PKI: Ein Traditionsunternehmen wird abgewickelt

Lucent Technologies will den Standort Nürnberg abspecken

17.05.1996

Verluste, eine nicht optimale Kostenstruktur nach der Übernahme des PKI-Bereiches "Öffentliche Netze" und die Integration der Nürnberger Aktivitäten in die weltweite Lucent-Organisation erfordern eine Bereinigung der Produktpalette, erklärte Detlev Linssen, Chef der Lucent Technologies Network Systems GmbH, die sich derzeit noch in der Gründung befindet.

Der Restrukturierungsplan beinhalte, so Linssen gegenüber dem Informationsdienst "vwd", neben Investitionen in einer Größenordnung von 50 Millionen Mark auch den Abbau von 420 der 2100 von der PKI übernommenen Arbeitsplätze. Bei Produkten und Lösungen wolle man sich künftig auf die Bereiche digitaler Mobilfunk und SDH-Übertragungstechnik konzentrieren. Gleichzeitig sollen die in Nürnberg bestehenden Produktionsanlagen durch eine neue Fertigungsstätte ersetzt und das PKI-Entwicklungszentrum integraler Bestandteil der zu Lucent Technologies gehörenden Bell Labs werden.

Angaben zum geplanten Umsatzvolumen lehnte der AT&T-Manager unter Hinweis auf die vor wenigen Wochen erfolgte Börseneinführung von Lucent in den USA ab. Im laufenden Geschäftsjahr müsse mit einem Umsatzrückgang gerechnet werden, für 1997 kalkuliere man aber wieder mit einem Wachstum zwischen 25 und 30 Prozent. Der "massive Eintritt" von AT&T in den deutschen Markt durch die Übernahme der PKI-Geschäftsfelder wird nach Darstellung Linssens zu einem noch härteren Wettbewerb führen. Marktchancen rechnet sich der Lucent-Chef vor allem als Zweitlieferant neben den in Deutschland nach wie vor etablierten Branchengrößen Siemens und Alcatel aus.

AT&T sorgt für mehr Kundennähe

Die Aufteilung von AT&T in drei voneinander unabhängige Firmen, die einerseits für den Betrieb von Netzen (AT&T), andererseits für die Lieferung entsprechender Hardware, Software und Vermittlungstechnik (NCR und Lucent Technologies) zuständig sind, erleichtere dabei den Zugang zu neuen Kunden. Noch in diesem Jahr soll das gesamte Deutschland-Geschäft von Lucent Technologies in eine Holding integriert werden, die dann mit einzelnen Tochtergesellschaften im Markt operiert. Die formal noch bestehende Bonner AT&T-Tochter Network Systems wird mit der neuen Gesellschaft in Nürnberg verschmolzen. In eine zweite Tochter mit den Unternehmensschwerpunkten Netzwerke, Nebenstellenanlagen und Endgeräte soll dann auch die in München ansässige Microelectronics GmbH, ein Lieferant von elektronischen Bauteilen, eingebracht werden. Sitz der Holding werde Nürnberg sein, teilte Linssen mit.

Die PKI AG hat indes mit dem am 6. Februar 1996 wirksam gewordenen Verkauf an AT&T ihre gesamten unternehmerischen Aktivitäten beendet. Künftig werde sich die Gesellschaft nur noch mit der reinen Verwaltung des bestehenden Vermögens beschäftigen, hieß es in Nürnberg. Alle Mitarbeiter des Unternehmens sind zum 6. Februar aus der PKI ausgegliedert worden 2480 Beschäftigte wurden von AT&T übernommen, 1090 von der Hamburger Philips GmbH, die auch das PKI-Geschäft in Sachen Bürokommunikation und Fernmeldeanlagen erworben hat. Auch in Hamburg wurde nun allerdings der Abbau von 170 Stellen angekündigt.

Obwohl die PKI AG im abgelaufenen Geschäftsjahr 1995 ihren Umsatz nochmals auf 1,35 (Vorjahr: 1,15) Milliarden Mark steigern konnte, waren dies keine "entscheidenden Durchbrüche", die dem Unternehmen "eine Perspektive" hätten geben können, erklärte Vorstandsvorsitzender Pieter van der Wal vergangene Woche auf der letzten Hauptversammlung in Nürnberg. Ohne die finanzielle Hilfe des niederländischen Philips-Konzerns hätte die PKI bereits 1993 vor dem Aus gestanden. Nach dem Abebben der "Sonderkonjunktur" in den neuen Bundesländern seien die Probleme im Kerngeschäft, die sich bereits über einen längeren Zeitraum hinweg abgezeichnet hätten, noch deutlicher geworden. Insbesondere als die Großaufträge des Hauptauftraggebers Deutsche Telekom ausblieben oder erheblich zurückgefahren wurden, brach der Umsatz im Inland dramatisch ein und konnte auch durch den zunehmenden Auftragseingang im Ausland nicht kompensiert werden, kommentierte van der Wal den Niedergang des Traditionsunternehmens.