Den Personal Computern macht vor allem die Kompatibilität nach oben zu schaffen:

Lücke zwischen Mikros und Bürorechnern

06.11.1981

Die Preisgrenze zwischen Mikrorechnern und der Mittleren Datentechnik (MDT) ist längst verwischt. Heute schon kosten professionell ausgestattete Personal Computer zwischen 15 000 und 25 000 Mark. In diesem Bereich treffen sie auf die kleinsten Vertreter der Bürocomputer. Der kleine Unterschied liegt, wie so oft, in Software und Service.

Als typische Einplatzsysteme sieht Hans Geuhs, Leitung Markt- und Systemforschung der Honeywell Bull AG, die Mikrocomputer an. Zwar gebe es mittlerweile mehrplatzfähige Betriebssysteme wie MP/M, doch sei hier der erforderliche "Background" bei der Hardware noch nicht vorhanden. An dem im Mikrobereich recht verbreiteten Betriebssystem CP/M bemängelt der Kölner nicht unwesentliche Beschränkungen. So seien beispielsweise nur 8 MB externe Plattenkapazität ansteuerbar. Auch könne man nicht einmal ansatzweise index-sequentielle oder mehrfach-indizierte Speichermethoden erkennen.

Die traditionellen Bürocomputer hätten es da leichter. Ausgerüstet mit genügend Standardsoftware, echter Mehrplatzfähigkeit sowie meistens funktionierender HerstelIerunterstützung, setzten sie sich von ihren Mikro-Konkurrenten, die in den meisten Fällen über den Ladentisch verkauft werden, deutlich ab, meint der Kölner Groß-DV-Mann. Doch ein viel wichtigerer Grund konnte den Anwender von vornherein "auf den Bürocomputer bringen". Es hapert bei den Mikros mit der Kompatibilität. Dies gilt nicht nur für einen Hersteller wie Kienzle, der den Kontron-Mikro Psi 80 unter der Bezeichnung 9010 vermarktet, aber keinen kompatiblen Aufstieg zu den anderen Modellen der 9000er-Familie bieten kann. Auch zwischen Triumph-Adlers Alphatronic und der daran anschließenden Serie 1600 klafft eine Lücke. Schließlich müssen Honeywell-Bull-Anwender, umlernen, falls sie beim "Questar"-Mikro an die Kapazitätsdecke stoßen. Alle traditionellen DV-Hersteller, die sich jetzt auch im Personal Computer-Feld betätigen, sind sich freilich prinzipiell über dieses Problem im klaren. Echte Lösungen zeichnen sich indes nur zaghaft ab. Ein Schritt in diese Richtung mag der Wang-Schreiber sein, der seit neuestem auch unter CP/M, und somit als Mikrocomputer, arbeiten kann. Es ist anzunehmen, daß das Unternehmen mit dieser Neuerung eine durchgehende Kompatibilität im Auge hat.

Nach Ansicht der bisher MDT-Anlagen produzierenden Industrie eignen sich Mikrocomputer zur Zeit bestenfalls für Spezialaufgaben wie in Schulen, wo eine Aufrüstbarkeit nicht zwingend notwendig erscheint. Eine Fertigungssteuerung, die ohnehin nicht von heute auf morgen zu implementieren ist, bringt einen Kleinrechner eben an seine Grenzen.

Die Zeit der Mittleren Datentechnik ist vorbei

Jürgen Hartwich, geschäftsführender Gesellschafter der Orgasoft GmbH, Niedereschach, hat für derlei Argumente nicht allzuviel übrig. Bis vor rund einem Jahr habe es zwar für Personal Computer das Problem gegeben, mit umfangreichen Programmen an der Speicherkapazität gescheitert zu sein. Doch könnten mittlerweile soviel Plattenspeicher angeschlossen werden (10 MB), daß jetzt auch Software für Auftragsbearbeitung, Lohn und Gehalt oder Fakturierung keine Schwierigkeiten mehr mache.

Die Zeit der Mittleren Datentechnik ist vorbei, meint Hartwich, und prophezeit: "Im Bereich der dezentralen Datenverarbeitung wird auch der Personal Computer Fuß fassen." Daß ehemalige MDT-Unternehmen jetzt auch Personal Computer vertreiben, hat nach Ansicht der Niedereschacher Softwarespezialisten den Grund, in jedem Fall im Geschäft bleiben zu wollen. Wenn es beim Kunden mit einer größeren Anlage nicht klappe, verkaufe man eben den Mikro. Dabei komme den Anbietern zugute, daß die Kunden das gute Image der Büroanlagen auch auf den Mikrocomputer übertragen - selbst wenn dieser - wie bei Kienzle - keine Entwicklung des Unternehmens ist. Später falle es dann leichter, zum Wechsel innerhalb der Produktlinien des Hauses zu animieren.

