Unix sinkt in der Gunst der Anwender

Linux und Windows im Aufwind

01.06.2004
Von 
Bernd Reder ist freier Journalist und Autor mit den Schwerpunkten Technologien, Netzwerke und IT in München.
In vielen Unternehmen haben Unix-Server viele Jahre lang gute Dienste geleistet - und tun das auch heute noch. Doch mittlerweile stehen mit Linux sowie Windows 2000 und 2003 attraktive Alternativen zur Verfügung. Sie bieten vergleichbare Funktionen - und sind preiswerter.

DIE DEBATTE darüber, welches Betriebssystem für ein mittelständisches Unternehmen das „richtige“ ist, wird mit wachsender Erbitterung geführt. Auf der einen Seite stehen die Protagonisten von Windows, auf der anderen die von Linux. Einig sind sich beide Parteien nur in einem: Sie wollen das gute, alte Unix beerben. Dem Oldie unter den Server-Betriebssystemen werden zu hohe Hardware- und Supportkosten vorgeworfen.

In der Tat sind Unix-Systeme teuer, vor allem solche mit Risc-Prozessoren (Reduced Instruction Set Computer). So kostet ein Lowend-Risc-System mit zwei Power4+-CPUs von IBM in der Basisversion 8300 Euro, eine Maschine von Sun mit Ultrasparc-IIIi-Prozessoren an die 5600 Euro. Ein sehr viel leistungsstärkerer Server von Dell, Fujitsu- Siemens, NEC oder Maxdata, der sich an der Referenzplattform SR870BH2 von Intel orientiert und über zwei Itanium- 2-Prozessoren verfügt, ist dagegen bereits ab 5000 Euro zu haben. Die Rechenkapazität des Intel-Systems ist mit 10,35 Giga-Flops (Floating Point Operations per Second) um etwa ein Drittel höher als die des IBM Servers und doppelt so hoch wie die der Sun-Maschine.

Hardwarekosten senken

Dass die Hardwarekosten bei der Wahl des Betriebssystems eine wichtige Rolle spielen, bestätigt Dietmar Klein, ITSystemadministrator bei Phoenix Contact, einem Hersteller von Komponenten für die Automatisierungstechnik im westfälischen Blomberg: „Unsere Oracle- Datenbanken liefen zunächst auf Servern mit PA-Risc-Prozessoren von Hewlett-Packard unter HP-UX“, sagt der IT-Experte. „Die gleiche Leistung erzielen wir nun mit Proliant-DL-Servern von Hewlett-Packard, die mit zwei bis acht Intel-Prozessoren ausgerüstet sind.“ Als Betriebssystem setzt Phoenix Contact den Linux Enterprise Server von Suse ein.

„Wir hatten einfach keinen Bedarf mehr an Unix-Maschinen“, ergänzt Klein. „Bereits Mehrprozessor-Systeme mit Pentium-II-CPUs von Intel hatten eine Leistung, die für Datenbankanwendungen mit etwa 200 Usern ausreichte.“

Einen Anhaltspunkt, wie viel Anwender durch den Umstieg von Riscauf Intel-Server sparen können, gibt das Beispiel von Transtec. Bis vergangenes Jahr liefen bei dem Hersteller von IT-Systemen das Enterprise-Resource-Planning-System (Applikationspakete für Buchhaltung, Produktionssteuerung, Kunden-Management etc.) und die Web-Server auf Sparc-Rechnern der Reihe E420 mit jeweils vier Prozessoren unter dem Sun-Unix-Derivat Solaris. An ihre Stelle traten zwei Server-Cluster mit Intel-Maschinen unter Suse Linux Enterprise Server. Jeweils zwei Rechner mit zwei Dual-Xeon-Prozessoren mit 2,4 GHz Taktfrequenz sind in einem Cluster zusammengefasst. „Die Kosten liegen bei etwa einem Fünftel einer vergleichbaren Sparc-Lösung“, sagt Jochen Kapp, IT-Leiter bei Transtec.

Gesamtaufwand betrachten

Bei solchen Vergleichen ist jedoch eines zu berücksichtigen: Es geht nicht nur um die Kosten der Hardware. Wirtschaftlich sinnvoller ist eine Betrachtung des Gesamtaufwands - und dazu gehören auch die Ausgaben für Betriebssystem- Lizenzen, Support und Wartung. Klaus Hering, IT-Leiter von Spectro Instruments, einem Hersteller von Messgeräten für die Spektrometrie mit 400 Mitarbeitern, hält allerdings wenig von den gängigen Total-Cost-of-Ownership- Studien: „Die meisten sind nicht besonders aussagekräftig, weil sie nur reine Linux- oder Windows-Umgebungen miteinander vergleichen.“ In mittelständischen Firmen sei jedoch häufig eine gemischte IT-Infrastruktur anzutreffen.

Dennoch sind sich die Experten weitgehend einig, dass Firmen über eine Migration von Unix zu Windows oder Linux nachdenken sollten. Das gilt vor allem für Anwender, die Unix-Systeme aus dem unteren und mittleren Leistungs- und Preisbereich einsetzen. Das sind Rechner mit zwei bis acht Prozessoren. Voll ausgestattet, also mit genügend Arbeitsspeicher, einem Raid-System mit SCSI-Festplatten, redundanten Netzteilen und fehlertoleranten Netzwerkadaptern, kosten sie etwa zwischen 10 000 und 100 000 Euro.

Linux und Windows sind inzwischen in diesem Segment deshalb ernst zu nehmende Alternativen, weil sie in technischer Hinsicht gegenüber Unix mächtig Boden gutgemacht haben. So unterstützen inzwischen beide 64-Bit-Prozessoren und entsprechende Applikationen. Hinzu kommt, dass sich heute auch mit Linux und Windows Server- Cluster sowie hoch verfügbare Systeme aufbauen lassen. Die Datacenter- und Enterprise-Editionen von Windows Server 2003 etwa sind für Cluster mit bis zu acht Knoten ausgelegt. Vergleichbare Lösungen für Linux bieten Red Hat und Suse an, aber auch Drittanbieter wie Polyserve und Sistina.