Menschengerechte Software wichtiger als DV-Euphorie:

lnformatiker rügen SDI und Datenminßbrauch

24.10.1986

BERLIN (ih) - Zwei Informatiker Welten prallten an der Technischen Universität in Berlin aufeinander. Während Technik-Euphorie auf der 16. Jahrestagung der Gesellschaft für Informatik (GI) vom 6. bis 10. Oktober 1986 den Ton angab, warnten zuvor die Informatiker für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIFF) auf Ihren Veranstaltungen vor der Gefahr des Mißbrauchs der Informationstechnik.

Starker Andrang herrschte mit insgesamt 1100 Teilnehmern auf der 16. Jahrestagung der Gesellschaft für Informatik in Berlin, als GI-Präsident Professor Fritz Krückeberg das 10 000ste " persönliche " Mitglied begrüßte. Die Vorträge und Fachgespräche der GI-Veranstaltung standen unter dem Motto" Informatik-Anwendungen - Trends und Perspektiven ". Den Tagungsschwerpunkt bildeten Informatik-Anwenigen im Verwaltungs- und Productionsbereich. Referenten aus Industrie und Wissenschaft zeigten auf, welche Perspektiven sich hier durch den Einsatz von Methoden der Künstlichen Intelligenz, Technik des papierarmen Büros sowie Verfahren der Computer-Grafik und Bildverarbeitung eröffnen.

Als weiteren wichtigen Schwerpunkt ihrer zukünftigen Tätigkeit sieht die Gesellschaft für Informatik den Ausbildungsbereich. Anläßlich der Jahrestagung wurde deshalb ein neues Informatik-Schulungsprogramm, die" GI - Deutsche Informatik-Akademie ", ins Leben gerufen. Hier sollen regelmäßige, überwiegend deutschsprachige Weiterbildungsveranstaltungen durchgeführt werden.

FIFF bringt GI In Verlegenheit

Nicht nur vom Nutzen der Technologie sprach indes Professor Udo Simon, TU Berlin, in seiner Begrüßungsansprache. So warnte er die Teilnehmer vor den Gefahren des ungeheuren Mißbrauchs der Informationstechnik.

Mit genau diesem Thema beschäftigen sich die Informatiker für Frieden und gesellschaftliche, Verantwortung (FIFF) auf ihrerTagung"Umdenken in der Informatik", die der Berliner Wissenschaftler drei Tage zuvor eröffnet hatte. Simon gab zu bedenken, wie wichtig es für Informatiker ist, nicht nur über den Nutzen, sondern auch über den Schaden der von ihnen entwickelten Produkte nachzudenken.

Überhaupt bekam der GI-Vorstand die Auswirkungen der FIFF-Tagung des öfteren zu spüren. So sahen sich die Veranstalter auf der anschließenden Pressekonferenz mit der Kritik konfrontiert, die GI zeige nur die positiven Aspekte der Informationstechnik auf. GI-Präsident Krückeberg wehrte sich indes gegen den Vorwurf, seine Gesellschaft überlasse Skepsis und Nachdenklichkeit den FIFF-Kollegen. Krückeberg energisch:" Bei uns gibt es seit Jahren den Arbeitskreis Informatik und Gesellschaft, der sich mit diesen Problemen auseinandersetzt ". Trotzdem konnte auch Geschäftsführer Hermann Rampacher, inzwischen selbst FIFF-Mitglied, den Verdacht nicht vollständig ausräumen, die GI befasse sich mit dem Bereich negative Auswirkungen sowie Mißbrauch der Informationstechnik" nur am Rande ".

Statt Technik-Euphorie mehr Bürgeraufklärung

Tatsächlich war auf der 2. Jahrestagung der Informatiker für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIFF) wenig von TechnikEuphorie zu spüren. Die rund 350 DV-Fachleute aus Hochschulen, Forschungseinrichtungen und DV-Unternehmen drückten vielmehr ihre Besorgnis über den gegenwärtigen und geplanten Einsatz der Computertechnologie bei militärischen Anwendungen aus -insbesondere auch im Strategic-Defense-Initiative(SDI-)Program.

Aber auch die Entwicklung in der Bundesrepublik, die zur totalen Erfassung der Bürger mit Hilfe der Informationstechnik führe, halten die Wissenschaftler für bedenklich. Ihre Aufgabe sei deshalb, den Bürger über die möglichen Gefahren aufzuklären. Nach Meinung der FIFF-Mittglieder ist die Befürchtung gar nicht so utopisch, daß über jeden Bürger Daten bei einer oder mehreren die "Sicherheit des Staates " garantierenden Behörde gespeichert sind und damit weiteren Ämtern zur Verfügung stehen. Hier könne nur eine Demokratisierung der Informatik die Voraussetzung für eine Technikentwicklung sein, die dem Menschen wirklich nutze.

Frau Professor Christiane Floyd vom Informatikbereich der TU Berlin betonte, daß das Motto ihrer Tagung" Umdenken in der Informatik" sowohl die Forschung als auch sämtliche gesellschaftliche Bereiche betreffe, in denen Informationstechnik eingesetzt wird. Eine positive Veränderung würde auch bedeuten, daß in den einzelnen Betrieben zukünftig durch menschengerechtere Software aus bisher nur betroffenen Anwendern Beteiligte werden, die an Projektentscheidungen mitwirken können.

Umdenken ist dringend erforderlich

Der Münchner Softwareexperte Wolfgang Hesse zog das Fazit der FIFF-Veranstaltung mit den Worten des Philosophen und Buchautors Hans Jonas:" Computer stehen zwischen den Menschen verbindend oder trennend, als Waffe oder Hilfsmittel - je nachdem, wer sie wie einsetzt. Deswegen ist es - bevor wir mit dem Rechner umgehen - wichtig, wie wir miteinander umgehen."