Anwenderbericht Zweigstellen-Vernetzung

Lotto-Lotsin tippt auf ADSL

20.04.2009
Von Peter Jefimiec
Dass ADSL nicht nur zum schnellen Surfen im Internet taugt, zeigt die Lottogesellschaft Hamburg im Business-Alltag. Das Unternehmen hat seine Annahmestellen per DSL vernetzt.

Im Hamburger Stadtgebiet können Spielfreudige in 450 Lotto-Annahmestellen ihre Tippscheine abgeben. Die Terminals stehen in kleinen Zeitschriften-Läden an der Ecke oder in Supermärkten und Einkaufszentren. Seit 2005 verfügen alle Hamburger Annahmestellen über einen ADSL-Anschluss und sind mit der Zentrale der Lotto Hamburg GmbH über ein IPSec-VPN vernetzt.

Das Zeitalter der digitalen Datenübertragung hatte bei Lotto Hamburg 1995 begonnen. Damals wurden die ersten elektronischen Terminals eingeführt. Diese lasen die Tippscheine automatisch ein, anschließend gingen die Daten via Datex P im X.25- Protokoll an das zentrale Rechenzentrum. Für die Übertragung stand jeder Annahmestelle eine Bandbreite von 2,4 Kbit/s zur Verfügung. Im Rechenzentrum liefen die Daten über zwei Leitungen mit je 64 Kbit/s ein. Größenordnungen, die im DSL-Zeitalter mit seinen Mbit/s-Bandbreiten unvorstellbar klein erscheinen.

Das Projekt

- Vernetzung von 450 Lotto-Annahmestellen,

- Ablösung von Datex-P durch ADSL,

- Einführung von IP-Terminals,

- neue Info-Terminals am PoS,

- VPN-Infrastruktur,

- kostengünstiger bei gestiegener Leistung.

Allerdings hat sich die ITK-Landschaft seit 1995 grundlegend geändert. Mit dem Siegeszug von DSL waren große Bandbreiten zu günstigen Konditionen verfügbar. "Neben den Tippdaten wollten wir auch multimediale Info-Dienste für unsere Kunden in die Annahmestellen übertragen und die Verbindung für die interne Kommunikation nutzen", blickt Siegfried Spies, Geschäftsführer von Lotto Hamburg, zurück. Darüber hinaus war die Einführung einer neuen Generation von Terminals mit IP-Schnittstelle vorgesehen.

Vor diesem Hintergrund spielte das Projektteam von Lotto Hamburg in einer mehrmonatigen Planungsphase unterschiedliche Optionen durch. Als bevorzugte Lösung kristallisierte sich ein VPN heraus, das auf Grundlage von ADSL-Anschlüssen in den Annahmestellen realisiert werden sollte. Die größte Herausforderung: Bei der Datenübertragung über ein öffentliches Netz sind besondere Sicherheitsvorkehrungen erforderlich. Zugleich muss eine maximale Verfügbarkeit gewährleistet werden. "Die neue Lösung sollte eine größtmögliche Sicherheit für den Datenverkehr garantieren", schildert Lotto-Manager Spies. Deshalb wurde ein ICT-Provider gesucht, der nicht nur die geforderten Standardleistungen bietet, sondern auch flexibel genug ist, die nötigen Sicherheitsmaßnahmen mitzutragen. Im Rahmen einer Ausschreibung erteilte Lotto den Zuschlag an Hansenet.

Weil zum Zeitpunkt der Umstellung die bestehenden Terminals im Dienst verblieben, war nach dem Wechsel von Datex P auf ADSL der Einsatz spezieller Router erforderlich, die X.25 over TCP/IP (XOT) unterstützen. Aus Sicherheitsgründen sollten die Installation und der Betrieb des Routers und damit auch die Konfiguration des VPN vollständig in die Verantwortlichkeit von Lotto Hamburg fallen. In umfangreichen Feldtests erprobten die Lottogesellschaft und Hansenet das enge Zusammenspiel. Besonderes Augenmerk lag dabei auf der Abstimmung von Terminal, Router, den vielfältigen zwischengeschalteten Sicherheitssystemen wie etwa den Firewalls sowie den Servern in der Zentrale. Schließlich mussten die Daten im Router von X.25 in IP-Pakete umgewandelt und anschließend über den VPN-Tunnel in das Rechenzentrum transferiert werden. Dort übersetzten die Server die IP-Pakete wieder zu Informationen im X.25-Protokoll. Entsprechend viel Fingerspitzengefühl erforderte die Konfiguration dieser Konstellation, denn die unterschiedlichen Reaktionszeiten mussten synchronisiert werden, um Time-Out-Fehler zu vermeiden.