Große tun sich mit Kleinrechnern schwer

Das A und O, verdeutlicht Hartwich, liegt nicht bei der Hardware. Wenn es auch schwierig sei, bei der Entwicklung von größerer auf kleinere Hardware herunterzugehen, so mache der Übergang von höheren Programmiersprachen auf einfachere doch erheblich mehr Probleme. Vorteile hätten hier nur die Unternehmen, denen es gelang, ihre im Bürobereich erprobte Software auf die "Kleinen" umzustellen.

Nach Hartwichs Ansicht ist es bedeutend einfacher zu wachsen. Als Beispiel nennt der Software-Entwickler die Firma Wang, die mit kleinen Anlagen angefangen und sich solide entwickelt hätte. Anbieter wie Honeywell, Univac oder auch IBM täten sich mit ihren Kleinstrechnern ziemlich schwer. Ganz sicher seien die Mikrocomputer auch kein Geschäft wenn sie auf den normalen Wegen vertrieben würden. Wobei die meisten Hersteller auch bereits den Weg in die Computerläden gesucht haben.

8-Bit-Prozessoren zu langsam

Wer als Anwender weitgehend risikoarm kommerzielle Datenverarbeitung betreiben will, wählt möglicherweise tatsächlich statt des Mikros die Bürocomputerlinie. Als Vorzug dieser Entscheidung nennt Jörg M. Pläsker, Pressechef von Triumph-Adler, die Gewißheit, neben Hard- und Software auch alle benötigten Dienstleistungen aus einer Hand zu bekommen. Bei dem von den Nürnbergern vertriebenen Mikro "Alphatronic" liefert das Unternehmen nur die Hardware. Software gibt es, sofern nicht selbstgestrickt, von diversen Softwarehäusern. Außerdem seien die hauseigenen 1600er-Bürocomputer für kommerzielle Zweck auch wegen ihrer Cobol-Orientierung sowie eines leistungsfähigeren Betriebsystems besser geeignet. "Alphatronic" verstärkt Anwendungen im technisch-wissenschaftliche

Bereich wie Meß- und Regeltehnik.

Ein Hemmnis für die kommerzielle Akzeptanz von Mikrocomputern sieht der HB-Markt- und Systemforscher Geuhs auch in der Tatsache, daß die meisten auf dem Markt befindlichen Kleinstrechner noch mit 8-Bit-Prozessoren arbeiten. Hier ist, abgesehen von leistungsfähigen Betriebsystemen, der Durchsatz für einen Mehrbenutzerbetrieb einfach nicht groß genug. Mit der Eroberung des Marktes durch 16- beziehungsweise 32-Bit-Prozessoren fällt diese Beschränkung zwar weg, doch bliebt das Betriebssystem-Problem, große externe Datenmengen zu verarbeiten. Es ist denn, der jeweilige Hersteller legt größere Investitionen in ein einiges Betriebssystem. Einfacher wäre es vermutlich, größere Systeme aus ihrer Produktpalette preiswerter und dann natürlich mit weniger Gewinn anzubieten.

In diesem Zusammenhang spricht Geuhs von einer Sättigung, die es bei Maschinen gegeben habe, die 1978 noch 70 000 bis 80 000 Mark gekostet hätten. Neue Maschinen hätte man nur unterbringen können, wenn sie preislich "eine Etage tiefer" angesiedelt worden wären, jedoch über gleiche Leistungsfähigkeit verfügt hätten. Die Folge sei gewesen, daß seitdem der Einstiegspreis pro Jahr um 10 000 Mark gefallen sei. "Jetzt ist die Schallgrenze erreicht", konstatiert Geuhs.

Es stellt sich nun das Problem, daß die Mikros vom Preis her zwar durchaus geeignet sind, im genannten Marktsegment mitzumischen, von den Anwendungen her jedoch Wünsche offen bleiben. Beispielsweise ist die Integration von Text- und Datenverarbeitung - noch nicht einmal bei Bürocomputern Realität im Mikrobereich schierer Wunschtraum. Anwender jedoch, die unter Umständen einige zehntausend Mark für ihren kommerziell nutzbaren Personal Computer ausgeben müssen, werden auf integrierte Textverarbeitungsfunktionen kaum verzichten wollen.

Solange diese (Leistungs-)Lücke zwischen Mikro- und Bürocomputer noch klafft (Geuhs rechnet mit einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren, um sie zu schließen), zeichnet sich mittlerweile ein anderer Trend ab: Anwender neigen zum Kauf gebrauchter Bürolinge, die die Hersteller zum Teil selbst mit "Sonderverkaufspreisen" offerieren.