Harald Lemke, Land Hessen

Lob gibt es nicht

29.11.2006
Von 
Horst Ellermann ist Herausgeber des CIO-Magazins und Ambassador für CIOmove in Deutschland.
IT im öffentlichen Dienst hat nicht den besten Ruf. Harald Lemke hat der freien Wirtschaft den Rücken gekehrt, um als Staatssekretär gegen diesen Missstand zu kämpfen.

Harald Lemke wettert gegen die Berichterstattung über öffentliche IT-Projekte: "Das Ausbleiben von Opposition ist das höchste Lob, das Sie in diesem Bereich erzielen können", resümiert der CIO des Landes Hessen. Lemke kennt es auch anders: Er hat bei Digital Equipment, Nixdorf-Computer und IBM gearbeitet, bevor er in die öffentliche Verwaltung ging: Hier hat er die IT der Hamburger Polizei, das Rechenzentrum der Hamburger Verwaltung und die IT des Bundeskriminalamtes (BKA) geleitet. Und seit 2003 ist er der erste CIO des Landes Hessen.

Erfolgsbausteine

- Inpol gerettet;

- Land Hessen von R3 auf MySAP migriert ;

- konsolidiert gerade die Infrastruktur;

- führt das SAP Enterprise Portal ein;

- vereinheitlicht das Dokumenten-Management;

- zentralisiert den Einkauf durch E-Procurement.

Lemkes Bilanz fällt eigentlich traurig aus für einen Mann, der sich um die Rettung so großer Projekte wie "Inpol" beim BKA verdient gemacht hat. Lemke gibt sich jedoch nicht verbittert. Es liege in der Natur der Sache, dass IT im öffentlichen Bereich schlechtgeredet werde. Kontrollinstanz für die Verwaltung sei nun mal das Parlament und nicht ein Aufsichtsrat. Aufsichtsräte hätten bei aller Kritik immer noch das Bestreben, ihr Unternehmen in gutem Licht erscheinen zu lassen - Oppositionelle nicht. "Bei uns möchte fast die Hälfte aller Aufsichtsräte, dass wir schlecht aussehen", sagt Lemke, der als Staatssekretär von R3 auf MySAP migriert hat, gerade die Infrastruktur konsolidiert, das SAP Enterprise Portal einführt, das Dokumenten-Management vereinheitlicht und den Einkauf durch E-Procurement zentralisiert.

Dabei zeigt der Staatssekretär durchaus Verständnis für Kritik der Opposition: "Wir leben nun mal in einer reizüberfluteten Welt, in der die Gehörgänge verstopft sind." Fehler in einem öffentlichen IT-Projekt hervorzuheben sei normal. Lemke stört jedoch der Umgang mit Risiken: "Wir haben im öffentlichen Raum eine Kultur entwickelt, in der es keine Probleme mehr gibt." Projekte, bei denen alle Alarmlampen rot blinken, würden von Ebene zu Ebene schöngeredet, bis schließlich beim Minister alles grün leuchtet. Das sei bei der Maut so gewesen, ebenso wie bei Inpol oder beim Arbeitslosengeld II. "Im Planen sind wir toll, aber bei der Kontrolle haben wir nicht die richtigen Mechanismen", sagt Lemke.

IT-Projekte in Firmen ließen sich leichter steuern, da dort die Mechanismen Fehler tolerieren. Das Pareto-Prinzip - auch als 80:20-Regel bekannt - werde hier gelebt: Wer alles hundertprozentig richtig machen will, vergeudet zu viel Kraft. Einerseits kostet das Erreichen der letzten 20 Prozent eines Ziels 80 Prozent der Anstrengung. Andererseits erzielt man die ersten 80 Prozent eines gewünschten Endzustands schon mit 20 Prozent des Aufwands.

Zur Person

Seit April 2003 CIO der Hessischen Landesregierung

2002-2003 IT-Direktor des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden

1998-2002 IuK-Leiter der Polizei Hamburg

1996-1998 Projektleiter für Großprojekte bei IBM

1989-1995 IuK-Leiter des Landesbetriebes Krankenhäuser in Hamburg und RZ-Leiter im Landesamt für Informationstechnik

1987-1989 Geschäftsstellenleiter Forschung und Lehre Nixdorf Computer

In einer Kultur der Hundertfünfzigprozentigen mag diese - zugeben etwas grobe - Rechnung natürlich niemand hören. Politiker erwarten von ihren Beamten, dass sie Fehler auf jeden Fall vermeiden. Staatsdiener sichern sich folglich mehrfach ab. Lemke hat dies im Zuge der Einführung eines Dokumenten- und Workflow-Management-Systems gespürt: Neun Stellen hätten sich früher im Land Hessen um die Bewilligung der Beihilfe gekümmert, die Beamten bei Einreichen einer Arztrechnung zusteht. Private Krankenkassen kommen mit einer Bewilligungsstelle aus, allerdings prüfen sie auch jeden der eingegangenen Belege. Die hessische Verwaltung leistet sich diesen Luxus mittlerweile auch nicht mehr. Lieber konzentriert sich Lemke auf das Wesentliche.