Linux versus Windows 2000/Bereits zum Windows-2000-Start angepasste Softwareprodukte

Mainframe-Betriebssysteme der 80er und 90er Jahre haben Nachfolger bekommen

24.03.2000
Mit Windows 2000 liefert Microsoft nicht nur ein Update für eines der erfolgreichsten, aber auch umstrittensten Betriebssysteme aller Zeiten - Windows 2000 soll den Aufbruch in eine neue Ära markieren. Denn damit will Microsoft endlich im Großkundengeschäft richtig Fuß fassen, in dem bislang noch Unix dominiert. Doch der Wind des Wettbewerbs weht den Redmondern derzeit scharf ins Gesicht. Robert Bäurle* hat sich im Softwaremarkt umgesehen.

Sieht aus wie Windows NT, fühlt sich an wie Windows NT - wird wohl nur eine neue Version des altbekannten Betriebssystems sein. Wer diesem Trugschluss erliegt, tut nicht nur dem neuen Windows 2000 ziemlich Unrecht - er verkennt auch dessen Potenzial. Denn bei Windows 2000 handelt es sich nicht nur um den lange erwarteten Nachfolger eines Betriebssystems, mit dem Microsoft in kleinen und mittleren Unternehmen einen De-facto-Standard geschaffen hat - mit Windows 2000 bläst Microsoft zum Sturm auf die Global Player.

"Als IT-Manager sehe ich in Windows 2000 das Nachfolge-Betriebssystem der in den 80er und 90er Jahren so bewährten Mainframe-Betriebssysteme", bekennt etwa der CIO der TÜV Nord Gruppe, die bereits Ende 1999 einen großen Teil ihrer Infrastruktur auf Windows 2000 migrierte, um so dem Millennium-Problem vorzubeugen. Und, "Erstmals ist die Integration der in unserem Hause eingesetzten Microsoft-Produkte mit den neuen Werkzeugen wie dem Active Directory möglich, und wir können eine wesentlich vereinfachte Administration nutzen. Microsoft hat mit dem Launch von Windows 2000 ein klares Bekenntnis hinsichtlich der künftigen Unterstützung für mittlere und große IT-Landschaften gegeben."

Warum aber setzt sich die als eher schwerfällig geltende EU-Bürokratie mit Windows 2000 auseinander? Die Wettbewerbshüter wurden von einem Konkurrenten darauf aufmerksam gemacht, dass die einzelnen Komponenten von Windows so gut zusammenarbeiten, dass für die Konkurrenz offenbar gar kein Platz mehr bleibt.

Doch zurück zu Windows 2000. Wer das neue Betriebssystem zum ersten Mal installiert, wird zunächst nur wenig finden, was die Aufregung rechtfertigt. Windows 2000 lässt sich problemlos installieren (sogar über bestehende Windows NT 4.0), und es zeichnet sich durch eine Stabilität aus, die man sich als Anwender zwar wünscht, die man einem neuen Microsoft-Produkt aber eigentlich nicht zutraut. Der berüchtigte Blue Screen, der bei einem Absturz von Windows NT 4.0 häufig erschien, hat nach Aussagen von Testern unter Windows 2000 Seltenheitswert.

Nur mit SMS 2.0 scheint Windows 2000 nicht gern zu kooperieren - hier wurden Unverträglichkeiten gemeldet.

Tatsächlich scheint sich Microsoft die Kritik der letzten Jahre zu Herzen genommen und einen großen Teil der fünfjährigen Entwicklungszeit darauf verwandt zu haben, einen Nachkömmling von NT 4.0 zu programmieren, der sich sowohl durch Abwärtskompatibilität als auch durch Stabilität auszeichnet.

In vielen Bereichen dürfte es daher mit Windows 2000 genauso wie unter Windows NT 4.0 weiterlaufen - Business as usual. Soft Research etwa, Anbieter PC-basierender Lohn- und Gehaltsabrechnungsprogramme, die unter Windows und Unix laufen, steht unmittelbar nach dem offiziellen Launch von Windows 2000 mit eigenen Produkten für das neue Betriebssystem bereit. Die Applikationen wurden für Windows 2000 zertifiziert, übernehmen aber die gleichen Aufgaben wie unter Windows NT.

