Social-Collaboration

Lösungen, die noch das Problem suchen

10.12.2014
Von 
Siegfried Lautenbacher ist seit 1989 unternehmerisch in der IT-Branche tätig. Zur Jahrtausendwende übernahm er die Geschäftsleitung für die Beck et al. Services GmbH – einem international agierenden IT-Services Unternehmen – das seine Leistungen an der Schnittstelle zwischen IT und Business ausrichtet. Social Collaboration und dessen Auswirkungen auf den Arbeitsplatz der Zukunft  sind zentrale Säulen des Leistungsprofils sowie der eigenen Unternehmenskultur von Beck et al. Services. Siegfried Lautenbacher ist Mitgründer des Start-ups Valuescope. Es bietet Services im Bereich von Social Media Analysis und Sales Intelligence an.
Die Einführungen interner Kommunikations- und Kollaborationslösungen läuft nicht immer so glatt, wie es die notorischen Success-Stories vermitteln. Die gute Nachricht: in noch so festgefahrenen Projektsituationen schlummern Potenziale.
Siegfried Lautenbacher: "Zwischen all den propagierten Erfolgsfaktoren lohnt sich die Auseinandersetzung mit den wahren Gründen für ins Stocken geratene Social-Media Projekte. Es geht im Wesentlichen darum, mit dem Bekannten zu brechen, um vorwärts zu kommen."
Siegfried Lautenbacher: "Zwischen all den propagierten Erfolgsfaktoren lohnt sich die Auseinandersetzung mit den wahren Gründen für ins Stocken geratene Social-Media Projekte. Es geht im Wesentlichen darum, mit dem Bekannten zu brechen, um vorwärts zu kommen."
Foto: Beck et al. Services

An der Qualität der zahlreichen Social-Collaboration-Plattformen gibt es heute kaum mehr was auszusetzen, technologisch bieten die etablierten Anbieter allesamt Lösungen auf hohem Niveau. Ob das auch für ihr Verständnis der realen Herausforderungen des Social Business gilt, darf bezweifelt werden. Manchmal könnte man meinen, sie sind Zaungäste auf ihrer eigenen Party, die nicht recht wissen, warum sich alle amüsieren. Und das kommt nicht einmal überraschend, denn bekanntlich hat doch der Wandel hin zum Enterprise 2.0 eine starke kulturelle Komponente, der man mit rein technischen Mitteln nicht beikommen kann.

Ähnlich steht es um die erfolgreiche Umsetzung von Social Collaboration in den Unternehmen. Erst nachdem die hochgesteckten Erwartungen an eine schnelle unternehmensweite Nutzung der Social Software nicht erfüllt wurden, erkennen viele, dass sie es nicht mit homogenen Uniformwesen im Unternehmen zu tun haben. Im Gegenteil, ihre Software trifft auf unterschiedliche Verhaltensweisen, Arbeitsmarotten und Wahrnehmungen. Das ist einer der Gründe, warum die Erfolge auf dem Weg zum Social Business noch auf sich warten lassen. Jede Unternehmenskultur hat eben ihre eigenen (meist ungeschriebenen) Gesetze und folgt einer anderen Dynamik.

Aus vielen Kundenprojekten weiß ich dennoch, dass jede noch so festgefahrene Situation auch Potenziale birgt im Hinblick auf den Wandel. Und das Offensichtliche nicht immer auch das Richtige ist.

1. Die Unwissenheit "ich habe keine Ahnung"

Gerade wenn es darum geht, Mitarbeitern in Schulungen oder Trainings beizubringen, wie sie über eine neue Software künftig ihre Arbeit organisieren könnten, besteht erst einmal die Gefahr, dass sie sich überfordert fühlen. Erfahrungsgemäß profitieren diejenigen, die mit wenig Vorwissen "belastet" sind, aufgrund ihrer Unvoreingenommenheit am schnellsten. Sie haben keine feste Erwartung und lassen sich einfach von dem überraschen, was da kommt. Genau hier liegt das Potenzial. Mit dieser Erkenntnis sollte die Kommunikation aufgezogen werden. An diesem Beispiel aus der Arbeitsumgebung dieser Mitarbeiter erklärt man dann, wie durch Vernetzung, den Einsatz bestimmter Instrumente und Anwendungen die tägliche Arbeit verbessert werden kann. Diese Mitarbeiter entwickeln auf Basis ihres Wissens von ganz allein das Bedürfnis für den Wandel. Besonders gut gelingt das, wenn es einen unmittelbaren Bezug zur eigenen Tätigkeit gibt.

