Delegieren für Chefs

Machen Sie sich überflüssig!

10.11.2013
Von 
Bettina Dobe war bis Dezember 2014 Autorin für cio.de.

Wer delegiert, motiviert

Entscheider sollten das Übertragen von Aufgaben als eine Art Coaching betrachten, meint Beraterin Stauch. "Erst am Übernehmen von Verantwortung kann ein Mitarbeiter wachsen", sagt Stauch. Umgekehrt drückt man seinem Team die Luft ab, wenn man ihm kein Vertrauen schenkt. "In der IT sitzen absolute Experten, die mitgestalten wollen. Je besser ich Aufgaben delegiere, desto zufriedener sind die IT-Mitarbeiter", sagt CIO Bernhard.

Der IT-Leiter der TUI weiß, dass Delegieren ab und an recht mühsam sein kann. "Weil es mehr Zeit braucht, die Mitarbeiter zur Selbstständigkeit zu bringen, gerät man leicht in dieses Hamsterrad der IT, alles kurzfristig selbst zu entscheiden", sagt CIO Bernhard. Schon ist eine Führungskraft der Überlastung nahe. "Mittelfristig kommt man mit gutem Delegieren aus dem Hamsterrad aber wieder raus", sagt Bernhard. Das ist auch absolut notwendig: "Das Ziel einer jeden IT-Führungskraft muss es sein, dass die Organisation quasi Entscheidungen trifft, und zwar dort, wo das Fachwissen sitzt", sagt CIO Bernhard. "Eigentlich muss man sich als IT-Leiter ein wenig überflüssig machen." Schafft es eine IT-Führungskraft nicht, Aufgaben erfolgreich weiterzugeben, landet zu viel auf dem eigenen Schreibtisch. "Das muss ein Alarmsignal sein", sagt CIO Bernhard.

Wenn es schief läuft

Es gibt wohl kaum jemandem, dem nicht schon einmal die Zeit oder das Budget bei einem Projekt außer Kontrolle geraten sind. Das passiert auch, wenn Aufgaben delegiert werden. "Wenn ich sehe, dass etwas aus dem Ruder zu laufen droht, spreche ich die Verantwortlichen direkt darauf an", sagt GUS-Chef Bingler. "Aber man muss auch die Balance finden zwischen Eingreifen und Luft lassen", fügt er hinzu. "Delegieren ist eine stetige Gratwanderung."

Dirk Bingler von der GUS GmbH würde seine Mitarbeiter nicht ohne Wasser durch die Wüste schicken - Delegieren braucht eben Ressourcen.
Dirk Bingler von der GUS GmbH würde seine Mitarbeiter nicht ohne Wasser durch die Wüste schicken - Delegieren braucht eben Ressourcen.
Foto: Privat

Entscheider müssen damit rechnen, dass nicht alles immer glatt geht: "Ich als IT-Leiter muss mir überlegen, wie ich meine Mitarbeiter dahin bringe, selbst zu entscheiden. Ein Kind lernt auch nicht Laufen, wenn ich es nur auf dem Arm trage", sagt CIO Bernhard. "Lernen heißt selber laufen.Auch wenn man dabei manchmal hinfällt." Nach Fehlern zeigen sich die Qualitäten eines guten Chefs, der die Verantwortung übernimmt. Das Team für das Scheitern verantwortlich zu machen? "Das ist falsch. Ich darf mich als Vorgesetzter niemals aus der Verantwortung ziehen", sagt GUS-Chef Bingler.

Delegate and disappear

Einen besorgniserregenden Trend macht Bingler in den letzten Jahren aus: "Immer mehr Führungskräfte delegieren Aufgaben nur noch per Email und koppeln sich dabei von ihrem Team ab", sagt Bingler. "Ich empfinde das als sehr grenzwertig, per E-Mail-Weiterleitung bei seinen Mitarbeitern abzuladen und sich dann nicht mehr weiter darum zu kümmern." Daher kommt auch der englische Ausdruck "Delegate and Disappear", der zu zweifelhaftem Ruhm gekommen ist. Einfachere Aufgaben können ohne Weiteres per E-Mail delegiert werden. Ein paar kurze Sätze an langjährige und eingespielte Mitarbeiter sind kein Problem. "Aber sich nicht ausreichend um sein Team zu kümmern, das ist absolut unprofessionell", sagt Bingler.

Der GUS-Chef setzt lieber auf Gespräche, persönlich oder per Videokonferenz: "Wenn ich im Gespräch sehe, dass der Mitarbeiter zuckt, kann ich darauf sofort reagieren", erläutert Bingler, und setzt hinzu: "Was geschrieben ist, ist geschrieben. Das kann man nicht mehr so einfach abmildern", sagt Bingler. Gerade im Delegieren kann eine unbedachte E-Mail risikoreich sein. Per E-Mail kann ein Chef nicht sicher sein, dass sein Mitarbeiter auch genau weiß, was er tun soll, oder spontane Fragen klären. Selbst bei langjährigen Kollegen besteht Bingler darauf: "Ab und zu muss man sich persönlich sehen", sagt er.

Projekt vorbei - und jetzt?

Das Verteilen von Aufgaben ist nie vorbei, nur ein Projekt endet. Das ist einer der kritischsten Momente für eine Führungskraft, die jetzt guten Stil beweisen kann. "War das Projekt erfolgreich, stellt ein guter Leader das Team in den Vordergrund", sagt Beraterin Stauch. Auch das gehört zum Delegieren. "Läuft es schief, muss er dazu bereit sein, die volle Verantwortung zu übernehmen", sagt Stauch. Nur so kann ein Chef sein Team weiterhin motivieren, gute Leistungen zu erbringen.

Wer partout nicht delegieren kann, sollte sich überlegen, ob er noch weiter an seiner Karriere basteln sollte. Coach Stauch rät dringend dazu, denn: "Wer nicht delegiert, der zieht sich keinen Nachfolger heran. Wer keinen Nachfolger hat, wird nicht befördert." Nur wer sich überflüssig macht, kann aufsteigen.