Softwerker Tag und Nacht im Einsatz:

Lohnprogramme unter Gesetzeslawine begraben

29.01.1982

MÜNCHEN - Teilweise rund um die Uhr ackern seit Jahresbeginn Deutschlands Lohn- und Gehaltsspezialisten, um die umfangreichen Änderungen des erst Ende Dezember verkündeten 2. Haushaltsstrukturgesetzes in den Griff zu bekommen. Kenner der Szene vermuten, daß es im Januar fast keinem bundesdeutschen Arbeitgeber möglich ist, einen korrekten Lohnabschluß auf dem Computer zu fahren. Ärger gibt es deshalb nicht nur bei den Programmentwicklern, sondern auch bei den Anwendern.

Als "eine Zumutung" empfinden die meisten Angestellten in Softwarehäusern, bei Herstellern und Anwendern, aber auch Beamte die Vorgehensweise des Gesetzgebers bei der Einführung des 2. Haushaltsstrukturgesetzes. Dieses schon lange in der Diskussion befindliche Gesetzeswerk, in dem fast 50 bestehende Gesetze teilweise gravierend geändert werden, ist am 28. Dezember 1981 verkündet, am 29. Dezember veröffentlicht und am 1. Januar 1982 wirksam geworden.

Für den Sektor der Lohn- und Gehaltsrechnung beinhaltet dieses Gesetz nicht nur die zum Jahreswechsel üblichen Berechnungsänderungen, sondern greift drastisch in die bestehenden Programme ein.

"Unsere zuständigen Leute haben nachts und am Wochenende gearbeitet, um die gesetzlichen Bestimmungen in die Systeme einzubauen", sagt Dr. Arnd Westernacher, Geschäftsführer der Dr.-Ing. Westernacher EDV-Beratung GmbH in Karlsruhe stellvertretend für viele seiner Kollegen. Mit Hochdruck schaffen auch IBM-Mitarbeiter an den Programmänderungen, die hauptsächlich durch neue Bestimmungen des 3. Vermögensbildungsgesetzes (3. VermBG) und durch Änderungen des Einkommensteuer-Gesetzes (EStG) notwendig geworden sind. Die seit Januar in Kraft getretene Regelung zum 3. VermBG schreibt eine Aufteilung der bisherigen vermögenswirksamen Leistungen in verschiedene Gruppen vor.

Die verschiedenen Anlagearten (Kapital-, Geldsparanlagen) werden differenziert begünstigt und sind mit unterschiedlichen Prozentsätzen zu versehen, die zudem durch die Zahl der Kinder pro Familie beeinflußt werden. Für den Arbeitgeber besteht eine Aufzeichnungspflicht der erbrachten Leistungen und der ausgezahlten Sparzulage.

Das bedeutet, daß in die Datei zusätzliche Felder aufgenommen werden müssen. Jeder Arbeitnehmer unterliegt einer Überprüfung und Neuerfassung, sofern er vermögenswirksame Leistungen in Anspruch nimmt. Die Höhe der erbrachten Leistungen sei auf der Lohnsteuer-Bescheinigung nach Art und Prozentsatz gegliedert einzutragen, erläuter ein Mitarbeiter der Oberfinanzdirektion.

Aufzeichnungspflicht

Das Einkommensteuergesetz berücksichtigt in der geänderten Fassung verschiedene "Sozial-Einkünfte" wie Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Schlechtwettergeld und Kurzarbeitergeld. Diese Gelder bleiben wie bisher steuerfrei, werden aber bei der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers zur Bestimmung des Steuertarifes herangezogen.