Die Highlights von W2T erschließen sich jedoch erst, wenn man sich näher mit seiner Architektur auseinander setzt. Moderne unternehmensweite IT-Strukturen basieren schon lange nicht mehr auf den Fähigkeiten eines einzelnen Betriebssystems - sie setzen sich stattdessen aus einzelnen Diensten zusammen. Dazu gehören beispielsweise File & Print-Services, die bislang vielfach von Windows NT und Netware angeboten werden; dazu gehört die Kommunikation über E-Mail (neben Microsoft Exchange sind hier auch Lotus Notes/Domino sowie zunehmend Linux-Produkte zu finden), dazu gehören Datenbankdienste, ein unternehmensweiter Verzeichnisdienst, ein modernes Netzwerk-Management etc.

Viele Unternehmen werden künftig verstärkt die Strategie verfolgen, sich ihre IT-Umgebungen aus den jeweils besten Komponenten zusammenzusetzen. Windows 2000 für File & Print, das unternehmensweite Meta-Directory unter Unix, die Firewall unter Linux und für das Netz-Management eine Anwendung, die alle Plattformen abdeckt.

Tatsächlich sollte man Windows 2000 nicht mehr als geschlossenes Betriebssystem, sondern eher als eine Art Baukasten sehen, bei dem die Dienste beliebig miteinander kombiniert werden können. Dabei stehen die Anwender nicht mehr vor der Frage, ob sie sich generell für Windows 2000, Unix oder Linux entscheiden sollen - sie müssen sich bei jedem einzelnen Dienst mit dieser Frage beschäftigen.

Erste Erfahrungen von Anwendern, die bereits frühzeitig auf Windows 2000 migrierten, zeigen, dass die eigentliche Herausforderung beim Wechsel auf Windows 2000 nicht mehr in der Technik, sondern in der Organisation liegt. Die Bosch-Gruppe etwa kombiniert Windows 2000 mit einem DNS-System, das unter Unix läuft; die Dresdner Bank überlegt, ob man sich bei der Migration auf das zu Windows 2000 gehörende Active Directory verlässt oder ob ein unternehmensweites Meta-Directory unter Unix realisiert werden soll. Ein Ansatz, den auch Softwarehersteller verfolgen: "Wir tun alles, um den parallelen Einsatz bereits genutzter Betriebssysteme zu gewährleisten, unabhängig davon, ob sie Windows, Unix oder auch Linux heißen, und dies schließt selbstverständlich Windows 2000 mit ein", erklärt Steffen Roller, Entwicklungsleiter bei der DAA Systemhaus AG in Hügelsheim bei Baden-Baden, einem Anbieter von Dokumenten-Management- und Archivierungslösungen.

Sind technische Aspekte geklärt, bleibt noch die Frage, wie sich solche Änderungen auf die Organisation auswirken - etwa das Problem, dass bei einer Eingliederung von externen Niederlassungen in ein globales Windows-2000-Directory die Eigenständigkeit dieser Außenstellen leiden könnte. Denn unter Windows 2000 sind selbst Sprachbarrieren kein Schutz mehr vor einer machtgierigen zentralisierten DV: Dank Multi-Language-Pack und Fernbedienung können Großunternehmen ihre Server künftig weltweit remote installieren und auch warten.

Ein wichtiger Punkt, der über den Erfolg von Windows 2000 oder den seiner wichtigsten Konkurrenten (und dies sind nicht mehr das abgeschlagene Netware oder das mittlerweile in die Mottenkiste gewanderte OS/2, sondern leistungsfähige Unix-Versionen wie Sun Solaris oder HP-UX und zunehmend das - zumindest in der Anschaffung kostenlose - Linux) entscheidet, ist die weitere Entwicklung des Internet. Denn die Zeit der lokalen Netze in einzelnen Niederlassungen geht dem Ende zu - zunächst durch die Schaffung von zentralisierten Server-Farmen mit 7-mal-24-Stunden-Service, langfristig aber durch den Aufbau von globalen Internet-Rechenzentren. SAP, weltweit führender Anbieter von kaufmännischen Lösungen etwa, bietet künftig an, kundenspezifische R/3-Implementationen nicht mehr jeweils vor Ort, sondern zentral in einem der neu geschaffenen SAP-Rechenzentren zu implementieren. Damit kauft der Kunde keine Software mehr, sondern er bezahlt nur noch für die Nutzung - die gesamte Wartung aber überlässt er dem Hersteller. Andere Anbieter dürften diesem Beispiel folgen - und was früher eine Domäne des Großrechners war, wird damit künftig zum Zankapfel zwischen Windows 2000 und Unix.

