Live vom Spielfeldrand

02.05.2008
Mit dem "DFBnet" stellt der Deutsche Fußball-Bund seinen 6,5 Millionen Mitgliedern zur Organisation des Spielbetriebs eine zentrale Web-Plattform auf SaaS-Basis (Software as a Service) zur Verfügung.

Jedes Wochenende herrscht Hochbetrieb auf Deutschlands Fußballplätzen. Von den Minikickern im Vorschulalter über die Damenteams bis hin zu den Altherrenmannschaften frönen Millionen Vereinskicker dem Volkssport Nummer eins. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) umfasst 27 Landes- und Regionalverbände, in denen rund 26 000 Vereine organisiert sind. Mehr als zwei Millionen Spieler kämpfen in etwa 18 000 verschiedenen Ligen mit über 170 000 Mannschaften um Meisterschaften und Pokale, Aufstiege, Platzierungen und gegen Abstiege. Das Sammeln und Verwalten unzähliger Informationen über bis zu 70 000 Spiele pro Woche (1,4 Millionen sind es in der laufenden Spielzeit 2007/08 insgesamt), die Mannschaften, Spieler, Trainer, Funktionäre und Schiedsrichter ist bei diesen Ausmaßen eine Herausforderung, die ohne technische Hilfsmittel nicht zu meistern wäre.

Einheitliche Workflows

Die Lösung heißt DFBnet und ist als modulare SaaS-Applikation seit kurzem im Volleinsatz. Sie umfasst zum einen die Web-Anwendungen "DFBnet Lizenz", "DFBnet Pass" und "DFBnet Verband", die auf einem einzigen Portal zusammenlaufen und auf einer zentralen Datenbank aufsetzen. Verbände und Funktionäre können damit Spielberichte, Spiel- und Schiedsrichteransetzungen einheitlich übermitteln sowie alle anfallenden Verwaltungsvorgänge im Verband Internet-basiert abwickeln. Mit "DFBnet Verein" haben zum anderen alle Fußballvereine die Möglichkeit, Alltagsaufgaben wie Mitglieder- und Beitragsverwaltung standardisiert zu erledigen.

Bereits in den 90er Jahren hatten verschiedene Verbände eigene Softwarelösungen entwickelt, um die immer schneller wachsende Papierflut aufzuhalten. Es fehlte jedoch an einer klaren Linie: Jeder Landesverband hatte eigene Herangehensweisen, jeder Club eine andere Applikation im Einsatz. 2002 gründete der Deutsche Fußball-Bund mit der DFB Medien als hundertprozentiger Tochtergesellschaft ein Systemhaus, das sich als Auftragsdienstleister fortan um die Entwicklung einheitlicher Software kümmern und diese später dann den Verbänden und Vereinen als selbständiger SaaS-Anbieter zur Verfügung stellen sollte. Seit Oktober 2007 ist das Großprojekt - die gemeinsame Datenbasis DFBnet - in den Kernkomponenten abgeschlossen.

Projektsteckbrief: DFBnet

Projektart: Aufbau eines Kommunikations- und Informationssystems für den deutschen Fußball.

Zeitrahmen: Konzept, Entwicklung und Implementierung von 2002 bis 2008 (Ausbau und Erweiterungen bis zirka 2011).

Stand heute: Die Hauptmodule laufen produktiv, sind aber noch nicht vollständig bei allen Verbänden eingeführt.

Produkte: Integriertes, web-basiertes eigenes ERP-System auf Java-J2EE-Basis; Application Server Jboss; Datenbank Oracle; Virenschutz Avira.

Dienstleister: hauptsächlich Eigenentwicklung; dazu externe Dienstleister, unter anderem SIS, FSC, Oracle, Avira, Telekom.

Nächste Schritte: Einführung der Lösung in allen Verbänden; Angebot an weitere Sportverbände.

Mit DFBnet Lizenz lassen sich seit 2004 Trainer- und Schiedsrichterlizenzen verwalten und entsprechende Ausweise ausstellen. Das Modul DFBnet Pass kam im Sommer 2005 hinzu und lieferte analog dazu ein System für die Verwaltung von Spielerpässen samt Spielberechtigungen. Diese Aufgaben waren bis zu diesen jeweiligen Zeitpunkten mit verbandseigenen Softwarelösungen bearbeitet worden, die aber insbesondere die übergreifende Zusammenarbeit, beispielsweise beim internationalen Spielerwechsel oder bei einem Wechsel über Verbandsgrenzen hinweg, nicht elektronisch unterstützen konnten.

"Die föderalen Strukturen der Verbandswelt und die unterschiedlichen Anforderungen der Verbände haben manchen Kompromiss in der Vorgehensweise gefordert", so Kurt Gärtner, Geschäftsführer von DFB Medien. So wurden zunächst die Lösungen entwickelt, die die Verbände noch nicht in Eigenregie umgesetzt hatten, erst anschließend die bereits vorhandenen Prozesse standardisiert.

