Evolution ja, Revolution nein

LTE – die Zukunft des Mobilfunks?

12.11.2009
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.

Digitale Dividende als Zündfunken

Die Initialzündung für die kommerzielle Nutzung von LTE dürfte hierzulande die für Juni 2010 geplante Versteigerung von verschiedenen Mobilfunkfrequenzen sein. Unter den Hammer kommt insbesondere ein wegen der Umstellung der Rundfunktechnik von Analog auf Digital (und der damit verbundenen Komprimierung) frei gewordenes Frequenzband von etwa 60 Megahertz im Bereich von 790 bis 862 Megahertz - in diesem Zusammenhang spricht man auch von "digitaler Dividende". Dabei wurde im Rahmen des Konjunkturpakets II und der Breitbandstrategie der Bundesregierung festgelegt, dass der in sechs Blöcke aufgeteilte Frequenzbereich "schnellstmöglich genutzt werden soll, um die Versorgung dünn besiedelter Gebiete mit innovativen Mobilfunkanwendungen und die Bereitstellung von breitbandigen Internet-Anschlüssen voranzutreiben".

Mit einem potenziellen Zellradius von über 20 Kilometern bei LTE handelt es sich um einen physikalisch (und wirtschaftlich) besonders attraktiven Bereich des Frequenzspektrums. So kann mit wenigen Mobilfunktürmen eine relativ große Fläche bestrahlt werden, was eine entsprechend günstigere Versorgung dünn besiedelter Gebiete ermöglicht.

Für zusätzlichen Anreiz beziehungsweise Druck sorge die Regelung, dass die Lizenznehmer zunächst in den weißen Flecken die meisten Haushalte mit mobilem Breitband erschließen müssten, erklärt von den Hoff. Erst dann werde ihnen erlaubt, die Funknetze auf Basis der 800-Megahertz-Frequenzen auch in den kommerziell attraktiveren Städten zu nutzen.

Zocken um die Zukunft

Um die vorgegebenen Ziele zu erreichen, müssen die Mobilfunk-Carrier Zweckgemeinschaften bilden.
Um die vorgegebenen Ziele zu erreichen, müssen die Mobilfunk-Carrier Zweckgemeinschaften bilden.
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Bei der geplanten Versteigerung im Juni 2010 kommen zwar anderthalbmal so viele Frequenzen unter den Hammer als bislang im Mobilfunk genutzt werden. Doch ausgerechnet im 800-Megahertz-Spektrum stehen lediglich drei der zum effizienten und damit wirtschaftlichen Betrieb notwendigen Doppelblöcke à 10 Megahertz zur Verfügung. Die Bundesnetzagentur hat dafür Sorge getragen, dass die D-Netz-Betreiber T-Mobile und Vodafone lediglich ein (Doppel-)Paket ersteigern dürfen. Obwohl sich wegen der beträchtlichen Investitionen wohl kein Neueinsteiger an der Auktion beteiligen wird, droht einer der vier Mobilfunker leer auszugehen. Die kleineren Provider O2 und E-Plus setzen daher alles daran, die Auktionsbedingungen so weit anzupassen, dass sie nicht zu den Verlierern gehören, und drohen mit Klagen gegen die Bundesnetzagentur. Auch die EU-Kommission hat sich bereits eingeschaltet und Chancengleichheit gefordert. Unter anderem schlägt die Behörde vor, dass T-Mobile und Vodafone jeweils 2 x 2,4 Megahertz aus dem 900-Megahertz-Spektrum an E-Plus und O2 abgeben.

Für die beiden kleineren Carrier steht viel auf dem Spiel, laufen sie doch Gefahr, den Anschluss an D1 und D2 im mobilen Breitbandmarkt zu verlieren. Geht man davon aus, dass einer Klage nicht stattgegeben wird, gibt es verschiedene Szenarien: Denkbar ist etwa, dass es zu einem Bietergefecht kommt, bei dem beide Player gegenseitig den Preis hochtreiben. Theoretisch besteht die Möglichkeit, dass die O2-Muttergesellschaft Telefónica E-Plus noch im Vorfeld der Versteigerung übernimmt und so den Auktionspreis bei einem drohenden Bietergefecht in Grenzen hält. Ob E-Plus und O2 eine Bietergemeinschaft bilden, um gemeinsam Frequenzen zu ersteigern, wird sich zeigen. Historisch gesehen ist eine solche Zweckehe aber eher unwahrscheinlich und passt nicht in die Strategie konkurrierender Mobilfunknetzbetreiber, so von den Hoff. Allerdings werden alle Mobilfunknetzbetreiber ihre Zusammenarbeit intensivieren müssen, um Infrastruktur - insbesondere Antennenstandorte - gemeinsam nutzen zu können.

Daneben rechnen alle vier Carrier als Worst-Case-Szenario mit der Zuteilung von lediglich einem 2 x 5 Megahertz-Block. Da sich dieser kaum wirtschaftlich mit LTE nutzen ließe, würde als Alternative HSPA+ zum Erreichen der vorgegebenen Abdeckung eingesetzt. Vorbild ist dabei der australische Mobilfunkbetreiber Telstra, der über ein 850-Megahertz-Band 99 Prozent der Bevölkerung des Kontinents erreicht.