Einjaehriges Uebernahmechaos findet kurz vor CeBIT-Beginn sein Ende

MAI Europa gehoert nun einer internationalen Bankengruppe

02.04.1993

Ueberraschender, weil urspruenglich ganz anders geplant, haette die Loesung nicht sein koennen: Ein aus sieben Banken bestehendes Konsortium, bei dem die finanziell schwer angeschlagene MAI Systems Corp., Tustin, Kalifornien, zuletzt mit rund 80 Millionen Dollar Verbindlichkeiten in der Kreide stand, erliess der US- Gesellschaft alle Schulden und uebernahm dafuer deren gesamte Anteile an den europaeischen MAI-Gesellschaften. Diese wiederum ueberschrieb die Bankengruppe sogleich auf eine zu diesem Zweck von ihr gegruendete und unter ihrer alleinigen Kontrolle stehende Holding, die zunaechst Applications Software Inc. getauft, bei der Eintragung im US-Bundesstaat Delaware aber kurzfristig in Application Systems Inc. umbenannt wurde. Darueber hinaus ist diese Dachorganisation nunmehr auch Besitzerin aller Lizenzen, Technologien sowie anderen geistigen Eigentums einschliesslich des Betriebssystems Open Basic der MAI Systems Corp.

Ein fuenfkoepfiger Beirat, der sich aus den Geschaeftsfuehrern der MAI-Niederlassungen in Deutschland, Belgien und den Niederlanden zusammensetzt, koordiniert die europaeischen MAI-Gesellschaften, die rechtlich und operativ selbstaendig bleiben. Vorsitzender ist Stephen Hopkins, der zugleich als CEO der Application Systems Inc. fungiert. Hopkins war lange Jahre bei General Electric Co. taetig und haelt heute bei der Management- Beratung Nightingale & Associates Inc. die Position des General- Managers.

Dass es den Banken - fuenf amerikanischen, einer kanadischen und einer europaeischen - leicht fiel, auf ihr Geld zu verzichten, ist nicht anzunehmen. Urspruenglich hatten die Kreditinstitute gehofft, die MAI Systems Corp. werde die profitable deutsche Tochter einschliesslich der oesterreichischen und schweizerischen Aktivitaeten verkaufen, um mit dem erzielten Erloes die bestehenden Schuldenlast begleichen zu koennen. Doch nachdem im November vergangenen Jahres die schon sicher geglaubte Uebernahme der zentraleuropaeischen MAI-Aktivitaeten durch eine von der Deutschen Candover Gesellschaft fuer Management Buy-Outs und Beteiligungen mbH, Frankfurt/M., angefuehrten Kaeufergruppe buchstaeblich in letzter Minute geplatzt war und auch anschliessende Verhandlungen mit namhaften Hardwareherstellern (unter anderem Bull) zu keinem Ergebnis fuehrten, gab es keinerlei Alternativen mehr. Nun soll die europaeische MAI-Gruppe dafuer sorgen, dass die Banken in einigen Jahren zumindest einen Teil des Geldes zurueckbekommen. Gerd Steffen, Vice-President Central and Eastern Europe, erklaerte gegenueber der COMPUTERWOCHE: "Ziel des Bankenkonsortiums ist es, nach der Ungewissheit des vergangenen Jahres nun wieder Ruhe in die Laendergesellschaften zu bringen, sie zu stabilisieren und in vier oder fuenf Jahren die neuausgerichtete europaeische MAI-Gruppe an die Boerse zu bringen. Dann machen die Banken ihr Geld."

Ob die MAI Systems Corp. ohne ihre Europa-Toechter Ueberlebenschancen hat, ist fraglich. Zwar sind die Kalifornier erstmals seit vielen Jahren wieder schuldenfrei, doch laufen die Geschaefte in den USA eher bescheiden, weil man es erst spaet der deutschen Dependance nachmachte und vom reinen Hardwarelieferanten auf den Komplettloesungsanbieter umsattelte.

Profitabel ist die MAI Systems Corp. schon seit Jahren nicht mehr, wenn das Unternehmen auch laut Steffen im vergangenen Geschaeftsjahr "einen kleinen operativen Gewinn" einstreichen konnte. Dafuer hielten sich die Amerikaner bislang in Form von Gewinnabfuehrungsvertraegen bei den Toechtern schadlos - Gelder, die ihnen fortan fehlen werden.

Die rund 900 MAI-Mitarbeiter in Europa wird das Schicksal ihrer ehemaligen Muttergesellschaft in den USA weniger interessieren, scheint ihre Zukunft nach rund einjaehriger Durststrecke endlich gesichert. Fuer Gerd Steffen indes bleibt der Wehrmutstropfen, den Management-Buy-out nicht realisiert haben zu koennen. Haette die Transaktion mit der Deutschen Candover im November 1992 geklappt, waere Steffen heute Besitzer eines nicht unerheblichen Prozentsatzes der Holdinggesellschaft, die damals die Anteile der deutschen, der oesterreichischen und schweizerischen MAI- Niederlassung erwerben sollte.