Mainframe-Softwerker geraten in schwere See Legent veraergert Anleger mit unerwartet niedrigen Gewinnen

23.07.1993

NEW YORK (CW) - Die amerikanischen Boersianer sind besorgt. Sie fuerchten, dass die Schwaeche des Grossrechner-Marktes Auswirkungen auf die entsprechenden Softwarehersteller haben wird. Folgerichtig stuerzten die Kurse der Legent-Aktie in den Keller, als die Mainframe-Softwareschmiede am Montag vergangener Woche Gewinne fuer das dritte Quartal in Aussicht stellte, die fast um die Haelfte unter den Prognosen der Analysten liegen.

Am Tag nach der Ergebnisankuendigung rutschte der Legent-Kurs um 1,12 auf 16,625 Dollar pro Aktie. Damit setzte der Titel, der seit dem vorausgegangen Freitag fast 50 Prozent seines Wertes eingebuesst hat, seinen Abwaertstrend fort. Als "Ueberreaktion" der Anleger werteten Analysten den anhaltenden Kursverfall gegenueber dem "Wall Street Journal". Zwar wurde die Prognose von 53 Prozent Gewinn pro Aktie, die der amerikanische Finanzinformationsdienst "First Call" abgegeben hatte, von der Legent-Ankuendigung konterkariert, man rechne lediglich mit Profiten von 26 Cent je Titel, aber immerhin geht Legent-Chef John Burton fuer das gesamte Geschaeftsjahr von einem positiven Ergebnis aus.

1992 erzielte das Unternehmen Erloese in Hoehe von 426,7 Millionen und einen Gewinn von 27,8 Millionen Dollar. Damit blieben die Softwerker jedoch schon um 8,3 Millionen Dollar hinter ihrem Vorjahresprofitevon 36,1 Millionen Dollar zurueck.

Der Fall Legent werfe, so das amerikanische Wirtschaftsblatt weiter, die Frage nach der kuenftigen Entwicklung von Mainframe- orientierten Softwarehaeusern auf. Da dieses Marktsegment kaum noch Wachstum aufweise, muessten sich die Player entscheiden, ob sie verstaerkt den wachsenden Softwaremarkt fuer kleinere Rechner bedienen oder weiterhin am Mainframe festhalten wollen. Michael Murphy, Herausgeber des "California Technology Stock Letter", gibt Softwareherstellern wie Legent den Rat: "Das Spiel geht zu Ende, und fuer die Firmen ist es an der Zeit, ihre Software zu ueberdenken".

Neben der sich veraendernden Nachfragesituation trugen auch interne Schwierigkeiten zu Legents Problemen bei. So machten Vertreter des Unternehmens gegenueber dem "Wall Street Journal" klar, dass sie die geringeren Einnahmen auch auf einen gescheiterten Restrukturierungsversuch zurueckfuehren, der im Oktober vergangenen Jahres nach der 400 Millionen Dollar teuren Uebernahme der Goal Systems International Inc. unternommen worden war. Angesichts der ausgeweiteten Produktpalette sollte jeder Vertriebsverantwortliche eine ganze Reihe von Produkten vertreten. Die Komplexitaet der Software fuehrte nach Einschaetzung von Burton jedoch zu Ineffizienz der Mitarbeiter, anstatt die Leistungsfaehigkeit des Vertriebes zu erhoehen.

James Poyner, Analyst bei Oppenheimer & Co, sieht "zwei schmerzerfuellte Quartale" auf Legent zukommen, erst dann werde das Unternehmen seine internen Schwierigkeiten bewaeltigt haben.

Um den Kursverfall zu bremsen, autorisierte der Verwaltungsrat das Unternehmen, bis zu 3,5 Millionen Aktien zurueckzukaufen. Die deutsche Legent GmbH, deren bisheriger Geschaeftsfuehrer Thomas Kretschmer erst in der vergangenen Woche das Handtuch warf, nahm zur Situation des Unternehmens in Deutschland keine Stellung.