Serie: Downsizing, offene Systeme Teil 2

Mainframe-Systeme müssen sich mit Unix-Konkurrenz abfinden

11.10.1991

Viel wird in letzter Zeit von Downsizing gesprochen, doch bisher bieten die PCs und LANs (Local Area Networks) keine rechte Alternative für die Mainframe-Nutzer mit ihren existierenden Anvendungsumgebungen. Nur zwei Lösungen sind derzeit auf dem Weltmarkt verfügbar, die dem Anwender helfen, seine getätigten Investitionen zu schützen und ihn auf die "sanfte Tour" in die offene Systemwelt zu transferieren.

Die Großanwender stöhnen. Betrachtet man die Hard- und Softwarekosten in der Mainframe-Welt, werden die Unterschiede immer gravierender. Einerseits können allein die Software-Lizenzkosten für eine MVS/CICS-Welt bei mehreren hunderttausend Mark im Monat liegen Software-Pflegekosten sind hoch, eine ausgefeilte Dokumentation fehlt in den meisten Fällen Erschwerend kommt hinzu, daß sich heute kaum noch ein Entwickler mit den alten Anwendungen auskennt.

Auf der anderen Seite ist der Siegeszug des Betriebssystems Unix nicht mehr aufzuhalten Standardprodukte, die nur einen Bruchteil des Mainframe Softwarepreises kosten, drängen in die elitären RZ-Umgebungen Viele Anwender würden gerne den Schritt in die offene Systemwelt wagen, sie sehen jedoch keinen Weg dahin. Die Furcht vor erneut hohen Anfangsinvestitionen und die Unkenntnis über die "offene Unix-Welt" verhindern viele Downsizing-Projekte derzeit noch.

Wer interessiert sich heute für das Downsizing, und wo liegen die Probleme? Bei den Anwendern stellt man zwei verschiedene Positionen fest. Einmal gibt es den - meist mittel ständischen - Anwender, der weg von der Mainframe-Welt mochte.

Mittelständler wollen weg vom Mainframe

Seine Fragen und Anforderungen lassen sich klar umreißen:

- Als IBM/VSE-Anwender will man den Sprung, sprich: die Umstellung auf die MVS-Welt, aufgrund des Investitionsvolumens eigentlich vermeiden;

- vom Preis-Leistungs-Verhältnis aus gesehen käme ein Rechner aus dem Unix-Bereich durchaus in Betracht;

- was geschieht aber bei den Umstieg auf Unix mit der vorhandenen Software?

- Wie kann man das Knowhow der Mitarbeiter, in das jahrelang investiert wurde, weiterhin nutzen?

Großunternehmen können heute ohne den Mainframe nicht mehr leben Doch auch sie denken laut über Downsizing nach Dabei soll der Host nicht abgelöst werden, der Anwender sucht vielmehr nach einer Ergänzung seines Hard- und Softwareparks. Diese Anwendergruppe stellt sich andere Fragen:

- Das Rechenzentrum ist all seine Kapazitätsgrenzen gelangt, der Großrechner müßte kurzfristig aufgerüstet werden. Wie kann man das vermeiden?

- Bietet Unix eine Möglichkeit, die Großrechner von vorhandenen Anwendungen zu entlasten, so daß die Aufrüstung des Mainframes hinausgezögert werden kann?

- Gibt es Wege, das vorhandene CICS-Entwicklungs-Knowhow auch unter Unix zu nutzen?

- Kann dem hohen Anspruch an Datensicherheit bei der Auslagerung von Software auf eine Unix-Plattform Rechnung getragen werden?

- Wie läßt sich die Kommunikation zwischen auf Unix ausgelagerten CICS-Umgebungen und der verbleibenden Host-Umgebung realisieren?

Zwei ausgereifte Downsizing-Lösungen

Für diese beiden grob aufgezeigten Kundenpositionen existieren heute zwei ausgereifte Downsizing-Migrationslösungen: das Konvertierungsprodukt "Conveyor" der Firma lnfosoft, Dortmund, sowie der als ClCCS-Emulation anzusehende Transaktionsmonitor "VIS/TP"' Beide Softwarelösungen werden auf der SYSTEMS bei HP zu sehen sein.

Conveyor besteht aus Konvertierungsprogrammen, Laufzeitmodulen und Service-Routinen. Mit den Konvertierungsprogrammen werden Online- und Batch-Programme, Bildschirmmasken und Daten portiert. Auf dem Ausgangsrechner erwartet man folgende Umgebung: MVS oder VSE, CICS, BMS-Masken, VSAM-Dateien, Cobol-Programme, JCL-Jobs. Die Konvertierung von Datenbank-Umgebungen (DBII) wird in naher Zukunft ermöglicht.

Durch die Konvertierung in eine Native-Unix-Umgebung, beispielsweise in die Datenbank Informix, das Dateisystem C-lsam, Microfocus-Cobol etc. wird erreicht, daß sich die Unix-Plattform auch wirklich als offene Rechnerplattform mit den dort verfügbaren Industriestandards nutzen läßt.

