Lücke im Urheberrecht: Keine Handhabe gegen Software-Diebe?

31.07.1981

Software-Programme bei einem Firmenwechsel in das neue Unternehmen "mitzunehmen" und damit zu arbeiten, ist geistiger Diebstahl. Die Patentierung guter Programmpakete wäre ein rechtlich wirksamer Schatz, sie ist aber zur Zelt noch nicht möglich (siehe auch Seite 3). Hilflos und auch wütend reagieren Betroffene auf diese unbefriedigende Situation, zumal "geistiger Diebstahl" von Software in den seltensten Fällen nachweisbar ist. Hans-Ulrich Nelte wettert gegen den Gesetzgeber und fragt, wann endlich etwas getan wird. Resignierend meint Frank Ebbesen, der "ungetreue" Mitarbeiter werde sich hoffentlich so dumm anstellen, daß man ihn einfach erwischen müsse "Dabei besitzt kaum jemand so intime Firmenkenntnisse wie ein gestandener DV-Mann", seufzt Heinz Caspari, "aber man kann doch nicht auch noch die Taschen kontrollieren." "Die Gedanken", poetisiert der Hannoveraner Rolf Breitsprecher, "sind eben frei."

Heinz Caspari

DV-Leiter, August Hogut GmbH, Köln

Zunächst müßte geklärt werden, was Software-Diebstahl ist. Man kann es nur so verstehen, daß Programmentwicklungen mit nach Hause genommen und verkauft, beziehungsweise in einem neuen Unternehmen eingesetzt werden. Problematisch wird es mit dem geistigen Eigentum. Wenn der Programmierer das Programm selbst entwickelt hat, wie will man da unterscheiden: Ist es Diebstahl oder nicht? Der Programmierer kann ja neu entwickeln, schließlich hat er seine Gedanken und Ideen vom letzten Mal noch im Kopf.

Der Unternehmer kann unter Umständen kontrollieren, ob der Programmierer - oder wer auch immer - Programm-Listen, oder auch Kopien der Dokumentation mit nach Hause nimmt. Allerdings wird es schwierig sein, denn es müßten die Taschen kontrolliert werden, und das wird kaum jemand mitmachen. Außerdem gibt es häufig den Fall, daß sich der Programmierer mit Erlaubnis des Unternehmers Unterlagen mit nach Hause nimmt, um an einem Problem weiterzuarbeiten. Bei uns kommt es sogar häufig vor. Es ist egal, ob die Überstunden in der Firma gemacht werden oder ob der Programmierer zu Hause in Ruhe über das Problem nachdenkt. Kontrolle ist meiner Meinung nach in unserem und anderen kleinen Unternehmen nicht möglich. In größeren Firmen, in denen es Revisionsabteilungen gibt, müßte Kontrolle machbar sein. In vielen Unternehmen ist es sogar grundsätzlich verboten, etwas mit nach Hause zu nehmen.

Wir haben den Fall schon selbst erlebt, daß ein Mitarbeiter zur Konkurrenz ging und mit einem Programm von uns arbeitete. Wir haben nichts unternommen. Der Programmierer hatte das von ihm entwickelte Programm abgeändert, und wir hätten es ihm nur schwer beweisen können, da wir die Information privat gehört haben. In das neue Unternehmen reinzugehen und zu kontrollieren ist schlecht möglich.

Problematisch wird es mit der Konkurrenzklausel. Sie ist zwar in vielen Berufen üblich, nur im EDV-Sektor habe ich noch nie davon gehört, obwohl es meiner Meinung nach angebracht wäre. Es besitzt nämlich kaum jemand so intime Firmenkenntnisse wie ein "gestandener" EDV-Mann. Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen handelt es sich um Universalprogrammierer, die praktisch alles programmieren und deshalb auch an alle Zahlen herankommen.

Meiner Meinung nach müßte es hier unbedingt die Konkurrenzklausel geben, obwohl mir klar ist: Die Konkurrenzklausel gilt nur für ein oder zwei Jahre - und was wird dann?

