Maßstab Customer-Relationship-Management

Lufthansa Passage erfindet ihre IT neu

01.02.2002
FRANKFURT/M. - Die Berufung von Christoph Ganswindt zum Senior Vice President Information Management ist eine Klappe, mit der Lufthansa Passage gleich zwei Fliegen schlägt: Der ehemalige Viag-Interkom-CIO soll die IT-Ressourcen bereichsübergreifend rationalisieren und gleichzeitig die Systeme auf das Customer-Relationship-Management (CRM) ausrichten. CW-Bericht, Karin Quack

Abgesehen von der Sicherheit dreht sich bei den Passagierfluglinien alles um zwei Themen: konkurrenzfähige Preise und loyale Kunden. Erstere setzen eine strikte Kostenkontrolle voraus. Auch bei der Lufthansa Passage Airline (LH Passage) ist deshalb Sparen angesagt. Der 30000 Mitarbeiter starke selbständige Konzernbereich vereint unter seinem Dach alle Passagierflug-Aktivitäten der Deutschen Lufthansa und steuerte im Geschäftsjahr 2000 mit einem Umsatz von knapp zehn Milliarden Euro zwei Drittel zu den Gesamteinnahmen des "Aviation-Konzerns" (Lufthansa-Eigenwerbung) bei.

Zentrales IT-ManagementObschon die AG in Gestalt von Bernd Voigt einen Konzern-CIO installiert hat, pflegen die Konzernbereiche - neben der LH Passage sind hier vor allem die Lufthansa Cargo und die Lufthansa Technik zu nennen - eine eigenständige IT-Kultur. Und das soll mittelfristig auch so bleiben.

Doch auf der Konzernbereichs-Ebene ändert sich derzeit einiges: Die IT-Ressourcen der LH Passage waren bis zum Ende des vergangenen Jahres direkt den Vorstandsressorts Flight Operations, Produkt und Service, Marketing und Netz-Management sowie Vertrieb zugeordnet. Diese stark dezentrale Organisation hat sich offenbar nur so lange bewährt, bis die fachbereichsinternen Rationalisierungspotenziale ausgeschöpft waren. Um die IT-Unterstützung noch kostengünstiger und effizienter zu gestalten, fasst LH Passage jetzt die einzelnen IT-Bereiche unter einem zentralen Informations-Management zusammen. Die IT-Manager berichten ab sofort an den frisch gebackenen Vice President Information Management - auch wenn sie wegen der Verzahnung mit den Fachbereichen nach wie vor an den jeweiligen Vorstandssitzungen teilnehmen.

Mit der Einrichtung einer Linienfunktion für die Informationstechnik geht eine Neugestaltung der IT-Landschaft einher, die sich bereits im vergangenen Jahr angebahnt hat. Als Ganswindt im Mai 2001 zur Lufthansa Passage kam, war er als Programm-Manager für die umfangreiche Projektpalette im Bereich Customer-Relationship-Management/Customer-Relationship-Technology (CRM/CRT) verantwortlich. In einem Teilprojekt unternahm es der damals 38-Jährige, die künftige IT-Architektur der Lufthansa Passage "aus dem Innovationstreiber CRM heraus", so seine Formulierung, neu zu definieren. Nach dem Vorbild der Telefongesellschaften will der Informations-Manager, der zuvor ähnliche Positionen bei der Deutschen Telekom und bei Viag Intercom innehatte, in den kommenden drei Jahren integrierte Systeme schaffen, die straff auf die Kundengewinnung und -pflege ausgerichtet sind.

Über die Ressortgrenzen hinwegAuf der Tagesordnung stehen Punkte wie Einsatz von Corba-basierender Middleware für die Enterprise Application Integration (EAI), Einführung von "Peoplesoft CRM 8" (laut Ganswindt vor allem wegen der im Vergleich zu SAP oder Siebel "kundenfreundlicheren" Lizenzpolitik) und Ausbau der Data-Warehouse-Landschaft. Die neue Architektur umzusetzen heißt, Prozesse und IT-Systeme über die Grenzen der Fachressorts hinweg zu vernetzen und zu verbessern - ein Vorhaben, das sich mit starker zentraler Koordination vermutlich leichter bewerkstelligen lässt.

Nach Ganswindts Überzeugung verleiht die angepeilte "Zielarchitektur" nicht nur der Informationstechnik mehr Schlagkraft, sondern sie hilft dem Unternehmen auch, seine IT-Kosten einzudämmen, die einen Euro-Betrag im mittleren bis hohen dreistelligen Millionenbereich ausmachen. Zudem will der jüngere Bruder des Siemens-ICN-Chefs Thomas Ganswindt die "Fertigungstiefe" der Passage-IT neu ausloten und gegebenenfalls weitere Aufgaben an den 1995 ausgegliederten konzerneigenen IT-Dienstleister LH Systems delegieren. Dass auf diesem Wege einige der 360 internen IT-Fachleute zum Schwesterunternehmen abwandern, sei nicht ausgeschlossen.

Bei LH Passage verbleiben sollen hingegen vier der bislang fünf IT-Manager: Günter Friedrich zeichnet für die Vertriebs- und Produktionssysteme verantwortlich, Marcus Frenz für Planung und Steuerung, Kaspar Pfeifer für das Qualitäts- und Jürgen Starck für das Betriebs-Management. Ricardo Diaz Rohr, der bis zum Jahresende als Primus inter pares die IT-Bereiche der LH Passage koordinierte, wechselte in die CIO-Position der Konzernschwester Lufthansa Cargo AG.

Jobrotation im KonzernDer Sohn eines spanischen Vaters und einer deutschen Mutter übernahm den CIO-Titel von Ludwig Abeltshauser, der wiederum in das Management der Lufthansa-Systems-Tochter Airline Systems (AS) einstieg. Mitte vergangenen Jahres hatte LH Cargo mit dem hauptsächlich auf Prozessberatung und Systemintegration spezialisierten IT-Dienstleister einen "Exklusivvertrag" geschlossen: LH Systems AS soll "langfristig" für alle IT-Projekte des FrachtCarriers geradestehen.

Das entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie: Bei LH Passage hatte Diaz Rohr seinerzeit versucht, die Bindung an LH Systems ein wenig zu lockern (siehe CW 18/98, Seite 85: "Unterm Strich ein Misstrauensantrag"). Jetzt könnte er nicht nur miterleben, wie Ganswindt die Passage-IT noch enger mit dem konzerneigenen Systemhaus verknüpft, sondern er selbst wird wohl längere Zeit mit einem Exklusiv-Dienstleister leben müssen, den er nicht einmal selbst beauftragt hat.