Gartner-Analyst im CW-Interview

"Low-Energy-Server sind im Kommen"

02.05.2012
Von 
Bernd Reder ist freier Journalist und Autor mit den Schwerpunkten Technologien, Netzwerke und IT in München.
Noch zählen "Extreme-Low-Energy-Server" mit einem Stromverbrauch von etwa 5 Watt zu den Exoten im Server-Markt. Doch das wird sich mittelfristig ändern, erwartet Errol Rasit, Analyst beim Marktforschungs- und Beratungshaus Gartner.
Errol Rasit, Principal Research Analyst bei Gartner: "Extreme-Low-Energy-Server werden Ende 2012 einen Anteil von 1,5 Prozent am weltweiten Server-Markt haben."
Errol Rasit, Principal Research Analyst bei Gartner: "Extreme-Low-Energy-Server werden Ende 2012 einen Anteil von 1,5 Prozent am weltweiten Server-Markt haben."
Foto: Gartner

CW: Was ist unter dem Begriff „Extreme-Low-Energy-Server“ zu verstehen?

Rasit: Das sind Systeme mit Prozessoren, die ursprünglich nicht für den Einsatz in Server-Systemen vorgesehen waren, etwa Intels Atom-CPUs, Prozessoren auf Basis der ARM-Architektur oder Tileras Tile-GX. Diese CPUs kommen derzeit vor allem in Tablet-Rechnern oder Smartphones zum Einsatz.

CW: Warum werden solche CPUs dann in Servern eingesetzt?

Sea Micro hat sich auf Server spezialisiert, die mit Atom-Prozessoren von Intel bestückt sind. Das Modell auf dem Bild verfügt über 512 CPUs. Sea Micro wurde mittlerweile von AMD übernommen.
Sea Micro hat sich auf Server spezialisiert, die mit Atom-Prozessoren von Intel bestückt sind. Das Modell auf dem Bild verfügt über 512 CPUs. Sea Micro wurde mittlerweile von AMD übernommen.
Foto: Gartner

Rasit: Weil sie es erlauben, kompakte Server zu bauen, die im Data Center wenig Platz brauchen. Zudem benötigen sie dank des niedrigen Stromverbrauchs weniger Kühlung und Strom. Das kommt Unternehmen entgegen, die ihre Rechenzentren optimal ausnutzen oder konsolidieren möchten.

CW: Wodurch unterscheiden sich Extreme-Low-Energy-Server von konventionellen Server-Systemen?

Rasit: Solche Energiespar-Server sind im Gegensatz zu anderen Server-Systemen, etwa x86-Maschinen, nur für eine begrenzte Zahl von Workloads optimiert. Dazu zählen beispielsweise Suchfunktionen von Datenbanken, einfach strukturierte Suchfunktionen in unstrukturierten großen Datenbeständen, Stichwort Big Data, statische Web-Server oder Video-Server. Sie eignen sich auch für Workloads im Bereich HPC (High-Performance-Computing), bei denen auf Tausenden von Server-Knoten nur eine Anwendung läuft, wie etwa bei IBMs Blue-Gene-Supercomputer.

CW: Für welche Anwendergruppen sind Extreme-Low-Energy-Server interessant?

Rasit: Für normale Unternehmen, aber auch fürAnwender, die Server in großen Stückzahlen kaufen. Dies können beispielsweise Firmen sein, die Cloud-Computing-Rechenzentren betreiben. Ob ein Anwender in solche Server-Systeme investiert hängt weniger davon ab, welche Applikationen er darauf laufen lassen möchte, sondern davon, ob die IT-Abteilung bereit ist, Alternativen zu den herkömmlichen Server-CPUs zu akzeptieren.

CW: Wie ist es um die Software-Unterstützung von solchen exotischen Prozessoren bestellt?

Rasit: Das ist noch ein Schwachpunkt, weil sich erst ein Ökosystem für Extreme-Low-Energy-Server entwickeln muss. Fairerweise muss man jedoch sagen, dass der Markt für solche Systeme noch ganz am Anfang steht.

CW: Wie wird sich die Nachfrage nach Extreme-Low-Energy-Servern entwickeln?

Rasit: Wir gehen davon aus, dass solche Systeme Ende 2012 einen Marktanteil von weltweit 1,5 Prozent haben werden, bezogen auf den Umsatz. Dies geht zu Lasten von Standard-x86-Server-Systemen. Der Absatz von Servern mit anderen Prozessoren und solchen, bei denen es schlichtweg um umfunktionierte PCs handelt, wird nicht beeinträchtigt.

CW: Was empfehlen Sie Unternehmen, die den Einsatz von energieeffizienten Systemen mit Atom- oder ARM-Prozessoren in Betracht ziehen?

Rasit: Sie sollten solche Systeme in ihrer IT-Umgebung testen, bevor sie sich zum Kauf entschließen. Wer kurzfristig Probleme in seinem Data Center lösen möchte, etwa Platzmangel oder einen zu hohen Energieverbrauch, sollte zunächst alle konventionellen Mittel ausschöpfen, bevor er sich für den Kauf neuer Server entscheidet. Denn der Umstieg auf Extreme-Low-Energy-Server ist eine strategische Entscheidung, kein taktisches Mittel. Wer Anwendungen auf solche Systeme verlagert, ist zudem gut beraten, wenn er im Vorfeld eine realistische Kosten-Nutzen-Rechnung aufstellt. Vorteilen der Server, etwa geringerer Platz- und Strombedarf, sollten auch potenzielle Nachteile gegenübergestellt werden. Dazu gehören die Kosten für die Portierung von Anwendungen und Systemsoftware. (wh)