Der elektronische Spielbericht

Mit dem Modul DFBnet Verband stand Mitte 2007 eine einheitliche Gesamtdatenbasis zur Verfügung. Die Landesverbände konnten nun unter anderem ihre verschiedenen Vereine, Gremien, Organe, Funktionäre, Tagungen und Veranstaltungen verwalten - ein Hilfsmittel, das es in dieser Form bislang nicht gab. Mit dem "DFBnet Spielbericht" hat seit dieser Saison auch der Amateurfußball einen wichtigen Schritt nach vorne gemacht - laut Gärtner sogar auf eine im weltweiten Fußballgeschäft einzigartige Weise. Der offizielle Papierspielbericht mit den beiden Mannschaften, Auswechslungen, Karten, Toren und Vorkommnissen wird nun ebenso digital und online ausgefüllt. Zugriff haben nur die beiden am Spiel beteiligten Vereine für die Aufstellung vor dem Spiel und der Schiedsrichter für seine Eingaben nach Abpfiff. Die Vorteile für die Vereine liegen auf der Hand: Die Spielernamen werden direkt aus dem zentralen DFBnet-Passprogramm gezogen, der Versand per Post entfällt. Wenn die Strafen und Sperren für einzelne Spieler über das DFBnet registriert werden, können zudem regelwidrige Aufstellungen vermieden werden. Zu Papierzeiten hatte dies viele Vereine noch wertvolle Punkte gekostet - selbst in den höchsten Ligen.

30 bis 60 Minuten

Beim flächendeckend eingeführten DFBnet Spielbetrieb werden die Spielereignisse aller etwa 1,4 Millionen Spiele pro Saison digital erfasst. Vorrangig geht es dabei um die schnelle Meldung der Ergebnisse, damit die einzelnen Tabellen rasch auf den aktuellen Stand gebracht werden können - in der Regel in 30 bis 60 Minuten nach Abpfiff. Wer möchte, kann "direkt mit Notebook und UMTS-Karte vom Spielfeldrand aus melden", so Gärtner. Alternativ steht der Weg via SMS oder Telefon zur Verfügung: Die Ergebnisse werden aus einer standardisierten Nachricht ausgelesen und in die Datenbank geschrieben. Mit einem Prüfungsverfahren sollen Zahlendreher und Fehleingaben vermieden werden. Erst wenn der Staffelleiter (der einer Altersklasse oder Liga vorangestellte Verbandsfunktionär) die Daten gegengelesen und sein Okay gegeben hat, zeigt das System die Ergebnisse als bestätigt an.

Zugänglich ist die Web-Plattform für alle angemeldeten Anwender. Einige geschäftskritischere Module der SaaS-Applikationen und eingespeicherte, datenschutzrechtlich relevante Informationen über Spieler und Vereine sind dagegen nur für Verbandsfunktionäre via VPN (Virtual Private Network) über das DFBnet-Intranet erreichbar.

Im Rahmen des DFBnet setzte das DFB-Systemhaus des Weiteren ein geschlossenes Kommunikationssystem auf, das den Nachrichtenfluss nur "in den eigenen vier Wänden" zulässt - E-Mails von unbekannten Adressen werden geblockt. Durch die in sich geschlossene Struktur kann die juristische Verbindlichkeit der digital übermittelten Daten wie Rechnungen, Sportgerichtsbescheide, Satzungen und Ordnungen gewährleistet werden. Für die Zukunft können sich DFB Medien und die Verbände vorstellen, jeder der über 100 000 Personen, die als Schiedsrichter, Trainer oder Funktionäre an der Basis arbeiten, ein eigenes DFBnet-Postfach zuzuteilen. Bislang haben die Verbände rund 20 000 Postfächer eingerichtet.

Immer wieder sonntags

Das zwölfköpfige Entwicklerteam der DFB Medien hat den Großteil des im DFBnet eingesetzten Codes in der Hannoverschen Zweigstelle selbst geschrieben, nur teilweise wurden zusätzlich externe Dienstleister beauftragt. Für die Konzeption und Koordination zeichnete das DFB-Systemhaus in enger Zusammenarbeit mit den Landes- und Regionalverbänden verantwortlich, die ihre Erfahrungen und teilweise eigene Softwarelösungen einbringen konnten. Gehostet wird DFBnet in einem Rechenzentrum der Deutschen Post im niedersächsischen Einbeck. Die Partnerschaft mit der Post besteht bereits über lange Jahre und hat sich bewährt", begründet Ingo Thomann, Marketing-Leiter der DFB Medien, die Entscheidung.

Hochlast herrscht am Sonntagnachmittag, wenn der Großteil der deutschen Amateurligen seine Spiele austrägt. "Die Auslastung ist sonntags rund 200-mal höher als zu den schwächsten Zeiten unter der Woche", so Gärtner. Die Applikationen und die technische Infrastruktur so zu entwickeln, dass sie dermaßen unterschiedliche Zugriffszahlen verarbeiten können, sei aber nicht die wichtigste Herausforderung gewesen. Viel anspruchsvoller war es, die große Zahl ehrenamtlich Aktiver und die hauptberuflich im Fußball tätigen Anwender in einem Arbeitsnetzwerk zu vereinigen: "Ich kann mich nur bei den Tausenden von Ehrenamtlichen bedanken, die sich tagtäglich für den Amateursport engagieren. Bei denen, die ihre Ideen in DFBnet eingebracht und während der Einführungsphasen häufig auch Zusatzbelastungen in Kauf genommen haben", so der Geschäftsführer. "Ohne ihre Akzeptanz könnte unsere Arbeit keinen Erfolg haben."