Unternehmen zeigen UMTS noch die kalte Schulter

Lokalisierte Services und virtuelle Netzbetreiber als Umsatzquelle

09.03.2001
CANNES (CW) - Nach der Goldgräberstimmung im vergangenen Jahr macht sich in der europäischen Mobilfunkszene Katzenjammer breit. Dass sich die teuren UMTS-Lizenzen bald lohnen, erscheint immer unwahrscheinlicher, weshalb die Marktforscher bereits nach neuen Konzepten zur Umsatzerzeugung suchen.

Beflügelte UMTS als Zauberwort im letzten Jahr noch Analysten und Börsenkurse, so häufen sich mittlerweile die kritischen Stimmen, die vor einem möglichen finanziellen Desaster mit den Mobilfunknetzen der dritten Generation warnen. Neben den hohen Aufbauinvestitionen für Netze und Lizenzkosten scheinen vor allem User und Unternehmen den beteiligten Telcos einen Strich durch die Rechnung zu machen.

Anwender wollen für UMTS kaum mehr zahlen

Zwar steigt nach Berechnungen der Düsseldorfer BBDO Consulting das Volumen des europäischen M-Commerce-Marktes von sechs Milliarden Euro im laufenden Jahr bis 2003 auf rund 24 Milliarden Euro, doch das Wachstum ist vor allem auf den hohen Zuwachs der Nutzerzahlen zurückzuführen. Der einzelne Anwender selbst ist dabei jedoch, so die Düsseldorfer, nur selten bereit, für die neue Funktechnik mehr Geld auszugeben als heute für WAP beziehungsweise Internet (rund 15 Euro monatlich). Erschwerend kommt hinzu, dass laut BBDO beispielweise rund 80 Prozent der deutschen Unternehmen momentan keine konkreten Pläne für ein UMTS-Engagement haben.

Um dennoch auf ihre Kosten zu kommen, sieht das englische Marktforschungsunternehmen Ovum für die mobilen Netzbetreiber unter anderem folgende zwei Optionen: Zum einen könnten sie die Attraktivität ihrer Netze mit Location-based Services erhöhen, zum anderen mit virtuellen Netzbetreibern ihre Netzauslastung schneller steigern. Glaubt man den Auguren, so entwickelt sich das Geschäft mit entsprechenden Diensten bis 2006 weltweit zu einem 20-Milliarden-Dollar-Markt. Dabei ist laut Ovum unter den Location-based Services mehr zu verstehen als die oft zitierten lokalen Restaurantführer oder Tracking-Services. Diese machen im Jahr 2006, so die Autoren der Studie "Mobile Location Services: Market Strategies", nur noch einen geringen Prozentsatz des Marktvolumens aus, während das Gros des Umsatzes mit M-Commerce-Applikationen und lokalisierter Werbung erwirtschaftet wird (siehe Grafik "Umsatz mit Location-based Services")

Allerdings räumt auch Ovum ein, dass die Einahmen der Carrier aus dem Geschäft mit Location-based Services nur einen Bruchteil ihrer Gesamtumsätze ausmachen. Den Markt für die Dienste der virtuellen Netzbetreiber, den Ovum als zweite erfolgversprechende Einnahmequelle nennt, schätzen die Marktforscher für 2006 auf rund 13 Milliarden Dollar. Dazu seien aber mehrere Grundvoraussetzungen zu schaffen: Die virtuellen Netzbetreiber geben eigene SIM-Karten heraus, offerieren den Kunden eigene Dienste, verfügen über eine eigene Netzvorwahl sowie ein eigenes Switching-Center. Sei dies alles erreicht, dann könnten die UMTS-Investoren über die virtuellen Netzbetreiber einen Teil ihrer Aufbaukosten wieder hereinbekommen.

Regulierungsbehörden sind gefordert

Dazu müssen allerdings laut Ovum die Regulierungsbehörden in den einzelnen Ländern noch die rechtlichen Rahmenbedingungen für die virtuellen Player festlegen. Allerdings dürfte dies hierzulande den UMTS-Lizenznehmern nur bedingt weiterhelfen. Erst jüngst hatte die Regulierungsbehörde der Absicht der Lizenznehmer, gemeinsam eine UMTS-Infrastruktur aufzubauen, um diese dann als quasi virtuelle Netzbetreiber zu nutzen, eine Absage erteilt.

Die sechs erfolgreichen Bieter, so die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, müssen alle eine eigene Infrastruktur aufbauen. Ob sich dann für sechs Mobilfunknetze genügend Interessenten finden, die als virtuelle Netzbetreiber auftreten, erscheint mehr als fraglich, selbst wenn Ovum sich Großkonzerne wie etwa Coca-Cola in dieser Rolle vorstellen kann.

Abb: Umsatz mit Location-based Services

Werbung und E-Commerce-Applikationen sprechen die Marktforscher ein großes Umsatzpotenzial zu. (Quelle: Ovum)