Mit Unix teilhaben am technologischen Fortschritt

Der Anwender, der diesen Weg beschreitet, kann am schnellen technologischen Fortschritt sowie am verbesserten Preis-Leistungs-Verhältnis in der Unix-Welt in hohem Umfang teilhaben.

Bei VIS/TP handelt es sich um ein Transaktions-Verarbeitungssystem auf HP-UX-Rechnern. Dabei stellt es nahezu alle Funktion von CICS auf neuen in der Preis-Leistungs-Relation günstigsten Unix-Systemen bereit Bereits getätigte Investitionen in Software sowie in die Ausbildung von Mitarbeitern werden geschützt. Damit erfüllt VIS/TP wesentliche Forderungen der Anwender.

Die VIS/TP-Runtime-Umgebung ermöglicht eine einfache Migration vorhandener CICS-Cobol-Anwendungen nach Unix. Denselben Sourcecode - auf IBM-Mainframes ausgeführt - rekompiliert man mit Hilfe von VlS/TP-Produkten für eine Ausführung auf einem Unix-System. Das dem Anwender vertraute CICS-Runtime-System wird auf der Unix-basierten Maschine vollständig abgebildet, das gleiche "Look-alike" erleichtert den Umstieg erheblich. Investitionen in die Umschulung von Entwicklern und Anwendern entstehen dabei nur in sehr geringem Umfang. VIS/TP bietet darüber hinaus auch einen vollständigen Satz von Utilities für die Migration und die Pflege von ClCS/Cobol-Programmen und VSAM-Daten. Die neue Entwicklungsumgebung unterstützt dabei die VSAM-Datenaufrufe und den Basic-Mapping-Support-Code (BMS).

Neue Maskendefinitionen lassen sich interaktiv erstellen, um daraus VlS-Maps oder BMS-Maps zu generieren.

Neben VSAM-Dateien können aber auch hierarchische IMS-Datenbasen auf den Unix-Rechner portiert werden. Zu diesem Zweck kommt ein wissensbasiertes System zum Einsatz, mit dem normalisierte und nicht-normalisierte hierarchische Datenbanken in ein relationales Modell überführt werden. Dabei generiert man Schnittstellen zu DBS und/oder SQL/DS.

Der entscheidende Vorteil dieser Lösung liegt darin, daß man die Produktion auf dem neuen Zielsystem in relativ kurzer Zeit - meist in wenigen Mann-Monaten - verwirklichen kann.

Erfahrungen aus Großprojekten zeigen Einsparungen, die nach kurzer Zeit sowohl auf der Hardware- als auch auf der Softwareseite - durch hohe Softwarelizenz-Einsparungen zum Tragen kommen.

Die Einsparungen lassen sich in das langfristig angelegte Neudesign der Software auf der neuen offenen Systemplattform investiert .

Mainframe-Programme laufen auch auf Unix

VIS/TP bietet die Sprachtechnologie zur Verträglichkeit von ClCS/Cobol- und Batch-Cobol-Sourcecode-Programmen, und zwar durch die Konvertierung der Cobol-Sourcecodes in die Native-Sprachumgebung des Unix-Zielsystems. Die Anwendungen werden dabei auf dem Zielsystem im ClCS/Cobol-Sourcecode gepflegt.

Mit VIS/TP können somit Programme, die bis heute nur auf IBM-Mainframes liefen, in der VlS/TP-Umgebung unter Unix ausgeführt werden. Da der Sourcecode zwischen den beiden Rechnerwelten portabel ist muß der Anwender nur einen Quellcode pflegen.

Für den Anwender bedeutet diese neue Umgebung, daß die Programmierer weiterhin in ihrer vertrauten Sprache in einer zum Mainframe kompatiblen Umgebung entwickeln können.

Unix-Applikationen können ClCS Anwendungen nutzen

VIS/IP erfüllt die Anforderungen an verteilte Datenverarbeitung, indem es erlaubt, Anwendungen in unterschiedlichen vernetzten Rechnerkonfigurationen auszuführen. Da die Kommunikation ein integraler Bestandteil des VlS/TP-Runtime-Systems ist, läßt sich die Kommunikation zwischen verschiedenen VlS/TP-Systemen einfach realisieren, und zwar unter Verwendung vorhandener Kommunikationsprotokolle.

Mit dem Design des Produktes und geeigneten Kommunikationsmodulen können sowohl Daten als auch Anwendungen verteilt werden.

Diese Module erlauben die Kommunikation zwischen der VlS/ TP-Umgebung und den Protokollen des Unix-Systemherstellers. Wenn VlS/TP-Systeme vernetzt werden, bilden sie ein integriertes Gesamtsystem oder einzelne Server. Es besteht ferner eine Schnittstelle zu dem transaktionsorientierten Laufzeitsystem NCS, so daß selbst unter Unix entwickelte Applikationen ClCS-Anwendungen nutzen können.

Mit beiden beschriebenen Lösungen werden neue Maßstäbe im Bereich des Downsizing gesetzt ClCS-Anwender schaffen den Umstieg in eine Unix-Welt, die sowohl unter Hardware-Aspekten, aber auch vom Blickpunkt der Software ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis auf weisen.

*Axel lange ist Leiter Vertriebs

Marketing Computer-Systeme der Hewlett-Packard GmbH.