Partner müssen sich eventuell umstellen

Lisa ist weltweites Asset der Lotus Professional Services

01.12.2000
Mit Fritz Fleischmann, bei Lotus Vice President und General Manager für Europa, den Mittleren Osten und Afrika sowie Vorsitzender der Geschäftsführung der deutschen Lotus Development GmbH in Ismaning, sprach Volker Weber*.

CW: Unter den Aktien der am Neuen Markt notierten Lotus-Business-Partner wie Gedys, Intraware oder Teamwork befinden sich unabhängig von dem zur Zeit ohnehin schwachen Börsenparkett einige schlecht laufende Papiere. Was kann Lotus tun, um diese Situation zu verbessern?

FLEISCHMANN: Aus Lotus-Sicht können wir sicher helfen, damit die Domino-Notes-Themen im Kreis der Venture Capitalists und Investment-Banker besser aufgenommen werden. Wie das geschehen kann, diskutieren wir zur Zeit in der gemeinsamen IBM- und Lotus-Business-Partner-Organisation.

CW: Unternehmen wie Gedys und Intraware haben sich als Independent Software Vendors (ISVs) positioniert. Die ISVs nennen Lizenzzahlen zwischen 100000 und 200000, was etwa nur einem Prozent der möglichen Kunden beziehungsweise Notes-Arbeitsplätze in Deutschland entspricht. Da stimmt doch etwas nicht.

FLEISCHMANN: Man muss zunächst zwischen dem Enterprise- und dem SMB-Markt (SMB = Small and Medium Business) unterscheiden und dann untersuchen, zu welchem dieser Bereiche die Produkte passen. Gedys hat sich zum Beispiel mehr im SMB-Markt positioniert. In diesem Segment verzeichnen wir in Deutschland bereits rund 50 Prozent des Lotus-Produktumsatzes. Sie haben allerdings recht, das Potenzial ist wesentlich größer als das, was bisher ausgeschöpft wurde. Wir versuchen deshalb, unsere Partner zu ermutigen, diesen Markt besser mit Applikationen abzudecken. Wenn wir mit unserem ASP-Modell (ASP = Application-Service-Provider) erfolgreich sein wollen, dann müssen wir Anwendungen zur Verfügung haben, die SMB-Unternehmen mieten möchten. Dafür wäre es zum Beispiel sinnvoll, zusammen mit Partnern das Portfolio besser zu definieren. Vielleicht ist es sogar nötig, dass wir vertikale Märkte abstecken.

CW: Der erste Schluss, den man als außenstehender Beobachter ziehen könnte, ist, dass Notes für viele Unternehmen ein Mail-System ist und der Markt mit den Anwendungen noch nicht so anspringt, wie das immer wieder postuliert wird.

FLEISCHMANN: Ja, da ist bisher noch nicht viel getan worden. Bei Unternehmen im Großkundenbereich, die eine Messaging-Infrastruktur haben, kommt immer wieder die Frage nach Added-Value-Anwendungen.

CW: Wenn man sich die jüngsten Lotus-Announcements mit "K-Station", "Quickplace" und "Sametime" anhört, lässt sich da von einem Mehrwert für eine Notes-Infrastruktur sprechen?

FLEISCHMANN: Wir meinen ja. Da erschließen sich viele neue Anwendungsgebiete im Umfeld des Collaborative Commerce. Wenn ich zum Beispiel ein Unternehmen nicht transaktionsorientiert mit dem Kunden verbinden möchte, dann spielen Quickplace und Sametime eine große Rolle. Diese Anwendungen eignen sich auch für unsere Partner.

CW: Das gilt aber nicht für jemanden, der eine Helpdesk-Anwendung unter Notes verkaufen will.

FLEISCHMANN: Die Partner müssen sich eventuell umstellen und auf die Ankündigungen und Strategien von Lotus entsprechend reagieren. Wir helfen ihnen durch ein entsprechendes Enabling. Hier ist es durchaus sinnvoll, mit spezialisierten Business-Partnern etwa im Bereich E-Learning-, Content-Management oder Sametime zu kooperieren. Wir haben zum Beispiel europaweit eine Vereinbarung mit Xerox über das Produkt "Knowledge Share", um das herum wir eine Partner-Community mit entsprechenden Anwendungen aufbauen wollen. Dann kommt es natürlich darauf an, dass die Partner einen entsprechenden Fokus setzen, um auf diesem Gebiet besonders stark zu sein.

