Status quo in Sachen WAP-Anwendungen

M-Commerce ist hierzulande noch ein zartes Pflänzchen

30.06.2000
MÜNCHEN (fn) - Noch ist der Internet-Zugriff per Handy unkomfortabel. Dennoch richten Web-Shops, Informationsdienstleister und auch Firmen für die eigenen Mitarbeiter mobile Services ein. Dabei zeigt sich: Der Durchbruch des Mobile-(M-)Commerce wird noch ein Weilchen dauern. Die Nutzer ärgern sich am meisten über die winzigen Displays.

Unzulänglichkeiten des Internet-Zugriffs via Mobilfunktelefon können Unternehmen nicht davon abhalten, Anwendungen zu realisieren, die auf dem Wireless Application Protocol (WAP) basieren. Zu den technischen Einschränkungen zählen die noch geringe Datenübertragungsrate im GSM-Netz von 9,6 Kbit/s sowie die meist winzigen Displays der Endgeräte. Zu diesen Engpässen kommt, dass Internet-fähige Handys noch dünn gesät sind: Im März dieses Jahres besaßen nur fünf Prozent von 505 Mobiltelefonierern ein WAP-Handy, fand das Frankfurter Marktforschungsunternehmen Forit heraus.

Die Zielgruppe ist noch klein, aber sie wächst rasant. Deshalb erlaubt beispielsweise der Online-Buchhändler Booxtra aus Augsburg seinen Kunden bereits, Bücher nicht nur per Browser, sondern auch über das WAP-Handy zu ordern. Mobile Surfer bestellen dabei über ein simples Menü im Display des Telefons die gewünschten Bücher. Die WAP-Ausgabe der Booxtra-Site bietet Links auf bestimmte Buchkategorien, wie zum Beispiel "Computer und Internet" oder "Lifestyle und Reisen". Auch die Suche nach Literatur wurde so abgespeckt, dass der Nutzer nicht hunderte von Zeilen scrollen muss. Statt einer Stichwortsuche steht ihm nur die Recherche nach dem Autor, dem Titel sowie der ISBN-Nummer zur Verfügung. Lästige Tipparbeit und natürlich auch Verbindungsgebühren erspart sich der WAP-User außerdem, wenn er sein Kundenprofil bereits via Desktop-Internet-Zugang eingegeben hat, so dass die Lieferadresse bei Booxtra vorliegt. Alternativ dazu kann er sein Kundenkonto auch telefonisch von einem Servicemitarbeiter anlegen lassen und kommt so ganz ohne Computer aus. Allerdings dürften wenige diese Variante bevorzugen.

Der Internet-Buchladen betreibt für seine mobilen Kunden einen eigenen Web-Server. Bestellungen werden von dem selben System verarbeitet, das auch die Käufer am Web-Browser bedient.

Nach Angaben von Booxtra ordern derzeit täglich nur durchschnittlich fünf Kunden ein Buch via WAP. Aus Sicherheitsgründen können sie nur per Rechnung bezahlen. Da das System im Gegensatz zum Booxtra-Web-Shop über keine Verschlüsselungsfunktion verfügt, lässt der Anbieter Kreditkartentransaktionen nicht zu. Prinzipiell gibt es eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für WAP-Transaktionen, und zwar über Wireless Transport Layer Security (WTLS). Dies setzt allerdings den Betrieb eines eigenen Gateways voraus. Ein solches System betreibt Booxtra jedoch nicht.

Statt dessen verwendet der Online-Shop für das WAP-Business die bei den Netzbetreibern installierten Gateways als Schnittstelle zwischen dem Internet und den Mobilfunknetzen.

Über neue Bezahlverfahren, etwa das Handy-basierte Paybox-System des Herstellers Paybox.net, denken die Augsburger zwar nach, konkrete Pläne gibt es allerdings noch nicht. Generell scheint der Shop-Betreiber sein WAP-Angebot als Instrument zur Kundenbindung zu betrachtet und nicht denn als Alternative zum Web-Shop. Das Unternehmen will künftig den mobilen Netzzugang verstärkt für die Verbreitung von Informationen rund um den Buchverkauf ausbauen, um so beispielsweise Sonderangebote anzupreisen. Außerdem plant Booxtra einen personalisierten WAP-Service, bei dem der Handy-Kunde auf sein Profil abgestimmte Hinweise zu Literatur erhält.