Rolf Breitsprecher

Systemmanager bei Nord-West Ingenieurgesellschaft mbH, Hannover

Der eigentliche Softwarediebstahl beginnt in dem Moment, wenn Quellenprogramme unerlaubt auf magnetische Datenträger oder Papier kopiert und an Dritte weitergegeben werden. Dieser Tatbestand ist zwar strafrechtlich klar definiert, aber in den wenigsten Fällen nachweisbar. Durch Vorschalten eines Interface-Programms, kann die Eingabe beim nächsten Benutzer so verfälscht werden, daß eine spätere Identifizierung unmöglich ist. Dasselbe gilt für ein Nachschaltprogramm, das die Ausgabeform völlig verändert. Ein ausgefeiltes Sicherheitssystem ist zwar wirkungsvoll, kann aber einen Kenner der Organisation nicht davon abhalten, sich zu "bedienen".

Es gibt eine Möglichkeit, das Risiko eines Softwarediebstahles beträchtlich zu senken: Die einzelnen Programmsegmente werden von verschiedenen Programmierern erstellt, und die Verknüpfung der Schnittstellen ist nur dem Leiter der Programmentwicklung bekannt.

Gegen das Abwandern von qualifizierten Programmierern und das Mitnehmen des Know-hows zur Konkurrenz kann man rechtlich nichts, unternehmen. Konkurrenzklauseln können zwar dem Arbeitnehmer mit einer in Aussicht gestellten guten Abfindung schmackhaft gemacht werden, bieten aber in diesem Fall keinen ausreichenden Schutz für das Unternehmen. Getreu den Worten "die Gedanken sind frei" wird es ein Software-Profi verstehen, sich an ein ähnlich gelagertes Unternehmen gut zu verkaufen. Dies gilt natürlich nur für ausgereifte Branchenpakete und nicht für Welt- und Wiesenprogramme wie Lohn, Lagerbuchführung und so weiter. Ein wirksamer rechtlicher Schutz wäre eine Patentierung guter Programmpakete, was aber zur Zeit noch nicht möglich ist.

Der beste Schutz gegen das Abwandern von guten Programmierern sind Präventivmaßnahmen, das heißt leistungsgerechte Entlohnung und eine motivierende kollegiale Arbeitsweise.

Frank Ebbesen

Berater bei euroco Software-Systeme GmbH, Hamburg

Es handelt sich meiner Meinung nach um Diebstahl, wenn ein Mitarbeiter auf Kosten seines Unternehmens Programme entwickelt, in eine andere Firma wechselt und sie dort einsetzt. Wenn jemand vorhat, den Job zu wechseln, könnte er langsam Tag für Tag irgendwelche Papiere mit nach Hause nehmen, um im neuen Unternehmen damit zu arbeiten. Erlaubt ist es zwar nicht, Unterlagen mit nach Hause zu nehmen, aber wer will das kontrollieren? Der Unternehmer kann nur hoffen, daß sich der Mitarbeiter so dumm anstellt, daß er auf frischer Tat ertappt wird. Der einzige Schutz wäre eine "Gehirnwäsche", die am letzten Tag des alten Arbeitsverhältnisses vorgenommen wird.

Es gibt auch eine realistischere Möglichkeit, Kontrollen durchzuführen, indem Spezialfirmen oder Detekitv-Büros beauftragt werden, ehemalige Mitarbeiter zu überwachen. Aber selbst das ist unheimlich schwierig, denn die zu führende Beweislast liegt beim Kläger. Im Datenschutzgesetz steht auch viel Schlaues drin, was aber teilweise wie ein Gummiband gedehnt werden kann.

