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Mai

28.12.1998
Von Michael Hufelschulte
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MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Siemens entschließt sich, die Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) in den Konzern einzugliedern. Der Name SNI taucht von nun an nur noch im Zusammenhang mit Kassen- und Handelssystemen auf. Ferner kündigen die Münchner den Verkauf ihrer PC-Produktion an den taiwanischen Hersteller Acer an, der Siemens künftig als Auftragsfertiger beliefern soll. Monate später platzt dieser Deal, Siemens bleibt unfreiwillig PC-Produzent.

SNI wird in den neu geschaffenen Siemens-Geschäftsbereich Information und Kommunikation (IuK) eingegliedert, in dem sich auch die Geschäftsbereiche Private und Öffentliche Netze wiederfinden. Siemens-Vorstand Volker Jung verkauft diese Entscheidung mit dem Argument, im Zeitalter der „Konvergenz“ ließen sich Information und Kommunikation nicht mehr trennen. Ob Konvergenz auch Kühlschränke und Kraftwerke einschließt, ließ der Manager unkommentiert.

Über der holländischen Softwareschmiede Baan ziehen sich dunkle Wolken zusammen. Das erste Quartal 1998 bringt einen Gewinneinbruch um über 80 Prozent auf nur noch 2,4 Millionen Dollar. Lediglich um acht Prozent steigen die Lizenzeinnahmen. Zum Vergleich: Peoplesoft legt in diesem Quartal um 64 Prozent bei den Lizenzen zu und streicht mit knapp 34 Millionen Dollar einen nahezu doppelt so hohen Profit ein wie im Jahr zuvor.

Baan bekommt nun Ärger mit der amerikanischen Börsenaufsicht. Softwarelizenzen im Wert von 11,6 Millionen Dollar seien 1997 vorzeitig als Einnahmen verrechnet worden. Baan hatte die Produkte in seine Vertriebskanäle verteilt und bereits als Umsatz verbucht, als der Verkauf noch nicht vollzogen war. Nun bekundet das Unternehmen, seine kreative Buchhaltung zu ändern und sich von seinem Auditor, der niederländischen Moret, Ernst & Young, zu trennen.

Hiobsbotschaften erreichen die Mitarbeiter von Compaq und Digital Equipment. Die Fusion könnte bis zu 20 000 von insgesamt 88 000 Beschäftigte den Job kosten. In der deutschen Filiale von DEC treiben bereits die Rationalisierungsspezialisten von McKinsey ihr Unwesen. Doch auch das Compaq-Management hat seine Sorgen. Mit Dell und NEC kündigten zwei wichtige Großkunden von DEC ihre Service- und Support-Outsourcing-Verträge.

Mit einem neuen Namen will Borland alte Krisenzeiten vergessen machen. Inprise heißt die Company ab sofort, und sie will ihre Gewinne rund um Komponenten, Middleware und Services erwirtschaften. Im Zentrum der Produkte steht der Object Request Broker „Visibroker“, den sich das Unternehmen mit der Softwareschmiede Visigenic eingekauft hatte.

Microsoft bläst der Wind immer stärker ins Gesicht. Zwanzig US-Bundesstaaten wollen mit einer einstweiligen Verfügung die Auslieferung von Windows 98 verhindern. Der Vorwurf: Durch die Integration des Browsers in das Betriebssystem dehne Microsoft sein Monopol auf ungesetzliche Weise aus. Auch das Jusitizministerium bereitet eine Klage vor. Microsoft spannt daraufhin rund 30 namhafte Vertreter der PC-Industrie vor seinen Karren: Ihre Warnung, der amerikanischen IT-Industrie drohe unabsehbarer Schaden, wenn Windows 98 nicht wie geplant ausgeliefert werden könne, führt dazu, daß die Software trotz Browser-Integration am 25. Juni 1998 auf die Ladentische gelangt.

Bücher kaufen im Internet kann man in Deutschland recht komfortabel beim ABC Bücherdienst auf der Web-Site Telebuch.de. Das hat auch der Platzhirsch im internationalen Electronic-Commerce-Geschäft, Amazon.com, gemerkt. Amazon schluckt den ABC Bücherdienst für einen nicht veröffentlichten Betrag. Beobachter rechnen mit einer Konzentration des Web-Buchhandels auf drei bis vier Anbieter. Neben den großen Kauf- und Versandhäusern ringen auch Spezialisten aus der Verlagsbranche wie Buch.de oder Bücher.de um diesen Markt.

1998 wird als Jahr extremer Personalnot in die noch zu schreibenden IT-Geschichtsbücher eingehen. Jahr-2000-Problem, Euro-Einführung und Standardsoftware-Projekte binden jeden Mitarbeiter. Der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Das betrifft auch neuer Berufsbilder rund um das Internet. Web-Master oder -Designer sind ebenso gefragt wie C- und Java-Könner.

Erste Gerüchte um eine Übernahme von Bay Networks durch Northern Telecom Ltd. (Nortel) werden bekannt. Wenige Wochen später ist es dann soweit: Für 9,1 Milliarden Dollar schlucken die Kanadier den Anbieter von Netzkomponenten und Internet-Produkten. Die Vereinigung von Telekommunikations- und Datennetzanbietern liegt nach Meinung von Marktforschern im Trend. Weitere Abschlüsse in ähnlicher Qualität und Größenordnung werden prognostiziert.

Die Gartner Group hätte sich wohl nicht träumen lassen, was sie mit ihrer Diskussion um die zu hohen Total Cost of Ownership (TCO) - also die gesamten Betriebskosten für DV-Einrichtungen - auslösen würde. In vielen Unternehmen gerät der Kostenfaktor über Gebühr in den Mittelpunkt des Interesses. Sparen, sparen, sparen - und nur nicht an den Anwender denken; nach diesem Motto verrichten zu viele IT-Abteilungen ihren Job.

Ein Konzentrationsprozeß im Markt für Antivirensoftware beginnt mit der Ankündigung von IBM, sich aus diesem Geschäft zurückzuziehen und die „Antivirus“-Produkte an den Utility-Spezialisten Symantec in Lizenz zu geben. Wochen später übernimmt Network Associates für 640 Millionen Dollar den britischen Virenspezialisten Dr. Solomon's.

Im umkämpften Markt für Middleware spielt sich Bea Systems weiter in den Vordergrund. Das Unternehmen kauft für einen vermutlich dreistelligen Millionenbetrag den Transaktionsmonitor „Top End“ von NCR. Strategisches Produkt im Bea-Portfolio bleibt die „Tuxedo“-Software, deren neue Variante „M3“ auf Basis der Common Object Request Broker Architecture (Corba) entwickelt wurde. Der NCR-Deal dient vor allem dazu, neue Kunden zu bekommen.