Der Online-Shop Booxtra zählt zu den mobilen Diensten, die WAP für das Verarbeiten von Transaktionen einsetzen. In diesem Segment gehören Banken zu den Aktivposten. Dies verwundert nicht: Laut der Forit-Umfrage wollen nämlich 66 Prozent der potenziellen M-Commerce-Kunden künftig Bankgeschäfte per Handy erledigen. So will Comdirect ab Herbst dieses Jahres WAP-Nutzern den Kauf und Verkauf von Wertpapieren ermöglichen. Als Renner bei den WAP-Handybesitzern haben die Marktforscher für die Zukunft jedoch den Verkauf von Eintrittskarten ausgemacht: So wollen 74 Prozent der Befragten ihr Veranstaltungsticket lieber über ihr intelligentes Telefon bestellen als an der Kasse zu warten.

Die Mehrheit der heute angebotenen Services für Mobilfunktelefone sind jedoch reine Informationsdienste. So beliefern einige Sites die Handy-User lediglich mit Börsennews oder Sportnachrichten und reizen die Fähigkeiten des drahtlosen Kommunikationsprotokolls nur zu einem kleinen Teil aus. Andere, wie beispielsweise die Clever Tanken GmbH aus Nürnberg (www.clever-tanken.de), setzen auf die Dialogfähigkeit von WAP: Seit Februar dieses Jahres betreibt die Firma zusätzlich zu ihrem Internet-Angebot einen Informationsdienst für Autofahrer mit Netz-Handy. Der Kunde gibt, wenn er unterwegs ist, den Ortsnamen oder die Postleitzahl ein, in der er sich gerade befindet und erhält dann von drei Tankstellen im Umkreis die aktuellen Preise für Benzin und Diesel. Nach Angaben des Diensteanbieters rufen täglich rund 100 WAP-Nutzer Informationen ab. Die Spritpreise stellen 6250 Preismelder in die Datenbank. Es handelt sich dabei um Privatpersonen, die, ähnlich wie Staumelder bei Rundfunksendern, regelmäßig Informationen abliefern. Als Aufwandsentschädigung erhalten sie eine Tankfüllung. Bis Ende des Jahres sollen 25000 Benzinpreisagenten im Auftrag für Clever Tanken bundesweit spionieren. Zunehmend klinken sich auch die Tankstellen ein und übermitteln selbst ihre aktuellen Preise an die Online-Datenbank. Mussten die Melder bisher die Daten am PC mittels Web-Browser eingeben, so sollen sie dies in zwei bis drei Monaten auch über ihr WAP-Handy erledigen können.

Noch kostet der Abruf der Informationen den Handy-Surfer nichts - von von Mobilfunkgebühren einmal abgesehen. Das soll sich bald ändern: Clever Tanken verhandelt mit Mobilfunknetzbetreibern über ein Verfahren zum Einzug von Gebühren. Künftig muss der automobile Schnäppchenjäger für jede Auskunft zahlen, wobei der Betrag von dem Netzbetreiber über die Rechnung abgebucht und an Clever Tanken weitergeleitet wird. Ob es sich dann noch lohnt, diesen Dienst zu benutzen, ist also fraglich.

Wie Clever Tanken realisierte auch Siemens ein intelligentes Auskunftssystem auf WAP-Basis, jedoch nicht für jedermann, sondern für die eigenen Mitarbeiter. Der Konzern richtete mit "Dir X WAP" einen Handy-Zugang auf das Firmenverzeichnis ein. Statt in Mitarbeiterlisten aus Papier zu stöbern oder die Telefonzentrale zu bemühen, können sich Siemensianer den gewünschten Teilnehmer per WAP selbst heraussuchen.

Handy als KommunikationszentraleIn sein Mobiltelefon gibt der Nutzer den Namen eines Angestellten ein und erhält dann von einem zentralen Server die Abteilungsbezeichnung, die Telefon- und Fax-Nummer sowie die E-Mail des Kollegen auf sein Display. Die Applikation wurde mit einem Unified Messaging Server gekoppelt, was den WAP-Nutzer in die Lage versetzt, über sein Telefon einen Anruf zu tätigen, eine Kurznachricht per Short Message Service (SMS) zu versenden sowie dem Kollegen ein Fax oder eine E-Mail zukommen zu lassen.

Mit den übermittelten Zeilen wird das Display des Handys fertig. Damit hat die Anwendung die höchste Akzeptanzhürde bei WAP-Anwendungen genommen, denn in der Forit-Umfrage nannten 63 Prozent der Mobilfunknutzer die zu kleinen Bildschirme der Telefone als Grund dafür, sich dem Internet zu verweigern. 42 Prozent scheuen die Verbindungskosten, doch erstaunlicherweise führt nur etwa ein Fünftel die geringe Übertragungsrate als Argument gegen das mobile Surfen an.

Abb: Mobiltelefonierer wollen vor allem Massenware per Handy ordern. Quelle: Forit