Der Unternehmer kann auch eine Konkurrenzklausel in den Vertrag einbauen. In einigen Berufen ist dann der Nachweis, daß gegen die Klausel verstoßen wurde, verhältnismäßig leicht zu erbringen. Im DV-Bereich ist es kaum machbar. Hat ein Programmierer beispielsweise eine Ein-Jahres-Klausel im Vertrag stehen, braucht er nur zu Hause sitzen und dort für eine andere Firma auf Honorarbasis arbeiten. Das Problem in unserer Branche ist, daß die Anwesenheit im Betrieb nicht unbedingt erforderlich ist. Wie will also das alte Unternehmen in so einem Fall überhaupt dahinterkommen, und es auch noch beweisen.

Dipl.-lng. Hans-Ulrich Nelte

Hauptabteilungsleiter DV, Krupp MAK-Maschinenbau GmbH, Kiel

Wo Software-Diebstahl beginnt, ist juristisch so kompliziert, daß die Frage nur von Juristen beantwortet werden kann. Der DV-Verantwortliche ist jedoch unmittelbar betroffen und muß für sein praktisches Handeln eine Antwort finden. Es geht hierbei um die von ihm nicht gebilligte also mißbräuchliche Verwendung von Software oder deren Vorstufen wie Analyse-Ergebnisse, Konzepte, Lösungssätze oder ganz allgemein die widerrechtliche Verwertung von Eigentum.

Leider hat die Rechtsprechung bisher versäumt, der Software eigenen Rechtsschutz zuzubilligen, so daß es einen unmittelbaren Maßstab für die Abgrenzung von Straftatbeständen in diese Zusammenhang nicht gibt. Diebstahl setzt Aneignung einer fremden beweglichen Sache voraus - wie beweglich ist Software und wie wird sie transportiert? Es ist für das Ergebnis sicher unerheblich, ob Software über maschinenlesbare Datenträger, über Listen oder aus dem Gedächtnis heraus rekonstruiert, Dritten zugänglich gemacht wird.

Kein Zweifel besteht daran, daß Software ein hochwertiges Wirtschaftsgut ist und daß erhebliche materielle Vorteile für denjenigen entstehen können, der Software verwendet, ohne für deren Entwicklung zahlen zu müssen. Für mich zählen zur Software in diesem Sinne außer DV-Programmen auch Werkzeuge und andere Hilfsmittel wie in Programmier-Handbüchern, Normen oder Arbeitsplänen festgelegt, also die gesamte Dokumentation des technischen Standes in Software-Entwicklung und Rechenzentrum.

Schutz ist offenbar nur über Verträge möglich. Das heißt sowohl über entsprechende Klauseln in Anstellungs- beziehungsweise Werkverträgen oder auch in Verträgen mit Geschäftspartnern, so daß zumindest formal alles getan werden kann, was gegen Verrat von Geschäftsgeheimnissen, unlauteren Wettbewerb und zum Schutz des Urheberrechtes hilfreich ist. Viel schwieriger ist allerdings der Nachweis von Verstößen gegen vertragliche Regelung. Vielfach unvermeidbar ist die Übertragung von Know-how durch Personalwechsel oder Inanspruchnahme von Dienstleistung.

Die hier für Mitarbeiter in der technischen Entwicklung allgemein üblichen Konkurrenzklauseln reichen für DV-Fachkräfte nicht aus, weil DV-Kenntnisse in den meisten Fällen branchenübergreifend verwertbar sind. Wo nun die Grenze zwischen legitimer Anwendung erworbener Fachkenntnisse und einer schon rechtlich und moralisch unzulässigen Rekonstruktion von Software zu ziehen ist, vermag ich nicht zu sagen. Schon geringe Variationen der ursprünglichen Lösung können den Ursprungsnachweis erheblich erschweren.

Auch das ist jedenfalls Software-Diebstahl, wenn jemand unberechtigt ein fremdes Programm für andere Hardware neu aufbereitet oder in einer anderen Programmiersprache neu formuliert um es universeller verwendbar zu machen. Der Grad der Unsicherheit, den es zweifellos gibt, muß dazu führen, daß Unternehmen und Verbände auf den Gesetzgeber einwirken, hier bessere Voraussetzungen zu schaffen.