Eine Umfrage unter mehreren Softwareanbietern ergab, dass sie alle bereits zum Start von Windows 2000 mit eigenen auf das neue Betriebssystem angepassten Produkten auf den Markt kommen werden - teils aus der Überzeugung heraus, dass sich Marktchancen ergeben, teils aus der pragmatischen Erwägung, dass viele Kunden schnell auf das neue Betriebssystem wechseln werden und dass die Programme dann tatsächlich darauf optimiert sein müssen.

"Mit den DLLs hat Microsoft ein Kuckucksei gelegt, bei dem viele IT-Verantwortliche in der Vergangenheit graue Haare bekommen haben", so der IT-Leiter eines großen deutschen Unternehmens. "Unter Windows 2000 ist dieses Problem zwar nun endlich behoben - aber um diesen Vorteil zu nutzen, ist es notwendig, nur für Windows 2000 zertifizierte Software einzusetzen." Die befragten Firmen haben deshalb alle den offiziellen Zertifizierungsprozess eingeleitet und werden ihre Produkte in den nächsten Monaten mit dem offiziellen Siegel von Microsoft auf den Markt bringen.

Obwohl sich aus Sicht der Anwender zunächst auch durch die Migration auf Windows 2000 nicht viel ändert - das neue Betriebssystem ist zwar stabil, doch durch Cluster, Spiegelung und andere Maßnahmen haben die meisten Großunternehmen auch unter Windows NT 4.0 eine Verfügbarkeit von 99,95 Prozent und mehr realisiert, - sehen viele Anbieter große Chancen für die Zukunft.

"Das neue System bringt unseren Kunden mehr Sicherheit, höhere Performance und Skalierbarkeit", meint etwa Rolf Heiler, Vorstandsvorsitzender der Heiler Software AG in Stuttgart. "Gerade bei Internet-Anwendungen wie unserem ,High Commerce'' spielen die verbesserten Fähigkeiten im Bereich der Cluster-Systeme und bei der Unterstützung mehrerer Prozessoren eine wichtige Rolle." Er geht davon aus, dass reine Internet-Unternehmen, die etwa digitale Marktplätze realisieren und betreiben wollen, und Firmen, die geschäftskritische Anwendungen im Internet erst richtig auf Touren bringen, verstärkt auf W2T setzen werden.

Die Frage, ob sich die Anbieter künftig stärker auf Windows 2000 oder Unix-Dialekte wie Linux oder Sun Solaris konzentrieren werden, wurde einheitlich mit nein beantwortet. Martin Teetz, als Business-Development-Manager für das Produkt-Marketing der "Centura"-Produktreihe in Zentraleuropa zuständig, weist darauf hin, dass Centura zwar seine Entwicklungsumgebung "Centura Team Developer" speziell für Windows 2000 entwickelt hat, die Datenbanken aber auch weiterhin für Solaris und Linux etc. pflegt. Und auch Lotus Development wird zwar unmittelbar nach Erscheinen von Windows 2000 eigene Produkte für das neue Betriebssystem anbieten, sieht Windows 2000 aber genau wie zuvor schon Windows NT 4.0 - neben Linux - als eine der von Lotus Domino unterstützten Server-Betriebssystem-Plattform.

Mit dieser Einstellung steht die IBM-Tochter nicht allein, sie wird unter anderem auch von der Logics Software, München, geteilt, die Kommunikations- und PC-Host-Connectivity-Lösungen entwickelt und vertreibt. Zu den Kunden des Unternehmens zählen zahlreiche Behörden, Versicherungen und Banken, die den Informationsaustausch und die Datenintegration zwischen BS2000-, IBM-Großrechnern und PCs über Logics-Produkte realisieren. "Wir berücksichtigen ausdrücklich die Strategien unserer Kunden, und die sind geteilt zwischen Unix und Windows", erklärt Anke Reuter, Marketing-and-Communication-Manager bei der Logics Software GmbH.

