Berliner IT-Holding muß(te) Wachstum finanzieren

Lobster Technology: Nach dem Börsengang soll es losgehen

22.05.1998

Nicht dem Frankfurter Neuen Markt, sondern dem Berliner Freiverkehr gab Alexander von Troschke, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Lobster Technology Holding AG, den Vorzug. Den Börsenplatz Frankfurt hält der Unternehmenschef derzeit für zu unsicher, viele der dort gehandelten Papiere seien überbewertet. "Bei den derzeitigen Zickzack-Kursen der Neuemissionen kann ein kleines Unternehmen schnell unter Druck geraten", gibt von Troschke zu bedenken. Möglicherweise dürften aber auch die strengeren Aufnahmekriterien des Neuen Markts den Ausschlag zugunsten des Berliner Freiverkehrs gegeben haben. Rund zehn Millionen Mark sollen dem Unternehmen jedenfalls laut von Troschke durch den Börsengang zufließen - Kapital, das angesichts leerer Firmenkassen dringend benötigt wird, um in ein solides Wachstum der beiden Töchter zu investieren.

Bereits 1990 wurde die Lobster Computer Concept GmbH gegründet, die vorwiegend im Hardwaregeschäft tätig ist. Zum einen agiert das Unternehmen als Value-Added-Distributor und vertreibt exklusiv datensichere Raid-Server-Systeme des US-Herstellers Mylex. Neben der Autorisierung von Mylex-Partnern übernimmt Lobster dabei auch die gesamte Vermarktung der Produkte. Zum anderen stellt Lobster selbst redundante File-Server- und PC-Systeme her, die auch unter eigenem Label vermarktet werden.

Die strategische Ausrichtung des Unternehmens auf zwei Spezialtechnologien ist allerdings kein Zufall. "Aufgrund des harten Wettbewerbs und des momentanen Umbruchs im Distributionsmarkt haben wir als mittelständische Firma nur als Nischenanbieter eine Chance", betont von Troschke. Im zurückliegenden Geschäftsjahr 1996/97 (Ende: 30. Juni) stieg der Umsatz des Stammhauses gegenüber dem Vorjahr von 8,7 auf 12,2 Millionen Mark. Finanzchef Matthias Woppmann rechnet für das noch laufende Geschäftsjahr mit Einnahmen in Höhe von 16 Millionen Mark, 1998/99 soll dann die Umsatzmarke von 25 Millionen Mark überschritten werden.

Noch nicht aus den Turbulenzen der Startphase herausgekommen ist hingegen das zweite Tochterunternehmen der Holding, die 1997 aus der Lobster Computer Concept GmbH ausgegründete Mention Software GmbH. Mit "Mention Management Environment" haben die Berliner Software-Spezialisten ein mehrsprachiges Warenwirtschaftssystem entwickelt, das unter anderem Funktionen wie Finanzbuchhaltung, Produktionssteuerung, Dokumentenverwaltung, ISDN-Telefonie-Integration, Management-Informationssystem (MIS) und Mehrwährungsfähigkeit beinhaltet. Seit Anfang des Jahres ist die Lösung im Markt erhältlich und adressiert vorwiegend Handelsunternehmen mit bis zu 200 Beschäftigten.

Während die Newcomer bei Mention Software für das Rumpfgeschäftjahr bis zum 30. Juni 1998 Einnahmen von knapp zwei Millionen Mark anvisieren, geht man bei der Holding für 1998/99 bereits von einem Umsatzsprung auf neun Millionen Mark aus. Die Erwartungen in die Neuentwicklung sind sehr hoch: Bis zur Jahrtausendwende will Mention neben SAP und Navision zu den führenden Anbietern von Warenwirtschaftssystemen gehören. Ein, vorsichtig formuliert, ehrgeiziges Vorhaben, in das jedoch auch entsprechend investiert wurde. Allein 1,7 Millionen Mark sind bislang in die Software-Entwicklung geflossen - was natürlich auch einen Großteil der hohen Vorlaufkosten der Holding ausmacht, die das laufende Geschäftsjahr mit einem voraussichtlichen Fehlbetrag in Höhe von 1,5 Millionen Mark abschließen dürfte. Schon im kommenden Fiskaljahr, gibt sich von Troschke überzeugt, wird die Lobster Technology Holding indes mit einem Plus von mehr als zwei Millionen Mark auf die Gewinnspur wechseln.

Bis dato scheint das Kalkül des Firmenchefs aufzugehen, denn seine Wachstums- und Gewinnstrategie hing unter anderem stark von einem gelingenden Going Public ab. Vor rund zwei Wochen konnte Lobster jedenfalls Erfolg auf der ganzen Linie melden: Aufgrund eines, wie es hieß, "überragenden Interesses" wurde die ursprünglich bis 8. Mai terminierte Zeichnungsfrist bereits am 5. Mai vorzeitig beendet. Zum Zeitpunkt der Schließung war die Emission (insgesamt wurden 500 000 Aktien der Lobster Technology Holding AG in einer Preisspanne zwischen 16 und 20 Mark angeboten) bereits mehr als 50fach überzeichnet. Die beiden ersten Börsentage am 12. und 13. Mai ließen den Kurs der Aktie auf 35 beziehungsweise 41,80 Mark steigen.

Einziger Wermutstropfen: Die mit dem Going Public verbundenen Kosten belaufen sich auf etwa 750000 Mark. Und durch den Börsengang verliert von Troschke auch die Mehrheit am Unternehmen, sein Anteil reduziert sich von 64 auf 42 Prozent. Um eine finanzielle Schieflage abzuwenden, wurden Ende vergangenen Jahres auch Risikokapitalgeber, vertreten durch die Technologie-Beteiligungsgesellschaft bmp AG Venture Capital & Network Management, mit zehn Prozent ins Boot genommen. 2,5 Milliarden Mark ließen sich die Wagniskapitalisten das Abenteuer kosten. Die restlichen Anteile halten führende Mitarbeiter.

Stärkung der Vertriebskanäle ist die dringendste Aufgabe

Mit dem Kapitalzuwachs aus dem Börsengang sollen, wie eingangs erwähnt, ja die Aktivitäten auf eine solide Wachstumsbasis gestellt werden. "Das Going Public hat überwiegend mit Mention zu tun. Was uns bislang fehlte, war das Geld für eine erfolgreiche Markteinführung der Software", gibt von Troschke freimütig zu. Ziel sei es hier vor allem, für das eigene Warenwirtschaftssystem indirekte Vertriebskanäle über den Fachhandel aufzubauen. Gleiche Priorität soll aber auch die Stärkung des Partnervertriebs bei der Computer Concept GmbH genießen. Hier gilt es vor allem, dem Raid-Server-Geschäft, das bislang überwiegend auf Berlin konzentriert war, auch im übrigen Bundesgebiet auf die Beine zu helfen.

Auch in Sachen europäische Expansion hat der Lobster-Chef bereits Pläne in der Schublade liegen - primär England und Frankreich betreffend. Akquisitionen im Anschluß an den Börsengang kommen für von Troschke hingegen zunächst nicht in Frage, auch wenn er die eine oder andere Firmenbeteiligung mittelfristig nicht ausschließen möchte. Und weitergehende Vorstellungen hat von Troschke auch noch: Nächster großer Meilenstein in der Geschichte seiner Company könnte auch der Sprung über den großen Teich sein - ein Listing an der US-Computerbörse Nasdaq..

Andrea Goder ist freie Journalistin in München.