US-Beratungshaus testet zehn Wireless-Applikations-Server

M-Business: Plattformen statt Werkzeuge

24.08.2001
MÜNCHEN (fn) - Mit Wireless-Applikations-Servern können Firmen ihren Mitarbeitern einen mobilen Zugang zu Firmendaten und Anwendungen einräumen. Spex, eine auf Produkttests spezialisierte Division des Beratungshauses Meta Group, hat zehn Systeme begutachtet und deren Stärken und Schwächen offen gelegt.

Vor nicht allzu langer Zeit betrachteten Marktforscher das Thema M-Business als neuen Stern am Firmament. Doch der Fixstern war in Wirklichkeit ein Komet, der nur kurz aufleuchtete und dann wieder verschwand. Nun wartet die Branche auf seine Wiederkehr. Andere Beispiele für die Kurzlebigkeit von Hypes: WAP; trotz üppig verteilter Vorschusslorbeeren konnte sich die Technik bisher kaum durchsetzen. Und die Verbreitung von PDAs inklusive Zugangstechnik für Mobilfunk lässt ebenfalls noch auf sich warten.

Firmenkunden im VisierUngeachtet dieser Flaute entwickeln Anbieter von Wireless-Software ihre Produkte weiter. Sie setzen dabei nicht mehr nur auf Site-Betreiber, die private Konsumenten mit mobilen Diensten beglücken wollen. Vielmehr richten sie sich an Firmen, die ihren Mitarbeitern einen Remote-Zugriff auf ihre E-Mails, Kalender, Dokumente und Datenbanken bieten möchten. Doch in puncto Erfolgsaussichten melden Branchenexperten auch hier Zweifel an. "Das sind zwar nette Devices, doch der Produktivitätsgewinn ist nicht ersichtlich", meint zum Beispiel Charles Homs, Senior Analyst des Marktforschungsunternehmens Forrester Research BV in Amsterdam.

Deshalb sind einige Hersteller inzwischen dazu übergegangen, das Thema, Business ganzheitlich anzugehen, nicht zuletzt aufgrund der Annahme, dass Anwender in absehbarer Zukunft nicht um die "Mobilisierung" von Geschäftsprozessen herumkommen. Statt nur einzelne Tools, beispielsweise zum Umwandeln von HTML-Inhalten in die für WAP-Telefone verständliche Wireless Markup Language (WML), offerieren einige Player umfangreiche Wireless-Applikations-Server, mit denen Firmen mobile und Web-Nutzer gleichermaßen bedienen können sollen.

Unterstützung vieler EndgeräteAnwenderunternehmen, die ihren Mitarbeitern den mobilen Zugriff auf Firmeninformationen gewähren wollen, sehen sich mit der Herkulesaufgabe konfrontiert, eine Vielzahl von Endgeräten bedienen zu müssen - so weit sie nicht die Benutzung eines bestimmten Produkts für diesen Zweck vorschreiben. Dabei geht es nicht nur um WAP-Services oder den Versand von SMS-Nachrichten, sondern auch um das Aufbereiten von Anwendungen und Inhalten für Endgeräte, die mit PDA-Betriebssystemen wie Palm OS und Pocket PC arbeiten. Mit Letzteren surft der Nutzer dank eingebautem Browser im Netz. Die Bonsai-Rechner verfügen zudem über Synchronisationsfunktionen, um Content, E-Mails, Kalendereinträge oder Datenbankinformationen offline zu lesen, nachdem diese zuvor über eine Mobilfunkverbindung oder eine Docking-Station vom stationären Rechner geladen wurden. Darüber hinaus entwickeln Unternehmen spezielle Smart-Client-Anwendungen, die direkt auf dem PDA laufen. Der Administrator benötigt deshalb Tools, um die Kleinrechner mit diesen Applikationen zu versorgen und gleichzeitig die Konfiguration des jeweiligen Geräts abzufragen. Ein Problem dabei ist, dass Thin Clients, etwa WAP-Telefone, im Gegensatz dazu nicht über eine Betriebssystem-Software verfügen, die mit denen der PDAs vergleichbar wäre.