2. Ablehnung - Feind oder Fürsprecher?

Nicht jeder Mitarbeiter ist gleichermaßen begeistert vom Neuen. Im Gegenteil, viele lehnen sich erst einmal zurück, verschränkten die Arme und zeigen eine ablehnende Haltung. Und an denen beißen sich viele Projektleiter die Zähne aus.Dabei zeigt sich immer wieder, dass gerade diese Widersacher oft die wichtigsten Helfer und Informationsquellen für die Umsetzung schwieriger Projekte sein können. Und sie haben meist sogar triftige Gründe, warum sie den Wandel sabotieren - beispielsweise schlechte Projektkommunikation, Furcht vor Kompetenz- und Autoritätsverlust und ähnliches. Geht man mit ihnen gemeinsam die Lösung ihres Problems an, gewinnt man oft den besten Fürsprecher für den Wandel. Selbst wenn es sich um eine große Belegschaft handelt, in der nur wenige Personen den Wandel ablehnen, lohnt sich diese Vorgehensweise mit Blick auf den Gesamterfolg.

3. Technikferne heißt nicht Unverständnis

Die meisten Social Collaboration-Projekte starten unter der Annahme, ein Anwender besitzt mindestens ein Smartphone, ein Tablet oder ein Ultrabook. Falsch! Wir bewegen uns immer noch in einer Arbeitswelt, in der noch der gute alte PC Arbeitsplatz vorherrscht. Da schlummert wiederum Potenzial für den Wandel. Diese "Technikferne" gibt viel mehr Spielraum bei der Frage: Welchen Nutzen hat ein Enterprise Social Network? Welche Alternativen bieten sich zur Social Software an? Wie kann die Unternehmensvernetzung anders erreicht werden? Hürden lassen sich unter Umständen ganz einfach beseitigen, indem jeder Mitarbeiter aus dieser technikfernen Gruppe zunächst einmal ein mobiles Endgerät bekommt, mit dem er dann auf das Unternehmens-Netzwerk zu greifen kann?

4. Enthusiasmus der Mitarbeiter - Vorteil oder Bremse?

Wer kennt das nicht? Ein Team im Unternehmen läutet die Kehrtwende Richtung Social Business ein. Junge Mitarbeiter sind begeistert. Endlich können sie am Arbeitsplatz ebenso arbeiten wie privat. Aufbruchstimmung macht sich breit. Angestaubte Strukturen und hierarchische Informationsflüsse gehören ab sofort der Vergangenheit an. Auf diese Euphorie folgt meist nur wenige Monate später die Ernüchterung. Die Technik funktioniert nicht so wie erwartet! Dabei sollte doch alles viel besser werden. In diesem Fall hat man es schnell mit einem ganz anderen Wandel zu tun - dem Wandel vom Enthusiasmus in Richtung Resignation. Schlimmer noch: Die Zweifler gewinnen jetzt an Boden, und sie werden behaupten: "Die bisherige Arbeitsweise war eben doch besser, da hat wenigstens alles funktioniert."

5. Social Media Erfahrung - (zweifelhafter) Vorsprung?

Was kann schöner sein, als Mitarbeiter zu haben, sie sich mit den vernetzten Arbeitsweisen und Werkzeugen für ein Enterprise 2.0 schon bestens auskennen? Menschen, die intuitiv beruflich wie privat Social Collaboration leben und atmen? Doch Vorsicht bei solchen Annahmen. Das private Netzwerken hat mit dem beruflichen Netzwerken im Unternehmensumfeld nicht viel gemein. In der Firma geht der Wandel erst durch einen langen Kulturkorridor. Die Akzeptanz der neuen Arbeitsweise muss sich bei den meisten Mitarbeitern erst langsam entwickeln. "Social Natives" stoßen hier möglicherweise schnell auf Widerstand und Enttäuschung. Wo man im privaten Umfeld immer mindestens 10 Kommentare oder Likes auf Blog und Facebook erntete, passiert im Unternehmensnetz mitunter rein gar nichts. Auch ihre Erwartungen an die "user experience" der unternehmensinternen Social-Media-Funktionen kann schnell in Frust umschlagen. Nutzungsszenarien und Anwendungen funktionieren im Unternehmen anders als im privaten Umfeld. Denn bei am Ende handelt es sich um Plattformen zur Zusammenarbeit und Prozessverbesserung - und nicht um Facebook oder Pinterest.

Fazit: Zwischen all den propagierten Erfolgsfaktoren lohnt sich die Auseinandersetzung mit den wahren Gründen für ins Stocken geratene Social-Media Projekte. Es geht im Wesentlichen darum, mit dem Bekannten zu brechen, um vorwärts zu kommen. (bw)