Hessische Polizeibehörde zieht Konsequenzen

Mängel-Projekt bringt SNI um Millionenauftrag

10.07.1992

MÜNCHEN (hv) Ä rger mit der Polizei hat sich die Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) eingehandelt. Als Generalunternehmer hatten die Münchner vom Land Hessen den Auftrag erhalten, ein System für die Vorgangsbearbeitung in Polizeirevieren zu entwickeln. Diese Zusammenarbeit hat das Innenministerium vor wenigen Wochen abgebrochen.

"Fakt ist heute, daß wir mit dem fachlichen Feinkonzept nach zweieinhalb Jahren bei weitem nicht das vorliegen haben, was wir eigentlich wollten", resümiert ein verantwortlicher RZ-Mitarbeiter des hessischen Landeskriminalamtes. Dafür sei nicht etwa eine mangelhafte Verständigung zwischen den künftigen Polizeianwendern und dem SNI-DV-Personal verantwortlich, vielmehr müsse das Konzept aus "DV-technischer Sicht" als unzureichend bezeichnet werden.

Daß darüber hinaus sowohl der Kosten- als auch der Terminplan überschritten worden sei, könne man verzeihen. Als inakzeptabel müsse dagegen die Leistung des zwar bemühten aber viel zu unerfahrenen Projektleitungs-Teams angesehen werden. Behauptungen von Siemens-Nixdorf, die Behörde habe das Projekt aufgrund leerer Kassen gecancelt, weist der RZ-Angestellte zurück.

Einen finanziellen Tiefschlag dürfte das Scheitern dieses Geschäftes für SNI bedeuten: Insgesamt vier Unix-Server (MX500) und rund 700 PCs wollten die Münchner an das Frankfurter Polizeipräsidium verkaufen. Darüber hinaus sollten das Betriebssystem Unix Standardsoftware und die neu zu entwickelnde Individualsoftware für den Polizeibedarf geliefert werden.

Der Gesamtwert des Auftrags betrug auf der DV-Seite 16 Millionen Mark, weitere vier Millionen Mark wären im Telefonbereich hinzugekommen.

Aus den Erfahrungen mit Siemens-Nixdorf hat die hessische Landespolizei gelernt. Es sei ( wohl generell ein Fehler, mit einem "großen Hardwarehersteller zusammenzuarbeiten, der sich auch als Systemhaus versucht".

Das Entwicklungsprojekt werde künftig ohne Generalunternehmer in eigener Regie gemeinsam mit einem externen Projektleiter fortgeführt. Wer die Hardware liefern wird, steht noch nicht fest.

Ganz anders sieht SNI die Situation. Dort will man von einem "Scheitern" des Projektes nichts wissen. Der Vertrag, so betont einer der Projektverantwortlichen, sei zwar überraschend aber ordnungsgemäß aufgelöst worden. Von vornherein hätten sich die Partner vorbehalten, nach der Fertigstellung des Feinkonzeptes über eine weitere Zusammenarbeit zu entscheiden.

Siemens-Nixdorf hat draufgezahlt

Allerdings räumen die Münchner ein, in dieses Geschäft "investiert" - also draufgezahlt - zu haben. Das werde SNI verschmerzen, denn das Unternehmen habe nicht damit gerechnet, an diesem Projekt zu verdienen. Es handele sich vielmehr um ein Prestigeobjekt, bei dem die Mitarbeiter zudem Erfahrungen im Polizeibereich sammeln sollten.

Der Rückzug der Hessen sei darauf zurückzuführen, daß das Vorhaben aufgrund der steigenden Anforderungen teurer wurde als eigentlich vorgesehen. "Die Länder sind im Moment nicht reich genug, um nachschießen zu können", so der SNI-Mitarbeiter. Die Behörde werde das Projekt jetzt wohl in einer abgespeckten Version durchführen .

SNI bestreitet, daß das Feinkonzept nicht realisierbar sei, und nimmt auch die Projektmitarbeiter in Schutz. Vielmehr habe es schon zu Beginn des Projektes, in der Ausschreibungsphase, Unstimmigkeiten gegeben. Dort sei bereits ein lückenhaftes Grobkonzept vorgegeben gewesen, daß mit den Polizeibeamten überarbeitet werden mußte.

Das fachliche Feinkonzept sei letztlich im Einvernehmen mit der hessischen Polizei entwickelt worden. Daß dem Generalunternehmer heute "Funktionsbrüche" vorgeworfen würden, habe SNI mit Befremden zur Kenntnis genommen. Der eigentliche Grund liege aber wohl darin, daß der Kunde ursprünglich ein anderes Projektziel verfolgt habe als heute.

Die Namen des LKA- und des SNI-Mitarbeiters sind der Redaktion bekannt.