Wireless-Plattformen einzurichten, die all dies leisten, erfordert Zeit und Geld. Nach Ansicht der Meta Group vermögen Wireless-Applikations-Server die Entwicklungsdauer von mobilen Online-Services zu reduzieren. Der Grund: Sie lassen sich mit bestehenden Anwendungen im Unternehmen verbinden und verfügen zudem über ausgefeilte Programmierwerkzeuge, die eine Vorschau auf die Inhalte der jeweiligen Zielplattform erlauben.

Spex, eine auf das Testen von Web-basierter Software spezialisierte Abteilung der Meta Group, hat zehn solcher Wireless-Applikations-Server unter die Lupe genommen (siehe Kasten "Testkandidaten"). Zwar arbeiten auch einige Hersteller "klassischer" Applikations-Server, etwa IBM, Bea und Iplanet, an Wireless-Zusätzen für ihre Produkte, doch laut Meta Group verfügen diese Ansätze nicht über die Funktionstiefe der getesteten dedizierten Systeme. Dafür können die Traditionalisten eine größere Stabilität als Vorteil für sich verbuchen, heißt es im Spex-Bericht.

Unterschiedliche AnsätzeApropos Vorteile: Einen eindeutigen Sieger förderte der Spex-Test nicht zutage. In der Bewertungszusammenfassung erscheinen die Unterschiede zwischen den Produkten oft eher marginal. Allerdings setzen die genannten Softwarefirmen unterschiedliche Schwerpunkte. Zudem sind nicht alle mit eigenen Niederlassungen in Deutschland vertreten.

Zu den Herstellern mit Büro in Deutschland zählt 724 Solutions. Die Firma hat sich als Anbieter von mobiler Web-Software für den Finanzbereich einen Namen gemacht und versucht nun mit dem durch Spex begutachteten Produkt "Wireless Internet Platform 2.0" (WIP), ihren Kundenstamm auf andere Branchen auszuweiten. WIP unterstützt neben der Spezifikation WAP 1.2 eine Reihe weiterer Techniken wie etwa das Wireless Transaction Protocol (WTP), verbindungsloses und verbindungsorientiertes Wireless Session Protocol (WSP). Darüber hinaus verschickt WIP auch SMS-Nachrichten. Neben der Auszeichnungssprache WML beziehungsweise WML-Script lassen sich Inhalte in der Handheld Markup Language (HDML) aufbereiten, die dann von HTML oder XML in das jeweilige Zielformat umgesetzt werden können. Auch Web-Nutzer kommen zu ihrem Recht, denn die Server-Software bedient HTTP-Requests.

SkalierbarkeitFür die Integration von Inhouse-Anwendungen sieht der Anbieter Java-Servlets und Corba vor. Über die unterstützten Betriebssysteme können sich Anwender nicht beklagen, läuft WIP doch auf einer Reihe von Unix-Derivaten, Linux sowie Windows NT. Spex lobt darüber hinaus die Skalierbarkeit des Systems sowie die Funktionen für Lastverteilung und Failover.

Minuspunkte zog sich 724 Solutions zu, da WIP zwar SMS sowie Messaging-Standards wie Imap und SMTP unterstützt, Nachrichten sich aber nicht an Faxapparate, Voice-Mail-Systeme oder Instant-Messaging-Clients weiterleiten lassen. Zudem bemängeln die Tester das Fehlen von diversen System-Management-Funktionen, über die eine Firma beispielsweise Software an PDAs verteilen beziehungsweise die Konfiguration einzelner Geräte abrufen kann.

Integration groß geschriebenDie Sybase-Tochter Ianywhere hat mit "M-Business Studio" einen Wireless-Applikations-Server herausgebracht, der sich vor allem an Unternehmen richtet, die für Mitarbeiter mobile Anwendungen bauen wollen. In puncto Integration mit Backend-Systemen nimmt die Software dem Benutzer viel Arbeit ab - nicht zuletzt natürlich deshalb, weil die Lösung den Applikations-Server "Easerver" enthält, der sowohl J2EE als auch Corba und COM unterstützt. Wireless-Nutzer bedient der Wireless-Server direkt, Web-Anwender leitet er über einen Redirector auf einen externen Web-Server um. Dies dient offenbar nur der besseren Lastverteilung, denn dasProdukt beinhaltet auch einen eigenen HTTP-Server.

