Delegieren für Chefs

Machen Sie sich überflüssig!

10.11.2013
Von 
Bettina Dobe war bis Dezember 2014 Autorin für cio.de.
Die Aufgaben sinnvoll zu verteilen und nicht alles selbst zu schultern, damit tun sich viele Chefs schwer. Delegieren ist schwer, aber es lohnt sich: Denn nur wer delegieren kann, steigt auf.

Halten Sie es wie Kaiser Franz Joseph I. von Österreich und stehen Sie um halb vier auf, um die ganze Arbeit zu erledigen? Regen Sie sich häufig über Ihre Mitarbeiter auf, die einfach nicht tun, was Sie sagen? Vielleicht liegt die Überarbeitung daran, dass Sie einfach nicht loslassen können.

Vor allem perfektionistische Chefs wollen alles selbst machen und kein Quäntchen Verantwortung abgeben. Auf Dauer führt das zu Gesundheits-gefährdendem Stress, demotivierten Mitarbeitern und vor allem zu einer ineffizienten IT-Organisation. Aufträge zu erteilen ist eben nicht einfach. Vor allem bedeutet die Kunst des Delegierens: Stellen Sie Ihr Ego zurück und machen Sie sich am besten überflüssig.

Die hohe Kunst des Umdenkens ist gerade auf Chefetagen oft sehr schwer.
Die hohe Kunst des Umdenkens ist gerade auf Chefetagen oft sehr schwer.
Foto: fotomek - Fotolia.com

Perfektionisten tun sich schwer

In Chefetagen findet sich so mancher Perfektionist: "Einige scheuen sich davor, Aufgaben abzugeben, weil sie alles kontrollieren wollen", sagt Führungskräfte-Coach Martina Stauch. Perfektionisten tun sich schwer damit, anderen Aufgaben zu überlassen. "Verantwortung abzugeben ist immer mit Unsicherheit verbunden", bestätigt CIO Carsten Bernhard der TUI Deutschland GmbH. Wer delegiert, muss offen dafür sein, dass es auch andere Lösungen als die eigene gibt. Das fällt nicht jedem leicht - zeichnet aber einen guten Chef aus.

Auf lange Sicht hält kein Entscheider die Vollverantwortung aus. "Delegieren ist essenziell", sagt Dirk Bingler, Sprecher der Geschäftsführung der GUS Deutschland GmbH, einem Anbieter von ERP-Anwendungen. Gerade in der IT muss ein Führungsverantwortlicher so viele Einzelaufgaben wie möglich abgeben: "Führungskräfte sind aus meiner Sicht eher Coach und nicht mehr der größte fachliche Entscheider", sagt CIO Bernhard. Für einen CIO ist es schlicht unmöglich, über jedes Spezialgebiet gleich gut Bescheid zu wissen. "Die Entscheidung muss nach unten delegiert werden, zu den Fachabteilungen, die das Wissen haben", sagt der TUI-CIO.

Laut CIO Carsten Bernhard von der TUI Deutschland GmbH sollten Chefs eher Coaches als Experten sein.
Laut CIO Carsten Bernhard von der TUI Deutschland GmbH sollten Chefs eher Coaches als Experten sein.
Foto: Tui

Ein guter IT-Leiter sollte sich von dem Gedanken verabschieden, in jedem Thema perfekt eingearbeitet zu sein: "Das trennt den Leader vom Manager. Ein Leader kann delegieren, ein Manager bleibt eher im Klein-Klein des Tagesgeschäfts hängen", sagt Coach Stauch. Gerade wenn es um Strategiethemen geht, muss ein Entscheider aber den Kopf frei haben. Denn das, rät Stauch Neulingen, dürfen Chefs auf keinen Fall abgeben: "Alles, was mit Strategie zu tun hat, sollte man nicht abgeben", so die Expertin.

Ohne Wasser durch die Wüste?

Mitarbeiter brauchen richtige Unterstützung, ohne die notwendigen Ressourcen geht sowieso nichts: "Ich kann meinen Leuten nicht sagen, geht durch die Wüste und gebe ihnen gleichzeitig zu wenig Wasser mit", sagt Bingler. "Meine Mitarbeiter brauchen die notwendigen Werkzeuge und Kompetenzen, um das Ziel auch erreichen zu können", sagt Bingler. Und das Ziel sollten sie kennen.

Um gut zu delegieren, müssen Entscheider vor allem eines: Klartext reden. Entscheider sollten genau darstellen, was mit der delegierten Aufgabe erreicht werden soll. So hält es auch GUS-Chef Bingler: "Ich gebe keine reinen Anweisungen, sondern versuche darzustellen, was das Ziel der Aufgabe ist", sagt Bingler. "Und ich formuliere klar meine Erwartungshaltung." Dazu gehört, dem Mitarbeiter zu vermitteln, für welches Unternehmensziel die Aufgabe oder das Projekt relevant ist. Wer das Gefühl hat, etwas Sinnvolles zu leisten, ist motivierter.

Mindestens genauso wichtig ist ein detaillierter Zeitplan, meint Coach Stauch. Vor zu viel Planung und Kritteligkeit warnt Chef Bingler jedoch: "Man kann und soll nicht jeden Schritt haarklein vorschreiben. So nimmt man den Leuten die Luft zum Atmen." Ein entspannter Vorgesetzter lässt beim Delegieren Freiräume. Um sicherzugehen, dass der Kollege auf demselben Stand ist, gebe es ein einfaches Rezept, meint Bingler: "Der Mitarbeiter soll in eigenen Worten wiedergeben, wie genau er seine Aufgabe verstanden hat", rät er. "Unklarheiten lassen sich somit direkt ausräumen." Einem Kollegen volle Handlungsfreiheit zu geben, muss nicht immer der richtige Schritt sein: "Nicht alle Mitarbeiter kommen mit zu viel Freiraum klar", sagt Geschäftsführer Bingler. Wie viel man einem Kollegen zutrauen kann, merkt man aber recht schnell.

Regelmäßiges Feedback wichtig

Ein häufiger Fehler im Delegieren sei es, sagt Führungskräftecoach Stauch, dass die Arbeitsschritte zu wenig kontrolliert würden. Ist Delegieren doch nur was für Kontrollfreaks? Nicht doch. "Der Manager muss sich regelmäßig ein Feedback vom Mitarbeiter einholen. Falls der Mitarbeiter die Aufgabe noch nicht ganz richtig umsetzt, kann er ihn rechtzeitig wieder auf die richtige Schiene setzen", sagt Stauch. Zwischen Tür und Angel darf dieser Austausch aber nicht stattfinden. Die Abstimmung braucht Zeit, die sich ein verantwortungsbewusster Chef nehmen sollte.

Immer bleibt das Maß der Kontrolle vom jeweiligen Mitarbeiter abhängig. Erfahrene Kollegen sollte man nicht zu häufig mit solchen Kontrollterminen belasten - sonst verärgert und frustriert ein Chef nur den Kollegen. "Ich habe für längere Projekte und große Themen je einen wöchentlichen Jour Fixe eingerichtet", sagt Geschäftsführer Bingler. Das nimmt die Mitarbeiter allerdings nicht aus der Eigenverantwortung. "Ich erwarte, dass sie sich aktiv melden, wenn sie an einem Problem festhängen", sagt Bingler