Was Informatiker antreibt

Lust auf Innovation

11.11.2012
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.

Niels Fallenbeck, Fraunhofer

Nie wieder Forschung, dachte Niels Fallenbeck, als er seine Promotion in Informatik an der Universität Marburg abgeschlossen hatte: "Als Akademiker lebt man in einer Blase, losgelöst von der realen Welt." Also entschied er sich für eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, war aber nach zwei Monaten "geläutert". Seine Aufgabe, IT-Systeme zu prüfen, hatte mit seinen Schwerpunkten Grid Computing, verteilte Systeme und Virtualisierung wenig zu tun. So bewarb er sich initiativ beim Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit (Aisec) in Garching, das 2009 gegründet wurde und seitdem stark wächst. Schnell erhielt er eine Zusage und wusste, dass er sein "Optimum" gefunden hatte: "Ich will Dinge ausprobieren und entwickeln können. Forschung im Auftrag von Unternehmen, wie sie die Fraunhofer-Institute machen, ist eine gesunde Mischung."

Niels Fallenbeck, Fraunhofer Aisec, informiert oft auf Messen über Cloud Computing.
Niels Fallenbeck, Fraunhofer Aisec, informiert oft auf Messen über Cloud Computing.
Foto: AISEC

Fallenbeck spornt es an, reale Probleme zu lösen. Als Verantwortlicher für Cloud Computing redet er oft mit mittelständischen Firmen, die Cloud Computing nutzen wollen, aber nicht wissen, was dahintersteckt. Wer kauft es? Wie teuer ist die Lösung? Solche Fragen muss sich Fallenbeck als Forscher, der seine Blase verlassen hat, heute stellen. "Das ist auch gut so, so lernt man wirtschaftliches Denken", sagt der 33-Jährige. Zu seinen Aufgaben gehört es, bestehende Kunden zu betreuen und neue zu gewinnen. Darum ist er oft auf Messen oder Veranstaltungen der IHK zu Gast, um über Cloud Computing zu referieren. Auch an der benachbarten TU München, zu der das Aisec enge Beziehungen unterhält, hat Fallenbeck schon Seminare abgehalten. Zudem lotet er aus, welche Fördermöglichkeiten es für die Projekte gibt, und schreibt Projektentwürfe, um die finanzielle Unterstützung zu gewinnen.

Sein fachliches Wissen kann Fallenbeck nahtlos einsetzen, die praxisbezogene Forschung lässt ihm Spielräume, die er in der Industrie vermisst hat: Er kann seine Arbeit mitgestalten und auch zeitlich flexibel einteilen. Dafür nimmt er in Kauf, dass er nur einen befristeten Vertrag hat und nicht so große Gehaltssprünge wie in der Industrie machen kann: "Freiheit ist mir wichtiger als viel Geld."

Veneta Dobreva, BMW

Fragt man Veneta Dobreva, warum sie sich bei BMW beworben hat, braucht die promovierte Informatikerin nicht lange zu überlegen. Ja, natürlich habe sie Beste-Arbeitgeber-Rankings verfolgt, in denen der bayerische Autobauer stets auf den vorderen Plätzen lag. Entscheidend war ihr Wunsch, dass sie das, was sie programmiert, auch sehen kann. Hier bietet das Auto den idealen Rahmen, findet Dobreva: "Software im Auto ist ein recht neues Thema und wird immer wichtiger. Da will man als Entwickler dabei sein und mitgestalten."

Veneta Dobreva, BMW: "Im Auto kann ich sehen, was ich programmiere."
Veneta Dobreva, BMW: "Im Auto kann ich sehen, was ich programmiere."
Foto: BMW

Eine Erwartung, die sich für die 29-Jährige nach ihrer Promotion an der TU München mit dem Jobstart bei BMW erfüllt hat. Mit einem Team aus Softwareentwicklern arbeitet Dobreva am Projekt "Energie-Management im Auto". Dort regulieren die Softwareentwickler etwa, ob die Sitzheizung den Strom von der Autobatterie oder einer anderen Erzeugerquelle bezieht. Dobreva erstellte ein Test-Framework, mit dem sich Tests für die einzelnen Softwaremodule schreiben lassen. "Bei uns hat das Testen einen sehr hohen Stellenwert, schließlich geht es immer um die Sicherheit des Autofahrers. Bei 180 Stundenkilometern auf der Autobahn darf kein sicherheitskritischer Softwarefehler auftreten." Im zweiten Schritt überprüft die Entwicklerin im Testfahrzeug, ob die Software funktioniert.

Eine Software zu strukturieren, zu entwickeln und gut zu dokumentieren hat Dobreva während ihres Studiums verinnerlicht, so dass sie die im Hörsaal erworbenen Kenntnisse in der Praxis umsetzen kann. Anders verhält es sich in Sachen Kommunikation. "Viele Funktionalitäten werden nicht von Fahrzeugentwicklern festgelegt. Die Herausforderung für die Softwareentwickler ist es, diese Spezifikationen in Alghorithmen zu übersetzen." Dobreva selbst gehört nicht zu den Informatikern, die sich hinter Codezeilen verstecken: "Informatiker sollten sich so ausdrücken, dass die anderen sie verstehen." Gerade in Konzernen wie BMW sei es wichtig, zu kommunizieren. Einzelgänger stießen schnell an ihre Grenzen.