Nach der Testphase begann die praktische Umsetzung mit dem Anschluss der Zentrale. Der Provider legte dort über zwei eigenständige Hauseinführungen zwei redundante 100-Mbit/s-Glasfaseranschlüsse. Um höchste Ausfallsicherheit zu gewährleisten, wurden für die Zuführung zwei separate Netzknoten in unterschiedlichen Stadtteilen definiert, die die Daten der Annahmestellen bündeln. Von beiden Netzknoten verlaufen zwei unabhängige, überschneidungsfreie Datenleitungen zur Lotto-Zentrale. Im Regelbetrieb teilen sich die Netzknoten den Datenverkehr, um eine bessere Performance zu erzielen. Sollte ein Netzknoten oder eine der Zuleitungen ausfallen, wird der Datenverkehr automatisch auf den anderen Weg umgeleitet. "Jede Komponente, die sich innerhalb der Lösung doppeln ließ, haben wir auch gedoppelt", fasst Sven Löschenkohl von Hansenet zusammen. Maßgabe war es, eine einzelne und damit kritische Fehlerstelle, den "Single Point of Failure", zu vermeiden.

Im nächsten Schritt erfolgte die sukzessive Anbindung sämtlicher Annahmestellen. Neben dem Anschluss der Terminals via ADSL sah die Lösung zudem die Bereitstellung eines Backups via ISDN vor. Im Zuge des Rollouts mussten damals über 500 Anschlüsse umgestellt werden, ohne dass es zu einem Ausfall kam. Besonders knifflig waren die "heißen Umstellungen", bei denen kein paralleler Betrieb von alter und neuer Leitung technisch möglich war.

Gerade bei umfangreichen Projekten ist der Zeitdruck auf Grund der verbindlichen Terminplanung besonders hoch. Und im Vorfeld ist kaum absehbar, welche Herausforderungen auf die Techniker zukommen. So ließen sich einzelne Leitungen zwar durchmessen und waren rein physisch vorhanden. Vor Ort war dann mancher Anschluss jedoch selbst nach intensiver Suche nicht auffindbar. War der Kasten gefunden, galt es zuweilen handfeste bauliche Hürden zu meistern. Denn einige Annahmestellen befanden sich auf Bahnsteigen von U-Bahnhöfen, inmitten großer Kaufhäuser oder Supermärkte. Hier mussten die Leitungen möglichst schnell und ohne Störung des Betriebs bis direkt an das Terminal gelegt werden.

Das hat mitunter auch für die Kostenkalkulation Folgen. Beispiel Materialkosten: Nicht selten wurden die Leitungen in Supermärkten oder Kaufhäusern auf langen Wegen bis zum Terminal verlegt. Dabei waren schnell anstatt der durchschnittlich eingeplanten 15 Meter Kabel 150 Meter oder mehr verbraucht. So kann bei großen Projekten aus kleinen, im Vorfeld unbeachteten Faktoren ein stattlicher Mehraufwand erwachsen.

Unter dem Strich meisterten die Partner aber die Herausforderungen, und auch das vermeintlich nur für Endkunden geeignete ADSL bewährte sich in der Praxis. "Wir sind mit der Performance der Lösung vollauf zufrieden. Die Datenübertragung verläuft sicher und stabil", bilanziert Geschäftsführer Spies. Die Bandbreiten reichen aus, um Daten aus Kassen- und Warenwirtschaftssystemen zu übertragen. Reizt man das Spektrum bis auf 16 Mbit/s im Download aus, lassen sich sogar Audio- und Videoinhalte problemlos via ADSL transportieren. Was Lotto Spies zufolge auch nutzt: "Wir versorgen über das Netzwerk unsere Jackpoint-Info-Terminals in den Annahmestellen auch mit Inhalten. An den LC-Displays informieren wir unsere Kunden so über die Lotto-Produkte." Zufrieden ist Spies auch über die Zusammenarbeit mit dem Partner, denn dieser habe nie den wirtschaftlichen Nutzen für den Anwender aus dem Fokus verloren, selbst wenn er für Lotto Hamburg maßgeschneiderte ADSL-Anschlüsse bereitstellen musste. Aus Sicherheitsgründen erfolgt nämlich die Authentisierung der angeschlossenen Endgeräte durch Lotto Hamburg selbst und nicht durch den Provider Hansenet.