Ianywhere liefert Module zur Anbindung an Lotus Notes, die CRM-Produkte von Siebel und Vantive sowie Mainframe-Applikationen und -Datenbanken mit. Optional erhält der Anwender vom Hersteller Konnektoren für SAP R/3 sowie Software von Peoplesoft und J.D. Edwards.

SoftwareverteilungAn Endgeräten unterstützt M-Business Studio von Haus aus Handys, die den Phone.com-Browser verwenden, sowie PDAs mit Betriebssystemen wie Palm OS, Pocket PC und Epoc. Um WAP-Telefone bedienen zu können, bindet Ianywhere entsprechende Gateways ein. Mit dem jüngst vorgestellten Zusatzprodukt "Mobile Manager" können Firmen nun auch Anwendungen, Dateien und Patches auf diese Kleinstrechner verteilen. Der Hersteller reagierte damit auf Kritik von Spex, die genau dieses Feature betraf.

Zu bemängeln hat Spex aber weiterhin das umständliche Einfügen neuer Endgeräte. Dies ist erforderlich, damit der Wireless-Server Inhalte an die Display-Eigenschaften der Devices anpassen kann. Der Administrator muss das Device manuell im Server anlegen, da dem Produkt entsprechende Update-Funktionen fehlen. Noch gravierender ist der Nachteil, dass der Wireless-Server weder die Bandbreite noch das Modell des jeweiligen Endgeräts zu erkennen vermag, was nach Ansicht der Tester die Personalisierung von Inhalten erschwert.

Auch Sybase-Konkurrent Oracle entwickelte einen Wireless-Aufsatz für seinen Applikations-Server. Der "Oracle 9i Applicaton Server Wireless Edition" bietet Entwicklern mit der hauseigenen Sprache Mobile XML vielfältige Möglichkeiten, Web-Anwendungen für mobile Endgeräte anzupassen, lautet das Resümee von Spex. Die so entwickelten Applikationen kann der Nutzer über den kostenlosen Web-Service "Oraclemobile Online Studio" testen. Oracles Offerte unterstützt gängige PDA-Betriebssysteme und WAP-Browser. Gut gelungen ist dem Datenbankhersteller laut der Spex-Analyse die Implementierung der für Sprachanwendungen entwickelten Auszeichnungssprache Voice XML.

KirchturmpolitikDoch Oracle betreibt mit seinem Produkt Kirchturmpolitik: Nur die hauseigene Datenbank wird unterstützt, und auch die mit dem Server realisierbaren Offline-Funktionen beschränken den Entwickler auf Oracle 9i Lite, eine abgespeckte Version des Kernprodukts für den Betrieb in Endgeräten.

Ganz anders sieht dies bei Avantgos "M-Business Server" aus: Der Hersteller integriert eine Reihe von Fremdprodukten. So liefert er spezielle Mobile Engines für Lotus Notes oder Exchange aus, über die beispielsweise Palm-Nutzer auf E-Mails und Kalender zugreifen können, und zwar entweder online über eine Mobilfunkverbindung oder offline, indem der Anwender sich zuvor die Daten per Synchronisation auf sein Endgerät geladen hat. Mit einem ähnlichen Modul lassen sich Web-Anwendungen auf die PDA-Oberfläche bringen. Laut Hersteller verfügt das System über Warteschlangenmechanismen, so dass der Ipaq- oder Palm-Anwender offline Web-Transaktionen auslösen kann, die dann beim nächsten Verbindungsaufbau verarbeitet werden.

Client vorgeschriebenWas dem Produkt fehlt, sind laut Spex Voice-XML-Funktionen sowie Entwicklungswerkzeuge. Programmierer müssen sich daher mit einer API begnügen. Ferner basieren alle Anwendungen auf dem Avantgo-Client. Der läuft zwar auf Palm OS, Pocket PC und Blackberry Wireless Handhelds, jedoch nicht auf WAP-Telefonen.