Auch hier bestehe, so die Oberfinanzdirektion, für den Arbeitgeber schon ab dem ersten Tag Aufzeichnungspflicht über das gezahlte Kurzarbeiter- und Schlechtwettergeld im Lohnkonto. Am Ende des Ausgleichsjahres müssen die ausgezahlten Betrage in die Lohnbescheinigung auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden. Das war bisher nicht der Fall, so daß Betriebe, die diese Zahlungen leisten, eine diesbezügliche neue Datei anlegen müssen. Nach Aussage von Bernd Hentschel, Leiter der Lohn- und Gehaltsabrechnung der Ford-Werke AG, Köln, führe diese Bestimmung zu einer zusätzlichen Rechnung und einem zusätzlichen Nachweis. "Diese Bestimmung geht tief bis in die Systeme, da sich diese -Verfahrensregelung bis zum Ausdruck durchzieht", erklärt Hentschel.

Steuerpflichtige, die ab 1. Januar 1982 Einkünfte dieser Art beziehen, sollen nach dem Willen des Gesetzgebers mit einem besonderen Steuersatz veranlagt werden. Deshalb sollen die Arbeitgeber diese Mitarbeiter vom "betrieblichen Lohnsteuerjahresausgleich" ausnehmen; Hentschel sieht zum Jahresende einen "Run" auf die Lohnsteuerkarten voraus, um möglichst frühzeitig den persönlichen Jahresausgleich zu machen.

Änderungen gibt es auch bei der Lohnsteuerpauschalierung, nach der künftig jedem Arbeitnehmer nur noch ein mit zehn Prozent pauschalversteuertes Arbeitsverhältnis gestattet wird. Es gibt jetzt eine personenbezogene, von der Gemeinde ausgestellte Bescheinigung für die pauschale Lohnsteuer. Für weitere Arbeitsverhältnisse benötigt der Arbeitnehmer eine Karte der Klasse 6.

"Die Änderungen gehen bis runter zu den Prüfprogrammen", meint Systemberater Wolfgang Hunold von der Taylorix Organisation, "da neue Felder und Dateien eingeführt werden mußten." Ein zusätzlicher Aufwand entstehe dadurch, daß der Anwender Aber die Definitionen und Änderungen informiert werden müsse. Es seien nicht nur der Programmieraufwand zu berücksichtigen, sondern auch die Kosten für die Beschaffung neuen Organisationsmaterials wie Lohnsteuerkartenaufkleber und Lohnzettel. Auch die Gestaltung neuer Formulare erweist sich als Problem, da noch nicht alle Durchführungsverordnungen seitens der Behörden erstellt worden sind. Auch ihm selbst, so sagt Hunold, habe das 2. Haushaltsstrukturgesetz viel Ärger gemacht, es sei vier Wochen zu spät verkündet worden.

Daß man bis in die ersten Tage des Januar keine Auskünfte über die endgültigen Durchführungsvorschriften bekommen hat, moniert auch Dr. Westernacher. Die Änderungsarbeiten hätten dadurch unter starkem Termindruck stattgefunden. Normale Arbeiten seiner Lohn- und Gehaltsspezialisten seien aufgeschoben worden. "Obwohl wir es fast aus gestanden haben, rechnen wir noch mit zusätzlichem Aufwand", befürchtet der DV-Berater. Nicht nur Software-Häuser, sondern auch viele Anwender werden ins Schwitzen geraten, meint Friedrich Edinger. Das Geschäftsleitungsmitglied der Ploenzke GmbH, Stuttgart, beglückwünscht diejenigen, die Standard-Software einsetzen und jetzt auf die Änderungen warten können. "Diejenigen, die die umfangreichen Arbeiten in alten Systemen durchführen müssen, werden wohl aus Zeitgründen zur ,Rückrechnung´ greifen müssen", vermutet Edinger und fragt sich, ob nicht durch Hektik neue Fehlerquellen entstehen.

Gute Kontakte lohnen

Mit etwas weniger Streß scheinen die Unternehmen weggekommen zu sein, die vorab - sozusagen auf Verdacht - eine Näherungslösung suchten und realisierten. "Wir hatten das Ohr schon frühzeitig am Puls", meinte eine Siemens-Mitarbeiterin, und ein Darmstädter Software-Haus gibt zu, daß auch dort gepokert wurde.