Long Term Evolution

LTE - mit neuer Technik zu neuen Geschäftsmodellen

11.04.2013
Von Michel Van Veen
Mit der Einführung von Long Term Evolution (LTE) verschwimmen die Grenzen zwischen Mobilfunk und Internet immer mehr. Jetzt gilt es für die Anbieter, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, um die höheren Bandbreiten zu nutzen.

Vor rund zehn Jahren führten Betreiber, die IP-basierte VPN-Dienste für Unternehmen zur Verfügung stellten, die sogenannten Serviceklassen (Classes of Service = CoS) ein, mit denen eine effizientere Bandbreitennutzung erzielt werden sollte. Das dahinterstehende Prinzip ist einfach: Einer qualitätssensiblen Anwendung wie zum Beispiel der Videotelefonie wird eine hohe CoS zugewiesen, um dafür zu sorgen, dass die zugehörigen IP-Datenpakete eine höhere Priorität im Backbone erhalten als Pakete, die im Rahmen von weniger kritischen Anwendungen wie beispielsweise E-Mail-Verkehr oder Web Browsing übertragen werden.

Mit diesem Kunstgriff lässt sich die Performance anspruchsvoller Services auch dann noch sicherstellen, wenn eine IP-VPN-Verbindung nur eine begrenzte Kapazität aufweist und Bandbreiten-Erweiterungen aufgrund der damit verbundenen Kosten nicht in Frage kommen. Nun ist die Bereitstellung einer Festnetzverbindung mit fester Bandbreite in der vergangenen Dekade zwar um einiges günstiger geworden, Mobilfunknetze blieben von diesem Trend aber leider ausgeschlossen. Aufbau und Unterhalt von Funknetzen verursachen im Allgemeinen immer noch hohe Kosten. Angesichts dieses Ungleichgewichts haben zahlreiche Mobile-Service-Provider (MSPs) erstaunlich kreative Ansätze entwickelt, mit denen sie ihre Investitionsrentabilität erhöhen wollen. Eine Option besteht darin, die Funknetzinfrastruktur mit Mobile Virtual Network Operators (MVNOs) zu teilen.

Mit dem Aufkommen des LTE-Standards (Long Term Evolution) wird die Frage drängender, wie sich die hohen Kosten für den Ausbau der Funknetzkapazität betriebswirtschaftlich sinnvoll bewältigen lassen. In vielen Ländern arbeitet LTE in einem höheren Frequenzspektrum als der herkömmliche 3G-Standard. Dies macht (noch) mehr Antennen in städtischen Ballungsräumen notwendig und erhöht sowohl die Kosten- als auch die Akzeptanzprobleme. Es überrascht daher nicht, dass das Konzept der Serviceklassen in die mobilen Breitbandstandards 3GPP für LTE integriert wurde, um den Betreibern eine intelligente Möglichkeit für den Umgang mit Bandbreitenlimitierungen zu geben.

Aber wie intelligent ist dieses Vorgehen wirklich? Serviceklassen gelten als rein technisches Hilfsmittel, mit dem eine bestimmte Dienstgüte gewährleistet werden kann - besonders in Situationen mit beschränkter Bandbreite. Kreativen MSPs erschließt sich jedoch auch hier eine gewinnbringende Geschäftschance.

Premium-Qualität für Premium-Kunden

Einer der Dienste, die ganz sicher von LTE-Netzen profitieren werden, sind mobile Videokonferenzen. Auf klassischen Rechnern ist die IP-basierte Videotelefonie über das Internet seit Jahren gang und gäbe. Angeboten wird sie von Over-the-Top-(OTT-)Anbietern wie Skype und Google. Versuche der MSPs mit mobiler Videotelefonie über 3G-Netze sind dagegen samt und sonders gescheitert. Das lag vor allem an der mangelhaften Gesprächsqualität. Noch komplizierter wurde die Lage dadurch, dass Videotelefonie oft nur zwischen kompatiblen Geräten möglich war. All dies gehört nun der Vergangenheit an. Die Einführung von LTE-Netzen und die rasant wachsende Verbreitung von Smartphones und Tablets lassen das mobile Internet zur Realität werden. Damit erhält auch die mobile Videotelefonie eine zweite Chance.

Für Anbieter mobiler Dienstleistungen besteht jedoch die Gefahr, in die Rolle bloßer Service-Provider gedrängt zu werden. Diese Entwicklung ist umso schmerzlicher angesichts der exorbitanten Aufwendungen, die sie in den Kauf von Lizenzen und den Infrastrukturausbau gesteckt haben.

Die Kunden haben sich an die hohe Bandbreite und die ausgezeichnete Servicequalität des Festnetz-Internets gewöhnt. Aufgrund der - selbst bei LTE-Netzen - beschränkten Funkbandbreite erhalten sie im mobilen Bereich zwangsläufig nicht immer die erwartete Qualität. Genau hier könnten Mobile-Service-Provider punkten. Denn schließlich kontrollieren sie das LTE-Netz. Durch die intelligente Anwendung des CoS-Prinzips können sie die Servicequalität, die einzelnen Kunden, ja sogar einzelnen Anwendungen bereitgestellt wird, präzise steuern. Noch besser: Mobilfunkdienstleister können nun ihre eigenen OTT-ähnlichen Kommunikationsservices anbieten und dabei bis hinunter zum mobilen Endgerät eine bestimmte Performance zusichern. Die OTT-Branche kann das nicht.

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich sogar, dass das Angebot derartiger Services für MSPs weniger schwierig ist als befürchtet, denn die technischen Standards für Telekommunikationsdienste, die Rich Communication Suite (RCS), sind ausgereift, und viele Anbieter haben bereits RCS-konforme Lösungen im Portfolio. Dies kommt den Kunden zugute, die nun die Wahl zwischen den "bestmöglichen" Services von OTT-Anbietern und den echten Premium-Diensten ihres MSP haben. Wie die gelungene Einführung und Akzeptanz von HD Voice über 3G-Netze in einigen Märkten zeigt, gibt es ein signifikantes Segment von Kunden, die bereit sind, für Premium-Dienste auch entsprechend zu bezahlen.

Zugegebenermaßen ist die breite Masse der Verbraucher (noch) nicht bereit, sich für Premium-Services anzumelden. Das könnte sich jedoch ändern, wenn die Erwartung wächst, Content in makelloser HD-Qualität auf schicken Devices wie Smartphones und Tablets zu konsumieren. Eine Option wäre es, diese Premium-Bandbreite zu einer einmaligen Gebühr und immer dann zur Verfügung zu stellen, wenn Anwender sie benötigen.