CW: Das bedeutet für Ihre Business-Partner allerdings einige Investitionen, weil sie neue Technologien und Lösungen adaptieren müssen. Hier hört man von einigen Irritationen über den erneuten Vorstoß mit der LSA (Lotus Solution Architecture) respektive "Lotus I-Net Solution Architecture" (Lisa). Lotus hat diese Lösung drei Jahre lang vorangetrieben - wie viele Kunden mit mindestens 200 Anwendern haben Sie dafür überhaupt gewinnen können?

FLEISCHMANN: Die genauen Zahlen sind mir jetzt nicht präsent. LSA ist ja im Wesentlichen in Deutschland entwickelt worden, und hier gibt es einige Kunden. Aufgrund der Situation mit IT Factory haben wir dieses Thema absichtlich nicht aufgebauscht. Es gab Verhandlungen mit IT Factory, ein gemeinsames Produkt zu schnüren und zu vermarkten. Wir sind in dieser Hinsicht auch weit gekommen, zuletzt jedoch aus technischen und kommerziellen Gründen, die ich hier nicht näher ausführen will, gescheitert. Vor diesem Hintergrund haben wir beschlossen, dass die Lotus Professional Services (LPS) einen Standard brauchen, um Business-Applikationen entwickeln zu können. Speziell im Großkundenbereich wird das auf internationaler Ebene gefordert. Konzerne wie Daimler-Chrysler oder die Deutsche Bank wollen nicht mit unterschiedlichen Werkzeugen arbeiten. Die Folge war, dass LSA zu Lisa weiterentwickelt wurde und wir als klare Botschaft entschieden haben, dass Lisa ein weltweites LPS-Asset ist. Die Verantwortung dafür liegt also nicht in den US-Labors von Lotus, sondern bei LPS. Wenn in Kundenprojekten Anwendungen zu entwickeln sind, dann benutzt LPS in allen vier Vertriebsregionen Lisa.

Bleibt also die Frage, ob sich unsere Partner auf Lisa stützen werden. Das steht ihnen frei - IT Factory wird es aufgrund der eigenen Architektur sicher nicht verwenden. Außerdem können wir nicht erwarten, dass Partner, die bislang mit anderen Werkzeugen entwickelt haben, jetzt auf Lisa umstellen. Wir werden hier keinen in irgendeiner Form diskriminieren.

CW: Warum ist Lisa ein LPS-Asset und kein Lotus-Produkt? Das wäre doch viel attraktiver.

FLEISCHMANN: LSA ist bei der LPS entstanden, weil diese über eine professionelle Entwicklungsumgebung verfügen muss. Vor diesem Problem steht jede Serviceorganisation. Da Lotus kein Dienstleister ist, war dort zunächst auch kein Bedarf für solche Tools. Es kann durchaus sein, dass in zwei Jahren Lisa oder Teile daraus in Lotus-Produkte integriert werden. Das kann man aber momentan nicht vorhersagen. Was wir mit unseren Business-Partnern konkret in den nächsten zwei bis drei Monaten vorhaben, sind Gespräche über das Pricing und den Support von Lisa. Ich gehe davon aus, dass wir die Entwicklungslizenz frei oder zu einem niedrigen Preis zur Verfügung stellen.

CW: In Europa steht Lotus gegenüber Microsoft besser da als in den USA. Worin liegt Ihrer Meinung nach die Ursache dafür?

FLEISCHMANN: Wir haben es in Europa geschafft, uns frühzeitig als Lösungsanbieter aufzustellen. Auch wenn manche Partner hin und wieder Kritik an LPS üben, der Schulterschluss mit dem Service war für Lotus ein Erfolgsfaktor in Europa, im Mittleren Osten und in Afrika. Die beiden Schlüsselfaktoren sind meiner Ansicht nach: Lösungsanbieter und eine starke Beziehung zu Großkunden über den Service.

* Voker Weber ist freier Journalist in Darmstadt.