Kalifornischer PC-Anbieter will "Lisa"-Nachfolger in die Vorstandsetagen drücken:

"Macintosh" soll Apple-Image aufpolieren

20.01.1984

MÜNCHEN/CUPERTINO (ha) - Mit Verve hat die amerikanische Apple Computer Inc., Pionier der Mikro-Branche, Spekulationen um den neuen Personal Computer "Macintosh", kurz "Mac", angeheizt. Die abgestrippte Version der "Lisa" soll in diesen Tagen weltweit vorgestellt werden. Nach dem enttäuschenden Absatzergebnis des Mac-Vorgängers könnte der neue Rechner das Firmenimage aufpolieren und die Kassen füllen.

Über mangelnde Vorschußlorbeeren für ihr neues PC-Baby können sich die Apple-Manager nicht beklagen. Offensichtlich wurden Testsysteme in den USA bereits vor der Ankündigung gezielt an Meinungsmultiplikatoren verteilt. So sind denn in der amerikanischen Presse überwiegend positive Stimmen zu hören. Gelobt wird der Macintosh nicht nur wegen seiner technischen Eigenschaften, sondern insbesondere wegen des vermeintlich günstigen Preis-/Leistungsverhältnisses. So müsse der PC-User für eine Einstiegsversion einschließlich Floppy-Laufwerk rund 2000 Dollar hinblättern, schreiben die Fachgazetten.

Für diesen Preis bietet die Apple-Maschine in der Tat eine beachtliche Leistung. So heißt es, daß der Mac, der auf dem Motorola-Prozessor 68000 basiert, über eine Speicherkapazität von 128 Kilobyte (KB) verfüge und auf 512 KB aufrüstbar sei. Dabei wiege das auch als Portable nutzbare System weniger als zehn Kilogramm. Zum System gehöre ein 9-Zoll-Bildschirm, der Schwarzweiß-Darstellung erlaube. Ein 3 1/2-Zoll-Floppy-Laufwerk runde das Apple-Produkt ab. Wie die Lisa wird auch der Mac mit einer "Maus" arbeiten. Das System läuft unter Apple-DOS, soll aber auch von den Betriebssystemen MS-DOS und Unix unterstützt werden.

Den Anlaß für Ovationen, die Mac-Kenner dem neuen Personal Computer entgegenbringen, schuldet der kalifornische Mikrovertreiber aus Cupertino freilich noch. Aber auch hier sind amerikanische Marktstrategen zuversichtlich. Zwischen 300 000 und 500 000 Rechner könne Apple im ersten Jahr absetzen, schrieb das Wall Street Journal noch vor einigen Wochen. An derartige Erfolge will indes die Enterprise Information Systems Inc. (EIS) nicht so recht glauben. Die US-Marktforscher veröffentlichten kürzlich eine Analyse, nach der Apple mit einem entscheidenden Handicap zu kämpfen habe: Der PC-Anbieter könne bislang keine Vertriebserfahrungen bei mittleren und großen Unternehmen nachweisen. Zur Zeit würden sich weder Apple-Händler noch Direktverkäufer im Großkundengeschäft auskennen.

Auch deutsche Marktbeobachter meinen, daß Apple trotz eines guten Produktes mit Anlaufschwierigkeiten rechnen müsse. Die bisherigen Erkenntnisse bei der Lisa-Vermarktung reichten nicht aus, um schnelle Installationserfolge zu bewirken. Dabei haben sich die Apple-Bosse vorgenommen, mit dem Mac vor allem den Durchbruch in der Chefetage zu schaffen, der ihnen mit der teureren Lisa mißlang. Wie die EIS-Watcher in ihrer Studie dokumentieren, müsse eine von den Kaliforniern neuentwickelte Vertriebsstrategie auch mit einer grundlegenden Änderung der Distributionskanäle einhergehen. Die meisten Händler fühlten sich überfordert, an die Entscheidungsträger in großen und mittleren Unternehmen heranzutreten.

Apple-Gründer Steven Jobs verkündete noch vor einem Jahr: "Die Lisa wird die Basis der Apple-Technologie in den achtziger Jahren repräsentieren. Mit den bislang verkauften 15 000 Geräten (Schätzungen des US-Marktanalysten Info Corp. in Cupertino) kann der einstige Mikro-Highflyer jedoch keineswegs die auf rund 50 Millionen Dollar geschätzten Entwicklungskosten wieder eingespielt haben. Dennoch hat der Macintosh nach Ansicht einiger PC-Apostel alle Chancen, die Forschungsausgaben schon bald wieder hereinzuholen. In der Branche hält sich denn auch die Meinung, daß die abgespeckte Lisa-Version das einzige konkurrenzfähige Produkt sei, der Personal-Computer-Power der IBM entgegenzutreten.