Umstellung auf Open-Source-Software

Linux-Migration hilft Mittelständler beim Sparen

28.02.2008
Der bayerische Dienstleister ESD riskierte, was sich viele Unternehmen aus dem Mittelstand nicht trauen: die Umstellung aller Server und Client-Rechner auf Linux.

"Zwei Aspekte waren entscheidend für die Migration auf Open-Source-Software", berichtet Maximilian Kammermeier, Inhaber und Geschäftsführer der ESD-Dienstleistungsgruppe: "Kosten und Sicherheit." Zum einen sah der Unternehmer aus dem bayerischen Mühldorf die Möglichkeit, mit Open Source bei gleichen oder besseren Funktionen IT-Kosten zu senken. Zum anderen erhoffte er sich eine sicherere Infrastruktur, "da die Zahl der Viren und Schädlinge unter Linux erfahrungsgemäß deutlich geringer ist als bei anderen Betriebssystemen".

Wildwuchs in der IT

Als Kammermeier im Jahr 2001 erstmals über Linux nachdachte, kämpften die rund 1000 ESD-Mitarbeiter mit einer sehr heterogenen IT-Ausstattung. An Betriebssystemen war fast alles im Einsatz, was Microsoft seinerzeit zu bieten hatte: Windows 95, 98, NT und Windows 2000. Alle Anwendungen und Tools arbeiteten lokal auf den Clients, es gab weder personenspezifische Benutzerkonten noch eine definierte Ablagestruktur. Erschwerend hinzu kam, dass die vier damaligen Niederlassungen in Sachen IT völlig unabhängig agierten.

Um den Wildwuchs in den Griff zu bekommen und die Strukturen zu verbessern, holte ESD das Systemhaus Linux Information Systems ins Boot. Der Münchner IT-Dienstleister offeriert mit "CoreBiz" eine Paket aus Open-Source-Komponenten auf Basis der Linux-Distribution Debian. Ein wichtiges Argument für Kammermeier war die Tatsache, dass CoreBiz keine Client-Access-Lizenzen (CALs) kennt, wie sie im Microsoft-Umfeld üblich sind. "Die Server-Software wird bei wachsenden Benutzerzahlen nicht teurer", so der Manager.

Linux-Migration in kleinen Schritten

Dennoch kam für den Mittelständler kein Big-Bang-Projekt in Frage. Stattdessen organisierten die Bayern eine Migration in mehreren Phasen. Im Jahr 2002 stellte das Team zunächst die Server für die Benutzer- und Dateiverwaltung auf Linux um. Ein Jahr später folgte eine einheitliche Ablagestruktur für alle Standorte samt Zugriffsrechten und der Synchronisierung verteilter Server. Um Windows-basierende Branchensoftware weiter nutzen zu können, richtete ESD einen Windows Terminal Server ein. Als Alternative zu Citrix nutzt das Unternehmen auch Tarantella von Sun Microsystems.

Erst im Jahr 2005 stand die Linux-Umstellung aller Desktops auf der Agenda. Als ersten Schritt definierten die Projektmitarbeiter einen Standard-Client für die ESD-Firmengruppe. Mailkonten migrierte das Team von der in Microsoft Outlook verwendeten Schnittstelle Mapi auf Imap (Internet Message Access Protocol). Nach der Linux-Migration einer Pilotgruppe stellte ESD auch die Standorte in München und Mühldorf auf den Client des CoreBiz-Pakets um. Als Mail- und Groupware-Client nutzen die Anwender entweder Kontact oder Thunderbird. Hinzu kommt das Open-Soure-Büropaket OpenOffice in der Version 2.0. Auf diverse Branchenanwendungen greifen die Linux-Desktops über einen quelloffenen RDP-Client zu (siehe dazu auch: Wie gut sind Linux-Desktops?).

Kosten sparen mit Open Source

Die Kosten für alle Umstellungsprojekte schätzt ESD auf rund 100 000 Euro. Im Wesentlichen habe es sich dabei um Beratungsaufwändungen gehandelt. Dem stehen Einsparungen bei der eingesetzten Software gegenüber. "Mit CoreBiz konnten wir die Kosten für Softwarelizenzen beziehungsweise für Softwarepflege um 50 Prozent senken", sagt Kammermeier. Zudem benötige sein Unternehmen keine Verwaltung von Softwarelizenzen mehr, da die Wartungskosten unabhängig von der Zahl der Clients berechnet würden.

Akzeptanzprobleme

Ganz reibungslos verlief indes auch dieses Migrationsprojekt nicht. Während sich die Änderungen auf den Servern ohne größere Hindernisse bewältigen ließen, führte das Umstellen der Clients zu Akzeptanzproblemen bei den Nutzern, wie Kammermeier einräumt: "Wir haben es versäumt, unsere Mitarbeiter über den bevorstehenden Wechsel von Windows auf Linux ausführlich zu informieren und ihnen die Vorteile aufzuzeigen." Am Anfang überwog deshalb die Skepsis, vor allem aber das Gefühl, die vertraute Arbeitsumgebung zu verlieren (siehe auch: Linux-Projekte der Städte München und Wien). Dennoch zieht der ESD-Chef eine positive Bilanz. Nach der Umstellung habe sich gezeigt, dass die Linux-Systeme stabiler und sicherer arbeiteten als die alte Windows-Umgebung. (wh)