Mainframe-Remake: schiefe Logik Dieter Eckbauer

19.11.1993

Auf der schiefen Ebene langsam, aber sicher nach unten: In den verkrusteten Mainframe-Markt ist Bewegung gekommen - anders, als den Anbietern lieb sein kann. Aufschub bei den Anwendern erwirken will die IBM, wenn sie als Datenbank- und Transaktionsmaschinen Vorschaltrechner fuer ihre ES9000-Grossrechner ankuendigt (Seite 29). Ob mit diesem technologischen Zwischenschritt hin zum Parallelrechner auf RISC-Basis (bei IBM: Power-Architektur) die matte Mainframe-Bilanz aufpoliert werden kann, steht dahin. Bald, so sehen es Analysten, werden die 370-Systeme zum Ausverkauf freigegeben. Das muss die IBM in ihren Grundfesten erschuettern. Kompensation kann aus der Power-Generation auf absehbare Zeit nicht kommen, dazu war der 370-Anteil am Gesamtvolumen des Marktfuehrers zu gross.

Big Blue ist durch Fuehrungsfehler in die Mainframe-Misere geschlittert. Amdahl hatte nicht einmal die Wahl, dieselben Fehler zu vermeiden, geschweige denn es besser zu machen. Es steht schlecht um den IBM-Nachahmer, der das Mainframe-Klonen erfunden hat. Je staerker die Preise der Hardware-Originale fallen, desto mehr schmelzen die Margen bei den PCM-Nachbauten zusammen.

Land unter: Von dieser Entwicklung ist die gesamte Mainframe- Branche betroffen. Nehmen wir das Abkommen zwischen dem japanischen Grossrechnerlieferanten Hitachi und seinem deutschen PCM-Abnehmer Comparex: Die Neuordnung der Vertriebsaktivitaeten war ueberfaellig - ein Unding, dass sich der Hitachi-Ableger HDS (Hitachi Data Systems) und die BASF-Tochter in Europa mit identischen IBM- kompatiblen Produkten gegenseitig in die Quere kamen. Das Problem war in beiden Haeusern bekannt - bemerkenswert allenfalls der PR- Eiertanz, den die in Hassliebe verbundenen PCM-Partner vollfuehrten, um jeweils ihre Daseinsberechtigung nachzuweisen.

Jetzt haben die japanischen Konzernchefs den europaeischen Markt fuer Hitachi-Mainframes zwischen HDS und Comparex aufgeteilt: ein zukunftsweisender Schritt, so wollen es uns die Verantwortlichen vermitteln. HDS hier, Comparex da - es gebe keine Redundanzen mehr. Der Beifall faellt duenn aus, weil zentrale Fragen offenbleiben. Gemeint sind indes keineswegs Buhrufe von Anwendern des Inhalts, ihnen wuerde damit eine interessante Kostensenkungsmoeglichkeit genommen, die darin bestand, Comparex und HDS gegeneinander ausspielen zu koennen.

Diese Kritik kaeme aus der falschen Ecke. Aber macht es im ruecklaeufigen Mainframe-Business ueberhaupt noch Sinn, Maerkte aufzuteilen und damit zu limitieren, wie das bei dem neuen Vertriebsabkommen der Fall ist? Wer die Antwort kennt, weiss, dass sich Hitachi um eine Entweder-oder-Entscheidung herumgedrueckt hat: fuer HDS, gegen Comparex - oder umgekehrt. Auf ein laengeres Hin und Her wird man sich diesmal nicht einstellen muessen. Das fuehrt zurueck zu Big Blue. Fuer IBM-Chef Louis Gerstner geht es darum, dem blauen Riesentanker nach einem riskanten Wendemanoever wieder das Kommando "Volle Fahrt voraus" geben zu koennen - mit 370-Mainframes im Schlepptau eine schier unloesbare Aufgabe.