruppe (DSAG) und CIO der A. Friedr. Flender AG
Foto: DSAG

Computerwoche: Sie haben dazu eine eigene Mittelstandsinitiative gegründet?

Wahlers: Wir wollen mit unseren Networking-Arbeitskreisen auch in die Regionen kommen. Heute haben wir zwar deutschlandweite Arbeitskreise, die aber in der Regel alle im Umkreis von Walldorf stattfinden beziehungsweise in Österreich und Schweiz für die dortigen Treffen. Die kleineren Mittelständler haben aber nicht immer genügend Zeit und Kapazität zur Verfügung, um dorthin zu kommen, weil sie auch in der IT zu schmal besetzt sind. Wir wollen jetzt in Regionen, wo es relativ viel Mittelstand gibt, spezielle Arbeitskreise aufbauen, etwa im Bergischen Land, im Siegerland, im Ruhrgebiet oder im Stuttgarter Raum. Zum anderen wollen wir dort die Anforderungen in Hinblick auf ein mittelstandsgerechtes SAP-Produkt sammeln.

Computerwoche: Sie haben derzeit über 1800 Mitgliedsfirmen. Sind das alles Großunternehmen? Und was müsste sich ändern, damit auch der Mittelstand SAP einsetzt?

Wahlers: Wir haben Großunternehmen als Mitglieder, aber der Großteil unserer Mitglieder kommt aus dem Mittelstand, kleinere Mittelständler wie auch größere Mittelständler. Firmen ab 100 Millionen Euro Umsatz setzen auch heute schon bewusst SAP ein. Für diese ist SAP auch nicht zu teuer. Darunter muss man sich als Verantwortlicher aber sicher überlegen, ob so ein übergreifendes und auch international orientiertes Paket wie SAP die richtige Investitionsentscheidung für einen Mittelständler ist.

Computerwoche: Ist der SAP-Einsatz nur abhängig von der Unternehmensgröße?

Wahlers: Nein, es kommt immer darauf an, welches Geschäft ein Unternehmen betreibt. Es gibt auch viele kleine Mittelständler, die auch international tätig sind. Für sie rechnet sich SAP sofort, weil in dem Business-Software-Paket schon die internationalen Gesetzgebungen berücksichtigt sind, es ist dann günstig zu implementieren und zu betreiben. Es hängt aber in erster Linie auch von der jeweiligen Branche ab, ob SAP diese gut bedienen kann oder nicht.

Computerwoche: Haben Sie Kenntnis über die Höhe der Installationen von SAP in Deutschland und weltweit; SAP gibt diese nicht heraus?

Wahlers: SAP hat etwa 32.000 bis 35.000 Kunden weltweit. Es gibt Aussagen von SAP-Seite, dass es noch 5000 alte SAP R/3-Verträge gibt, die bis 2009 auf mySAP-Verträge umgestellt werden sollen. Das war beim Übergang von R/2 auf R/3 genauso. Für Deutschland kann ich nur sagen, dass die DSAG mit ihren 1.800 Mitgliedsunternehmen rund 60 Prozent aller deutschen Firmen vertritt, die mySAP ERP oder SAP R/3 einsetzen. Das kann man versuchen, hochzurechnen.

Computerwoche: Oft wird bei CIOs eine gewisse Hassliebe zu SAP deutlich. Man braucht es, aber man ärgert sich auch darüber, auch über zu teure Preise und eine schlechte Informationspolitik.

Wahlers: Man erstarrt im Moment etwas vor Ehrfurcht, weil SAP die Entwicklung und die Technologie so weit getrieben hat, dass sich Firmen wirklich auf die Hinterbeine stellen müssen, um die neuen Technologien wie Enterprise Services, die ganzen Java-Konnektoren, die Netweaver-Basis zu adaptieren und sich vom Wissen, der Handhabung und dem Geschäftsmodell her darauf einzustellen. SAP ist hier wirklich Vorreiter.

Computerwoche: Die Firmen haben Schwierigkeiten, bei diesem Tempo mitzukommen?

Wahlers: Es ist ja nicht unbedingt nötig. Die Unternehmen können ja auch sagen, sie bleiben die kommenden Jahre bei ihren derzeitigen Release-Ständen. Aber, SAP bietet beispielsweise mit mySAP ERP gute, neue Funktionalitäten, die die Unternehmen weiter bringen werden. Man sollte sich deswegen damit auseinander setzen. Hier ist noch ein riesengroßer Aufklärungsbedarf vorhanden.

Computerwoche: SAP ist Marktführer im ERP-Bereich. Ist dieses Monopol ein Problem?

Wahlers: Nein, denn SAP ist zwar unangefochtener Marktführer, hat aber doch Konkurrenz aus der Siebel- und der Oracle-Richtung sowie Konkurrenz aus der Microsoft-Richtung, mit einem Produkt, das sehr stark in die Office-Welt integriert ist.

Computerwoche: Was sind die nächsten Ziele der DSAG?

Wahlers: Viele Teilnehmer unserer Veranstaltungen haben einen IT-Hintergrund, wobei wir als DSAG immer auch versuchen, geschäftliche Aspekte als Dreh- und Angelpunkt der Prozessveränderungen durch IT herauszuarbeiten. Auch mit den mittelständischen Initiativen, die wir jetzt aufbauen, wollen wir die Fachbereiche ansprechen. Das Thema Enterprise Services oder Web Services ist im Moment ein Thema der IT. Es darf aber nicht ein Thema der IT bleiben; man kann damit viel einfacher als heute einzelne Teilprozesse an Service-Lieferanten hinaus geben (Outtasking), ohne das Zusammenwirken der Prozesse zu verschlechtern. Man erhält dadurch die Möglichkeit, sich in Fachbereichen wie dem. Rechnungswesen, im Einkauf oder Personal auf die strategischen Aufgaben konzentrierenzu können und die Verwaltungskosten im Gesamtunternehmen deutlich zu reduzieren.

Interview: Johannes Klostermeier