Eine Richtschnur für die Auswahl eines Wireless-Applikations-Servers gestaltet sich nach den Erfahrungen von Spex schwierig, nicht zuletzt wegen der Bewegung am Markt: sei es durch Übernahmen oder durch die wirtschaftliche Situation, die einige Player zur Aufgabe zwingen werden. Neben den begutachteten Produkten sollten Unternehmen auch die traditionellen Applikations-Server-Anbieter im Auge behalten, da diese die mobilen Funktionen ihrer Plattformen weiter ausbauen.

Testkandidaten-Adaptive Performance Suite (Alterego Networks),

-Aether Fusion Components (Aether),

-Avanto 4.0 M-Business Server (Avantgo),

-Brience 3.0 Framework (Brience),

-Echo (Wireless Knowledge),

-Ianywhere Wireless Studio (Sybase-Tochter Ianywhere),

-Oracle 9i Application Server Wireless Edition (Oracle),

-Orsus Uno (Orsus),

-Mobile Internet Platform (Air2web),

-Wireless Internet Platform (724 Solutions).

BeurteilungsmethodeNach folgenden Kriterien hat Spex die Wireless-Applikations-Server abgeklopft:

System-Management und Administration - darunter versteht Spex etwa das Monitoring des Servers. Hier konnten Avantgo und Oracle punkten.

Load Balancing und Failover - Air2web und 724 Solutions lieferten hier gute Werte, auch wenn sie nicht ganz an die Zuverlässigkeit traditioneller Applikations-Server heranreichen.

Datenbankunterstützung - sowohl der Support von Backend- als auch Client-Datenbanken (etwa "Oracle Lite", "Sybase Ultralite" oder Palms "Pdb") für PDAs wurden unter die Lupe genommen. Ianywhere schnitt hierbei besonders gut ab.

Backend-Integration - Anbindung von E-Mail und Groupware, CRM-Software sowie Web-Applikationen. Viele Konnektoren liefert Orsus, andere stützen sich oft nur auf APIs.

Thin-Client-Unterstützung - gemeint sind Funktionen etwa für WAP-Telefone, sprich Endgeräte ohne eigenes Betriebssystem. Hier machte vor allem Brience wegen der komfortablen Möglichkeiten, neue Devices einzurichten, eine gute Figur.

Smart-Client-Unterstützung - etwa Softwareverteilung und Inventarisierung. Hier stach Avantgo mit guten Features hervor.

Frontend-Entwicklung - Tools zum Erstellen von Browser-basierten Anwendungen für Thin Clients, zum Beispiel WAP-Handys, sowie Anwendungen für PDA-Betriebssysteme. Einige Anbieter liefern eigene Entwicklungspakete aus, andere stützen sich auf Applikations-Server von Drittherstellern. Brience beispielsweise bietet ein Tool zur Entwicklung sowohl von Web- als auch Smart-Client-Anwendungen an.

Offline-Funktionen - dazu zählen Mechanismen zur Datensynchronisierung sowie Warteschlangen für Transaktionen. Ianywhere lieferte bei diesem Punkt gute Ergebnisse.

Messaging-Funktionen - Unterstützung von E-Mail-Systemen (Imap, SMTP, SMS und Instant Messaging), Funktionen zum Weiterleiten von Nachrichten an Faxgeräte, Drucker oder Voice-Mail-Systeme. Hier zeigte das Produkt von Avantgo seine Stärken.

Sicherheit - beim Zugriff auf Unternehmensdaten ist die Verschlüsselung Pflicht. Meist begnügen sich die Anbieter mit Kryptofunktionen auf dem Server, nur wenige bieten solche Features auch für Clients an. Einen Sieger in dieser Kategorie konnte Spex nicht nennen.

Abb: Kundendienstanwendung auf dem PDA

Statt mit dem Laptop macht sich der Servicetechniker mit einem Palm auf den Weg zum Kunden. Quelle: Nach einer Vorlage von Brience Inc.