Flexibilität entscheidetBetrachtet man Windows 2000 allein für sich, ist davon auszugehen, dass das neue Betriebssystem zwar ähnlich erfolgreich werden dürfte wie sein Vorgänger Windows NT 4.0 und dass es im Markt auch eine ähnliche Unterstützung erfahren wird. Doch weil Microsoft mit Windows NT 4.0 vor allem im Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen schon extrem stark vertreten ist und nur noch wenig Möglichkeiten für eine weitere Expansion hat, wird der Kampf künftig in Bereichen ausgetragen, in denen die Redmonder noch nicht so zu Hause sind. Großkunden sind nicht nur anspruchsvoller als kleinere Unternehmen - sie verfügen auch über sehr heterogene Umgebungen. Und hier entscheidet nicht nur das Betriebssystem über den Erfolg eines Anbieters - das Zusammenspiel von Diensten mit allen vorhandenen Betriebssystemen ist sehr viel wichtiger. Möchte Microsoft auch in diesem Bereich ein Stück vom Kuchen haben, muss es in Zukunft Software auf den Markt bringen, die auch in heterogenen Umgebungen exzellente Leistungen bringt - nach Ansicht vieler Analysten für Microsoft die größte Herausforderung, der sich das Unternehmen in den nächsten Jahren stellen muss.

* Robert Bäurle ist freier Journalist in München.

EU nimmt Windows 2000 unter die Kartell-LupeMÜNCHEN (CW) - Die Europäische Kommission ermittelt gegen Microsoft. Geprüft werden soll dabei, ob sich Microsoft mit dem NT-Nachfolger Windows 2000 unrechtmäßig Wettbewerbsvorteile verschafft. "Uns liegen Informationen von Endanwendern, Internet-Service-Providern und Konkurrenten darüber vor, dass Microsoft Windows 2000 in einer Art und Weise entwickelt hat, die es dem Unternehmen gestattet, seine Vormachtstellung im Bereich der PC-Betriebssysteme auf andere Märkte wie Server und letztlich den gesamten elektronischen Handel auszuweiten", erklärte EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti das Vorgehen seiner Behörde.

Im Kern gehe es darum zu prüfen, ob Microsoft sein Betriebssystem in unzulässiger Weise so mit anderen Anwendungen verzahnt hat, dass nur Microsoft-Produkte richtig miteinander funktionierten. "Uns ist klar, dass, wer immer die Kontrolle über Server-Betriebssysteme gewinnt, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch den E-Commerce kontrollieren kann", sagt Monti.

Die EU-Kommission hat Microsoft daher Anfang Februar einen entsprechenden Fragenkatalog zu Windows 2000 zugestellt. Das Unternehmen hat nun vier Wochen Zeit, Stellung zu nehmen. Auf die geplante Vertriebsfreigabe des neuen Betriebssystems am 17. Februar wird das Procedere keine Auswirkungen haben, so Monti. Stellt sich allerdings im Zuge der Ermittlungen heraus, dass Microsoft mit Windows 2000 gegen geltendes EU-Kartellrecht verstößt, muss die Gates-Company entweder das Betriebssystem entsprechend verändern oder eine Geldbuße zahlen.

Quelle: CW-Infonet vom 10. Februar 2000

Linux in LauerstellungMitte Februar veröffentlichte die International Data Corp. (IDC) vorläufige Zahlen zum Markt für Server-Betriebssysteme für 1999. Platz eins belegte Microsofts Windows NT mit 2,1 Millionen verkauften Kopien und einem Marktanteil von 38 Prozent nach Stückzahlen. Dicht dahinter jedoch folgte bereits das Open-Source-Unix Linux mit 1,35 Millionen Einheiten oder 25 Prozent Marktanteil. "Linux wächst schneller als gedacht. Wir nahmen an, es schafft Platz zwei erst 2002 oder 2003", erklärte IDC-Analyst Dan Kuznetzky. Auf Platz drei abgerutscht ist Novell Netware (19 Prozent Marktanteil), auf Platz vier finden sich die übrigen kommerziellen Unixe (zusammen 15 Prozent Marktanteil).

Nicht ganz so erfreulich für Linux sieht es beim Umsatz aus: Die erzielten 32 Millionen Dollar entsprechen weniger als einem Prozent des gesamten Marktvolumens von 5,7 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Windows NT machte sich mit 1,7 Milliarden Dollar in den Kassen von Microsoft bemerkbar.