Interview/

Maklerrolle für den Local Loop

12.07.1996

LÄNGST IST WETTBEWERB im deutschen Telecom-Markt - erst beim Mobilfunk, dann bei Corporate Networks und seit kurzem auch im Bereich sogenannter City-Netze. Neue Anbieter wie Colt Telecom haben den Platzhirschen Deutsche Telekom AG wieder einmal aus seinem Dornröschenschlaf aufgeweckt (Siehe auch "Anwender profitieren von Diensten im City-Netz", Seite 19).

CW: Manche Zeitgenossen halten es für überflüssig, wenn Telecom-Carrier noch selbst in der Erde buddeln und Leitungen verlegen. Stört Sie diese eher abschätzige Haltung?

Enzelmüller: Ganz im Gegenteil. Dies zeigt doch nur, daß diejenigen, die sich so über die Bedeutung oder Nicht-Bedeutung eigener Netzinfrastruktur auslassen, uns um unseren Erfolg beneiden.

CW: Stoßen Sie bei Ihren Aktivitäten eigentlich auf Gegenliebe bei den Haus- und Grundbesitzern sowie den Kommunen?

Enzelmüller: In der Frankfurter City mittlerweile 45 Gebäude am Netz zu haben, wäre ohne ein gewisses Interesse auch bei den Stadtvätern und Hausbesitzern kaum realisierbar gewesen. Viele Eigentümer von Büro- und Gewerbebauten haben inzwischen erkannt, daß es den Wert ihrer Immobilie nur erhöhen kann, wenn sie in ihren Häusern über alternative Telecom-Infrastrukturen verfügen.

CW: Und die Kommunen sind glücklich über das Wegegeld, das man von Unternehmen wie dem Ihren kassieren kann.

Enzelmüller: So würde ich das nicht formulieren. Richtig ist: Die Stadt Frankfurt bekommt von uns für die betreffenden öffentlichen Trassen eine zunächst feste Nutzungsgebühr, deren endgültige Höhe jedoch an die weitere Entwicklung unseres Umsatzes gekoppelt ist.

CW: Colt Telecom kalkuliert bis zum Jahr 2000 in Frankfurt mit einem Umsatz von 60 Millionen Mark. Überdies ist die Expansion in andere Großstädte geplant. Kann diese Rechnung angesichts der Konkurrenz durch die Städte und Gemeinden selbst aufgehen?

Enzelmüller: Ich gebe zu, daß sich dies momentan schwierig darstellt. Vielerorts gibt es bei den Kommunen einen Interessenkonflikt, weil man dort nicht nur Trassen vermieten, sondern mit "stadtnahen" Betrieben selbst in die Telecom-Arena einsteigen möchte und in diesem Zusammenhang an die vermeintlich schnelle und vor allem große Mark glaubt. Die Folge ist, daß man einem Anbieter wie Colt Telecom nicht gerade alle Hände entgegenstreckt. Aber die Kommunen werden hier - ohne jemandem nahetreten zu wollen - schon noch merken, daß es nicht reicht, irgendwo irgendwelche Glasfaser zu besitzen. Wenn einer meint, er könne ein Telecom-Netz managen und vermarkten, nur weil er sich bei Strom, Gas und Wasser gut auskennt, der irrt sich.

CW: Das klingt aber sehr nach einem Angebot zur Partnerschaft.

Enzelmüller:Was Partnerschaften mit den sogenannten Stadt-Carriern angeht, sind wir prinzipiell offen für jede denkbare Konstellation - notfalls auch für Joint-ventures mit einzelnen Städten. Es muß aber sinnvoll sein, was für uns vor allem heißt: schnell und ohne Bürokratie. Und bei uns muß auch in Zukunft die Federführung liegen - nicht weil wir uns so toll finden, sondern weil wir diejenigen sind, die schon unter Beweis gestellt haben, daß sie etwas vom Business verstehen.

CW: Hat sich hier auch, wie einige Experten meinen, einer der künftigen Anbieter der heißbegehrten letzten Meile zum Kunden zu Wort gemeldet?

Enzelmüller: Wir werden unsere Leistungen auch überregionalen Netzbetreibern anbieten. Insofern ist eine Art Maklerrolle für den Local Loop durchaus denkbar.

CW: Was bedeutet dies für Ihr Verhältnis zur Telekom?

Enzelmüller: Dort, wo wir aufgrund unseres Business-Plans eigene Leitungen nicht legen können oder wollen, verwenden wir unter Umständen auch in Zukunft Mietleitungen der Telekom. Alles übrige wird der Markt regeln.

CW: Wie bei den umstrittenen Großkundenrabatten der Telekom?

Enzelmüller: Diese tangieren uns als Nischenanbieter nicht so. Außerdem: Was soll denn Ron Sommer anderes machen schließ- lich haben wir Wettbewerb und reden nicht mehr nur darüber. Für uns viel problematischer ist jedoch, daß die Telekom bei ihren City-Netzen mit ganz anderen Preisnachlässen operiert, die auf eine zumindest indirekte, in jedem Fall aber unzulässige Quersubventionierung schließen lassen.